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Kommentar anlässlich der ACS 2002: Schluss mit lustig!

(20.11.2002) Laut einer aktuellen Meldung rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in diesem Jahr mit einem Minus von 3,3% für die deutsche Bauwirtschaft; die gesamte Bauleistung dürfte im realen Wert rund 255 Mrd. Euro (zu Preisen von 1995) erreichen, das sind fast 10 Mrd. Euro weniger als im vergangenen Jahr und rund 46 Mrd. Euro weniger als 1995. In seinem Wochenbericht 45/2002 stellte das Institut zudem fest, dass im kommenden Jahr bei unveränderten politischen Rahmenbedingungen (!) eine Leistung von 251 Mrd. Euro hätte erreicht werden können - dies wäre ein weiterer Rückgang von 1,5% gewesen. Die Koalitionsbeschlüsse der rot-grünen Regierung im steuerlichen Bereich werden indes den Bausektor besonders hart treffen - wir alle kennen die Themen: "Reduzierung der Eigenheimzulage", "Abschaffung der degressiven AfA für Mietwohngebäude bzw. Vereinheitlichung aller AfA-Sätze für Gebäude auf nur mehr 2%" sowie "die künftige Besteuerung aller Veräußerungsgewinne". Die Wirkung dieser Maßnahmen verringert laut vorliegenden Schätzung das Bauvolumen 2003 um 4,7% auf 243 Mrd. Euro; stützend wirkt sich dabei NOCH der Bauüberhang aus, während die Genehmigungen für neue Gebäude bereits ganz erheblich sinken werden. Erst in den Folgejahren wird sich der erwartete Nachfragerückgang im Hochbau unmittelbar auf die Bauproduktion auswirken - zweistellige Minusraten sind dann nicht ausgeschlossen.

Die Zahlen vom DIW machen zwei Dinge ganz deutlich: So, wie es mal war, wird es vermutlich nie wieder werden; die "guten, alten" Zeiten der Bau- und AEC-Branche sind zumindest auf absehbare Zeit passé - darauf zu warten, wäre närrisch bzw. im unternehmerischen Sinne unverantwortlich. Die gute Nachricht aber lautet, dass auch 240, 230 oder meinetwegen auch 220 Mrd. Euro eine ganze Menge Geld sind, die umgesetzt und verteilt werden wollen.

Zugegeben: kurzfristig machen die Pläne der Bundesregierung wohl jeden aus der Baubranche nervös; wirklich Bange muss es aber eigentlich nur all denen werden, die sich in den vergangenen Jahren (oder Jahrzehnten) im Mittelmaß selbstgefällig eingerichtet haben und geplant hatten, sich mit bewährten Methoden - "das haben wir immer schon so gemacht!" - geruhlich in die Rente herüberzuretten. In dieses Bild passt auch eine Studie, die im Auftrag der Rathscheck-Schiefer und Dachsysteme KG von der Mercator-Universität in Duisburg durchgeführt und im September vorgestellt wurde. Professor Dr. Markus Voeth vom Lehrstuhl für Marketing der Gerhard-Mercator-Universität stellt darin u.a. fest, dass Deutschlands Architekten "häufig" am Kunden vorbei bauen und die Wünsche der Bauherren nach Kosteneinsparungen und Termintreue zu Gunsten von Design und gestalterischer Freiheit ignorieren würden (siehe auch Meldung vom 28.9.2002).

Im selben Kontext fragte Prof. Jagenburg beim 2. Mayener DachForum: "Sind Architekten Künstler oder Unternehmer?" Seiner Meinung nach verstehen sich viele als Künstler und vernachlässigen dabei oft kaufmännische und rechtliche Fragen. Den rücksichtslosen Bauherren freut es: Im Rahmen des Verfalls der guten (Bau-)Sitten deklariert so mancher Bauherr selbst umfangreiche Vorplanungen als Akquise. Als Beispiel nannte Prof. Jagenburg u.a. ein Ehepaar, das sich acht Hausentwürfe anfertigen ließ und anschließend wegen Schwangerschaft die Baupläne komplett zurückstellte. Der gutmütige Architekt arbeitete ohne Vertrag und hat heute Mühe nachzuweisen, dass er beauftragt wurde, Entwürfe anzufertigen.

Wie ungern sich einige Planer - wie übrigens auch Handwerker - der harten Realität sowie Fakten und Vorgaben stellen, machen beispielsweise auch die regelmäßigen, stammtischartigen Diskussionen um DIN-Normen und Baugesetze deutlich: Anstatt die Vorgaben einfach einzuhalten und somit vielen Rechtsstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen, wird polemisch über Notwendigkeiten und Relevanzen diskutiert - und zwar vor allem dann, wenn ganz konkret vorliegende Schadensfälle genau diese Notwendigkeiten und Relevanzen unter Beweis stellen.

