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Bundesverband Inkasso präsentiert 10-Punkte-Programm zur Verbesserung der Zahlungsmoral

(23.11.2002) Schlechte Zahlungsmoral und die anhaltende Konjunkturschwäche bescheren Deutschland einen neuen Insolvenzrekord: Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) werden dieses Jahr rund 41.500 Unternehmen Pleite gehen - fast ein Drittel mehr als noch 2001 (32.278). Der BDIU rechnet mit einem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden von fast 50 Milliarden Euro. 650.000 Arbeitsplätze gehen verloren. Gleichzeitig erwartet der Verband 30.000 Insolvenzen von Verbrauchern und ehemals Selbstständigen - doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Mit im Durchschnitt fast 40.000 Euro erreicht die Verschuldung der privaten Haushalte in diesem Jahr eine neue Höchstmarke.

Dieter Plambeck, Präsident des BDIU: "Die anhaltende Pleitewelle überrollt den Mittelstand - das Herz der deutschen Wirtschaft und unseren größten Arbeitgeber." Fast jedes dritte Pleiteunternehmen kommt aus dem Baugewerbe. Grund für die schlechte Lage der Unternehmen ist neben einer oft zu dünnen Eigenkapitaldecke vor allem die schlechte Zahlungsmoral: 69 Prozent der BDIU-Unternehmen sagen in ihrer aktuellen Herbstumfrage, dass die Zahlungsmoral im vergangenen halben Jahr weiter abgenommen hat. Vor allem gewerbliche Schuldner zahlen schlechter: Über drei Viertel der Inkasso-Unternehmen bestätigen das. Mehr als die Hälfte aller Firmen erleiden zurzeit Forderungsverluste, weil ein Kunde Pleite gegangen ist. Besonders schwierig ist die Lage im Handwerk. 62 Prozent nennen es als Problembereich beim Zahlungsverhalten. 70 Prozent sagen: Forderungsausfälle privater Auftraggeber und verspätet eingehende Zahlungen sind - neben der schwachen Konjunktur - die Hauptgründe, warum Handwerksbetriebe Pleite gehen.

Um der Pleiten und Schuldenmisere Herr zu werden, hat der BDIU jetzt ein 10-Punkte-Programm mit Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Zahlungsmoral vorgelegt. Kernpunkt: Der Verband fordert ein gesellschaftliches Bündnis gegen Überschuldung:

  1. Bündnis gegen Überschuldung:
    Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) fordert ein Bündnis gegen Überschuldung. An einem Runden Tisch sollen alle relevanten Vertreter - Spitzenverbände der Wirtschaft, Politik, Verbraucher und Schuldnerorganisationen sowie Vertreter der Gläubiger - gemeinsam Maßnahmen erarbeiten, wie der schlechten Zahlungsmoral beizukommen ist. Das Beispiel der Hartz-Kommission könnte hier als Vorbild dienen. Zentraler Baustein dieses Bündnisses ist eine gemeinsame Kampagne zur Verbesserung der Zahlungsmoral. Die Kampagne unterstreicht die Bedeutung einer guten Zahlungsmoral für die Volkswirtschaft.
     
  2. Verzugszinsen erhöhen - Lieferantenkredit unterbinden:
    Zur Verbesserung der Zahlungsmoral hat der Gesetzgeber bereits im Jahr 2000 das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen verabschiedet. Nach einhelliger Meinung sowohl der Inkasso-Branche als auch der Spitzenverbände der Wirtschaft hat das Gesetz trotz positiver Ansätze die Erwartungen bislang nicht erfüllt. Nach wie vor dauert es zu lange, bis fällige Rechnungen beglichen werden. Davon ist vor allem der Mittelstand betroffen. Nach Überzeugung des Bundesverbandes Inkasso sind weitere gesetzliche Maßnahmen notwendig, um die Zahlungsmoral nachhaltig zu verbessern.
    Der Bundesverband Inkasso fordert, die Sanktionen, die das Nichtzahlen von Rechnungen mit sich bringt, zu verschärfen. Dazu gehört insbesondere eine Erhöhung der Verzugszinsen. Durch das Herauszögern von fälligen Rechnungen verschafft sich der Schuldner einen kostengünstigen "Lieferantenkredit". Der BDIU fordert, dass die Verzugszinsen für diesen "Lieferantenkredit" deutlich über den vergleichbaren Zinssätzen in der Kreditwirtschaft liegen, um die Attraktivität dieses "Lieferantenkredites" weiter einzuschränken.
     
