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"Pariser Club" beschließt Irak-Schuldenerlass zu Lasten der deutschen Bauindustrie

  • Bauindustrie bleibt auf Irak-Forderungen von über 1,3 Mrd. Euro sitzen!
  • Enttäuschte Unternehmen erwägen Klage gegen den Bund!

(23.11.2004) "Von wirtschaftlichen Erwägungen kann hier nicht mehr die Rede sein. Dieser Beschluss ist politisch motiviert - und die deutsche Bauindustrie zahlt die Zeche!" Mit diesen Worten kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Michael Knipper, die Entscheidung des "Pariser Clubs" zum Schuldenerlass für den Irak. Danach gewähren die 19 Mitgliedsländer des "Pariser Clubs", darunter Deutschland, dem Irak eine Erlassquote auf seine Auslandsschulden von 80% in drei Stufen. Der gesamte auf Deutschland entfallende Forderungsbestand beträgt 5,5 Mrd. Euro, davon entfallen auf die deutsche Bauindustrie allein rund 1,7 Mrd. €. Hierbei handelt es sich um Forderungen für in den 80er Jahren gebaute Straßen, Flughäfen und einen Staudamm, die aber infolge des Iran-Irak-Krieges nie bezahlt wurden.

Allein die Tatsache, dass der Irak über die zweitgrößten Ölreserven der Welt verfügt, so Knipper weiter, spreche eindeutig gegen eine solche "exorbitant hohe Erlassquote". "Denn", so Knipper weiter, "80% bleiben 80%, auch wenn man versucht, diese Tatsache unter dem Deckmantel einer Dreistufenlösung zu kaschieren." Beim derzeitigen Ölpreisniveau sei das Land langfristig durchaus in der Lage, einen beträchtlichen Teil seiner ausländischen Handelsschulden zu begleichen. Die Quote sei offensichtlich politisch motiviert; dies ergebe sich vor allem aus der Tatsache, dass die außergewöhnliche Entscheidung des "Pariser Clubs" von den G20-Finanzministern bestätigt worden und von Finanzminister Eichel ausdrücklich als "Einzelfall" bezeichnet worden sei. Eine solch hohe Quote sei im Übrigen kaum je einem der ärmsten Entwicklungsländer im Rahmen der HIPC-Initiative (High-Indebted Poor Countries) gewährt worden.

Zudem bezweifelt der Hauptverband die vom "Pariser Club" unterstellte Verschuldungshöhe des Irak von ca. 125 Mrd. $. "Bis zur Veröffentlichung des bislang geheimgehaltenen IWF-Gutachtens gehen wir davon aus, dass es sich bei dem von den Golfstaaten angemeldeten Forderungsvolumen von rund 45 Mrd. US$ nicht um Handelsforderungen, sondern um "Luftbuchungen" in Form von Budgethilfen aus den 80er Jahren handelt", so Knipper. In Wahrheit liege die Gesamtverschuldung des Irak erheblich niedriger als in den Medien verbreitet; es sei unerträglich, dass die mit der Konjunkturflaute kämpfende deutsche Bauindustrie nun auch noch unter der globalen Großwetterlage leiden solle.

Knipper betonte, dass die deutsche Bauindustrie dem wirtschaftlichen Wiederaufbau des Irak keinesfalls im Wege stehen, sondern diesen langfristig unterstützen wolle. "Wir haben uns von Anfang bereit erklärt, einen Schuldenerlass in Höhe von 50% mitzutragen. Das hätte völlig ausgereicht", so Knipper. Jetzt fühle sich die Bauindustrie von der Bundesregierung im Stich gelassen. Und das in der schwersten Strukturkrise ihrer Nachkriegsgeschichte. Einmal mehr werde ihr ein Sonderopfer zugemutet.

Um den politischen Druck wissend, den die USA auf die Bundesregierung ausüben, habe die deutsche Bauindustrie dem Bund bereits im Vorfeld eine politische Problemlösung angeboten, so Knipper weiter. Diese sei von der Bundesregierung aber rundweg abgelehnt worden. Dies hätte entweder ein Forderungsverkauf der Selbstbehalte der Baufirmen an die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder eine Teilentschädigung durch den Bund sein können. "Nach diesem Ergebnis aber", so Knipper resümierend, "kann ich nicht ausschließen, dass das eine oder andere betroffene Unternehmen versuchen wird, seine Forderungen auf dem Klagewege einzutreiben. Das aber kann eigentlich nicht im Sinn der Bundesregierung sein."

zum Hintergrund: Der Pariser Club hat sich nach intensiven Verhandlungen vom 17.-21. November 2004 auf eine umfassende Schuldenregelung für Irak geeinigt, die einen Erlass in Höhe von 31,1 Milliarden USD (80 % der Forderungen) einschließt. Der Erlass ist an das IWF-Ausnahme-Programm (EPCA) und ein im Anschluss daran erwartetes mehrjähriges IWF-Programm (Stand-By-Arrangement / SBA) gebunden, wonach er in drei Phasen (2004: 30 %, 2005: 30 %, 2008: 20 %) umgesetzt werden wird. Angesichts der außergewöhnlich hohen Verschuldung des Irak und zur Wiederherstellung der Schuldentragfähigkeit sei dieser Schritt laut Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) notwendig geworden, und die Bundesregierung leiste laut BmWA mit ihrer Beteiligung an dieser Schuldenregelung mit einem Erlass von 5 Milliarden USD einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Iraks.

Mit Forderungen in Höhe von insgesamt 6,2 Milliarden USD ist Deutschland einer der größten Gläubiger des Irak. Die Forderungen des Pariser Club betragen rund 39 Milliarden USD (einschließlich Zinsen). Er vertritt somit etwa 33 % der Gesamtforderungen gegenüber Irak in Höhe von 120 Milliarden USD. Andere staatliche Gläubiger halten rund 65 Milliarden USD (55 %) und private Gläubiger 16 Milliarden USD (13 %) der Gesamtforderungen.

Irak hat sich im Pariser Club-Abkommen verpflichtet, mit allen weiteren Gläubigern eine Schuldenregelung zu treffen, die eine faire Lastenverteilung gewährleistet (Gläubigergleichbehandlung).

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