Politisch, volkswirtschaftlich, fiskalisch, bautechnisch und -rechtlich sind die Pflöcke also eingeschlagen. Zudem wird Lamentieren auch deshalb wenig helfen, weil bekannterweise nicht mehr verteilt werden kann als die strapazieren Budgets hergeben. Zwar ließe sich trefflich darüber streiten, wie sehr potentielle Investoren überhaupt noch abgeschreckt werden dürfen, warum so viele Kassen leer sind, wer dafür verantwortlich ist und wie die richtigen Strategien ausschauen, um die Krise zu meistern - aber diese Diskussionen helfen akut ohnehin nicht: Fakt ist, dass das Geld einfach nicht da ist, um allen Unternehmen, Mittelständlern und Freiberuflern wie Angestellten das berufliche, in Watte gepackte Überleben zu sichern! Und darauf müssen wir uns / muss sich jeder einzelne eben einstellen:

  • Man kann beispielsweise mit nach hinten gewendetem Blick für alte Privilegien streikend und streitend auf die Straße gehen (siehe z.B. Meldung vom 25.11.2002),
  • oder die Zukunft bei den Hörnern packen und mit individuell herausgearbeiteten Alleinstellungsmerkmalen, Sonder-Qualifikationen, Nischenbereichen, ergänzenden Dienstleistungen, Qualität und Kundennähe den eigenen Stellenwert am Markt festigen - wenn nicht sogar ausbauen.

Zur Erinnerung: noch immer wollen mehr als 240 Milliarden Euro im Baubereich pro Jahr ihre Abnehmer finden.

Und damit kommen wir zur AEC-Branche, die das Jammern schon seit Jahren übt. Eigentlich sollte man doch annehmen, dass die Entwickler von Informations- und Kommunikationstechnologien quasi als Kriegsgewinnler aus der aktuellen bauwirtschaftlichen Krise hervorgehen müssten; schließlich haben sie es selber in der Hand, den Bauunternehmern, Handwerkern, Architekten und Ingenieuren sowie relevanten Dienstleistern solche Werkzeuge anzubieten und für teures Geld zu verkaufen, die diesen wiederum helfen, noch viel mehr Geld einzusparen. Aber vieles von dem, was oben im Text in Richtung der planenden Zunft ausgesagt (oder auch polemisiert) wurde, ließe sich durchaus auf den einen oder anderen AEC-Softwerker adaptieren: nicht selten wurde in den vergangenen Jahren am Markt und am Kunden vorbeientwickelt, nicht wenige Programme entpuppen sich bei näherer Betrachtung als nett designtes Spielzeug ohne praktischen Wert, und andere Entwicklungen funktionieren zwar ganz proper in einer Prototypen-Umgebung aber nicht im zeitsensiblen und datenintensiven Alltag zwischen Planungsbüro und Baustelle.

Lassen Sie uns ein wenig in Hypothesen schwelgen: Wie sähe die AEC-Landschaft heute aus, wenn beispielsweise in den vergangenen drei, vier oder fünf Jahren die IFC-Schnittstelle mit mehr Nachdruck entwickelt und in den Bauämtern etabliert worden wäre? Möglicherweise würden bereits alle relevanten CAD-, AVA-, Kalkulations- und HKS-Programme sowie die gängige Handwerker-Software über eine IFC-Schnittstelle verfügen, so dass die an der Gebäude-Planung und -Errichtung beteiligten Personen von einem zeitsparenden und qualifizierten Datenaustausch profitieren könnten. Auch die Ämter hätten weniger Gründe, sich für Baugenehmigungen so viel Zeit zu nehmen, wie sie es eben so gerne tun. Und die Softwareunternehmen hätten an den notwendigen Updates Ihrer Produkte bestimmt viel Spass gehabt - zumal sie zur gleichen Zeit keine Gelegenheit gehabt hätten, mit anderweitigen spleenigen Ideen Millionen von Euros zu verbrennen ;-)

Der eine oder andere Software-Anwender wird nun vermutlich darauf verweisen, dass er durch die allgemeine Etablierung des IFC-Standards wiederum in Software-Updates zwingend hätte investieren müssen, um weiter am Planungs- und Realisierungs-Prozess von Bauvorhaben teilhaben zu können. Richtig! Aber ergäbe sich dadurch nicht auch die Chance, dass sich mal wieder die Spreu vom Weizen innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen trennen könnte? Viele Küchentisch-Untenehmer, Freizeit-Planer oder Nebenbei-Architekten würden sich vermutlich genau überlegen (müssen), wie viel Geld und Fortbildung sie in ihren Nebenjob noch investieren wollen: Während hoch gelegte Messlatten für Professionelle zumindest zu normalen Zeiten kein Problem darstellen sollten, können sie andererseits Trittbrettfahrer und Amateure wirksam ausfiltern. Hätte, wäre, wenn: nicht nur in puncto IFC ist viel Zeit vertan worden ...

Ich muß zum Ende kommen: Eigentlich mag ich es gar nicht, ganze Berufsgruppen - mich aller verfügbaren Klischees bedienend - über einen Kamm zu scheren. Wir haben zudem auch gerade selber gebaut, und können uns wirklich (noch) nicht beschweren. Trotzdem wurde in dem ganzen Umfeld immer wieder deutlich, dass viele Probleme in der Branche einfach auch hausgemacht sind: Wenn Termine über Wochen nicht eingehalten werden, wenn feste Zusagen zum wiederholten Male zurückgenommen werden müssen oder Verarbeitungsmängel mit einem Achselzucken kommentiert werden, dann haben solche Unternehmen am Markt eben auch nichts mehr zu suchen - und der Markt wird dieses auch regeln! Aber genau dieser Mechanismus sichert all denen die weitere Existenz, die sich den Anforderungen des Marktes wiederum stellen - und insofern ist jeder auch seines eigenen Glückes Schmied.

Übrigens: Wir leben heute in der Zeit, von der man mal sagen wird, dass es die "gute, alte" gewesen sei!

Alfons Oebbeke

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