  3. Öffentliche Hand hat Vorbildfunktion beim Zahlungsverhalten:
    Der Bundesverband Inkasso appelliert an die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand bei der Zahlungsmoral. Es ist unglaubwürdig, wenn die Politik zum einen die schlechte Zahlungsmoral als Missstand anprangert, auf der anderen Seite aber, wenn sie selbst gefordert ist, fällige Zahlungen hinauszögert und dadurch die beauftragten Unternehmen in zum Teil nicht unerhebliche Schwierigkeiten bringt. Umfragen in der Inkasso-Branche belegen, dass öffentliche Auftraggeber oftmals nachlässige Zahler sind, insbesondere im Bereich der Kommunen. Jedes achte Inkasso-Unternehmen hat in der aktuellen Herbstumfrage des BDIU die Erfahrung gemacht, dass die öffentliche Hand besonders problematisch beim Zahlungsverhalten ist. Ein Viertel der BDIU-Mitglieder sagen, die Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber hat sich innerhalb der letzten sechs Monate verschlechtert.
     
  4. Öffentliche Hand muss Forderungsmanagement professionalisieren:
    Das Forderungsmanagement der öffentlichen Hand muss verbessert werden. Die öffentlichen Haushalte könnten ihre Einnahmen deutlich verbessern, wenn sie das Realisieren ihrer offenen Forderungen professionalisieren würden. So müssen die öffentlichen Kassen zum Beispiel pro Jahr etwa 750 Millionen Euro an Unterhaltsvorschüssen an allein erziehende Mütter auszahlen, weil die eigentlich zahlungsverpflichteten Väter den Unterhalt nicht zahlen. Die Rückholquoten für diese Unterhaltsvorschüsse liegen je nach Bundesland bei lediglich 13 bis 21 Prozent. Durch professionelles und sachgerechtes Forderungsmanagement lassen sich diese Quoten deutlich verbessern. Der Bundesverband Inkasso fordert die öffentliche Hand dazu auf, gegebenenfalls ihr Forderungsmanagement an professionelle, dafür geschulte Dienstleister auszulagern. Dies ist auch im Sinne der Forderung nach einem schlanken Staat. Das Beispiel der USA zeigt, dass sich durch solche Maßnahmen die Effizienz und die Liquidität der öffentlichen Hand deutlich steigern lässt.
     
  5. Überschuldete Privatpersonen beim Neuanfang unterstützen:
    Der Bundesverband Inkasso begrüßt grundsätzlich die Möglichkeit zum Verbraucher-Insolvenzverfahren. Redliche Schuldner erhalten so die Möglichkeit, ihre finanziellen Verhältnisse zu ordnen und wieder am wirtschaftlichen Leben teilzunehmen. Leider verzögert sich der Beginn vieler Verfahren durch zu lange Wartelisten bei den Schuldnerberatungsstellen. Die Schuldnerberatung sollte daher vom Gesetzgeber personell stärker in ihrer Arbeit unterstützt werden.
     
  6. Gläubigerbefriedigung ist oberster Grundsatz:
    Die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung ist von vielen Schuldnern auch als Einladung missverstanden worden, erst recht viele Schulden zu machen, von denen man sich dann später wieder befreien lassen könnte. Wichtigstes Ziel im Verbraucherinsolvenzverfahren muss aber die bestmögliche Gläubigerbefriedigung darstellen. Der BDIU erwartet, dass sich die Politik zu diesem Grundsatz des Verbraucherkonkurses bekennt. Die außergerichtliche Einigung ist dabei laut Überzeugung der Inkasso-Branche für alle Beteiligten der günstigste und effektivste Weg. Der BDIU fordert die Politik auf, die außergerichtliche Einigung wieder zu stärken und so die Durchführung teurer und aufwändiger Gerichtsverfahren auf ein Mindestmaß zu reduzieren.
     
  7. Meldepflicht konsequent anwenden:
    Die Erfahrung der Inkasso-Unternehmen zeigt: Viele private Schuldner (etwa 15 Prozent) ziehen bei entsprechend hohen Schulden einfach um und versuchen so das Bezahlen der fälligen Rechnungen zu umgehen. Sie informieren erst Monate später ihr Einwohnermeldeamt, manche überhaupt nicht, einige ziehen sogar ins Ausland. Fällige Forderungen können dann nicht realisiert werden, weil der Gläubiger den Aufenthalt des Schuldners nicht mehr ermitteln kann. Laut Überzeugung der Inkasso-Branche wird die Meldepflicht bislang zu lax gehandhabt. Dies leistet einer schlechten Zahlungsmoral Vorschub. Der BDIU fordert die entsprechenden Ämter und Behörden daher auf, die bestehenden Regelungen zur Meldepflicht konsequent anzuwenden. Zudem sollten die Rückgriffmöglichkeiten auf öffentliche Register zur Ermittlung säumiger Zahler verbessert werden.
     
  8. Die Arbeit der Gerichtsvollzieher stärken:
    Die Gerichtsvollzieher sind zurzeit in ihrer Arbeit völlig überlastet. Vielerorts dauert es über ein Jahr, bis die Vollstreckungsbeamten ihre Aufträge erledigen. Der Wirtschaft fehlt dadurch Liquidität und die Rechtssicherheit zur Durchsetzung von Ansprüchen. Der Bundesverband Inkasso fordert die Politik dazu auf, die deutschen Gerichtsvollzieher personell zu verstärken. Die Effizienz der Arbeit der Gerichtsvollzieher muss deutlich gesteigert werden, um der Wirtschaft die dringend benötigte Liquidität wieder zurückzuführen, wo dies nur mit hoheitlichen Befugnissen möglich ist - wie zum Beispiel bei Wohnungsdurchsuchungen und der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, mit denen Gerichtsvollzieher in die elementaren Grundrechte der Bürger eingreifen. Die Bürger haben ein Recht darauf, dass die Gerichtsvollzieher für diese Tätigkeit optimal ausgebildet werden. Der BDIU unterstützt daher die Forderung des Deutschen GerichtsvollzieherBundes, die Qualität der Gerichtsvollzieherausbildung deutlich zu verbessern und auf Fachhochschulniveau anzuheben.
     
  9. Unternehmen müssen sich gegen Forderungsausfälle schützen:
    Die deutschen Unternehmen werden in Zukunft vor der Vergabe von Lieferantenkrediten und Zahlungsvereinbarungen verschärften Informationspflichten nachkommen müssen. Um sich selbst vor Forderungsausfällen zu schützen, müssen Unternehmen künftig die Bonität ihrer Kunden besser als bisher vorab überprüfen. In diesem Zusammenhang leistet die Inkasso-Branche eine wichtige Arbeit, insbesondere für den Mittelstand, für den professionelles Forderungsmanagement eine oft lebensnotwendige Dienstleistung ist. Inkasso-Unternehmen sorgen dafür, dass ausstehende Forderungen schnell wieder ihren Auftraggebern zurückgeführt werden. Sie beraten ihre Auftraggeber in allen Fragen der Liquidität und sichern durch ihren umfangreichen Erfahrungsschatz eine weitere positive Geschäftsbeziehung mit den Schuldnern. Zudem helfen sie durch zusätzliche Dienstleistungen wie Auskünfte oder den Einsatz von Kreditprüfungssystemen künftige Forderungsausfälle zu verhindern.
     
  10. Über Umgang mit Geld und Schulden bereits in der Schule aufklären:
    Mit Besorgnis stellt die Inkasso-Branche fest, dass der Trend zum Schuldenmachen unvermindert anhält. Bereits junge Menschen sind bereit, für Statussymbole wie Handy, Markenkleidung oder CD-Player Schulden aufzunehmen, ohne die Rechnungen bezahlen zu können. Der Verband fordert in diesem Zusammenhang umfangreiche Aufklärungs und Präventionsmaßnahmen. Der Umgang mit Geld sowie Schulden und die Folgen von Überschuldung gehören an zentrale Stellen des Lehrplans von Schulen, Berufsschulen und anderen Ausbildungsstätten. Junge Menschen müssen bereits zu einem frühen Zeitpunkt zu mündigen Mitgliedern und Akteuren im Wirtschaftskreislauf erzogen werden.

Der Grundsatz von Treu und Glauben muss wieder in das öffentliche Bewusstsein geholt werden. Wer eine Ware oder Dienstleistung erwirbt, muss sich darüber im Klaren sein, dass er sie zu bezahlen hat. Dieses Bewusstsein hat laut Beobachtung der Inkasso-Branche in den letzten Jahren stark abgenommen und massiv zum anhaltenden Nachlassen der Zahlungsmoral beigetragen.

Es muss Aufklärungsarbeit geleistet werden: Bei gewerblichen und privaten Schuldnern muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass von der Bezahlung offener Rechnungen ein ganzer Wirtschaftskreislauf abhängt. Vielen Schuldnern ist gar nicht bewusst, dass durch das Nichtzahlen offener Rechnungen die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen und so auch Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.

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