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Bauchemietagung 2007: Nanotechnologien und Nachhaltigkeit im Bauwesen

(30.9.2007) Über Nanotechnologien in der Bauchemie, Anwendungen von Produkten der Chemie im Bauwesen, Bauwerkserhaltung, Untersuchungs- und Prüfverfahren für Baustoffe, Sicherheits-, Gesundheits- und Umweltaspekte von Baustoffen sowie bauchemische Forschung und Entwicklung wurde an der Universität Siegen am 27. und 28. September diskutiert. Die Tagung Bauchemie am Institut für Bau- und Werkstoffchemie wurde von der Fachgruppe Bauchemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) veranstaltet.


An der Empa erforscht der Toxikologe Harald Krug mit seinem Team unter anderem die Auswirkung von freien Nanopartikeln (im Bild grün fluoreszierend) auf menschliche Zellen (der Zellkern ist blau eingefärbt) Das Bild wurde am Forschungszentrum Karlsruhe aufgenommen, wo Krug bis Ende 2006 tätig war. (Bild aus dem Beitrag "'NanoBotschafter' kurbeln Dialog über Chancen und Risiken der Nanotechnologie an" vom 24.4.2007.)

Die Bauchemie hat sich zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor für das Baugewerbe entwickelt, das mit mehr als zwei Millionen Beschäftigten auch einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland ist. Die Anforderungen an Baustoffe nehmen stetig zu. Das betrifft beispielsweise die Qualität, die Verarbeitbarkeit, die Funktionalität, die Dauerhaftigkeit, das Recycling, den Ressourcenverbrauch und die Umwelteigenschaften. Die Bauchemie besitzt eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung dieser Ziele. Durch ein sehr hohes Forschungsniveau ist es auf einigen Gebieten bereits gelungen, bauchemische Produkte und Werkstoffe anzubieten, die mit zur Weltspitze gehören. Allerdings gibt es für eine Reihe von Anforderungen noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Grundlagen. An der Lösung dieser Fragestellungen wird sich die Fachgruppe Bauchemie verstärkt beteiligen.

Mit dem Schwerpunkt der diesjährigen Tagung, Nanotechnologien im Bauwesen, soll(te) dazu beigetragen werden, über Grundlagen zur Entwicklung von Baustoffen für die Zukunft zu diskutieren. Nanotechnologien sind auch für die Baustoffindustrie und insbesondere für die bauchemische Industrie Schlüsseltechnologien mit einem erheblichen wirtschaftlichen Potenzial. Die Umsetzung von Nanotechnologien in vermarktungsfähige Baustoffe und bauchemische Produkte ist bisher nur ansatzweise erfolgt.

Beton: vom Low-Tech- zu einem High-Tech-Produkt

Beton, der wichtigste Massenbaustoff unserer Zeit, entwickelt sich immer mehr von einem Low-Tech- zu einem High-Tech-Produkt. Basis für diese Entwicklung sind neben optimierten Bindemitteln neue hochleistungsfähige organische Zusatzmittel und Zusatzstoffe im Mikro- und Nanobereich. Ein Beispiel ist der Ultra-Hochfeste Beton, bei dem durch Minimierung des Wasseranspruchs und eine maximale Packungsdichte Druckfestigkeiten erreicht werden, die denen von Stahl entsprechen. Bauten aus diesem Werkstoff können bei erheblicher Materialeinsparung und gleicher Tragfähigkeit wesentlich filigraner, leichter und dauerhafter hergestellt werden. Auch wenn bereits einige Objekte erfolgreich in der Praxis realisiert wurden, besteht auf diesem Gebiet noch ein erheblicher Forschungsbedarf. Ergebnisse eines vorgestellten Projektes zeigen, dass sich die mechanischen Eigenschaften dieses neuen Werkstoffs durch den Einsatz kohlenstoffbasierter Nanoröhren (Carbon-Nano-Tubes, CNT) deutlich verbessern lassen, was ebenfalls für die Korrosionsbeständigkeit zu erwarten ist (siehe auch Beitrag "Nanostrukturierte Polymere machen Textilbeton noch leistungsfähiger" vom 11.12.2006).

Die Bauwerkserhaltung und die Vermeidung von Bauschäden sind von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Deshalb wurde in Siegen auch über verschiedene Möglichkeiten zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit berichtet und diskutiert, wie den Einsatz von Paraffinen, Siliconen und Silanen. Höchst beanspruchte Ingenieurbauwerke, wie abwassertechnische Anlagen oder Kühlturmschalen, lassen sich durch ein neuartiges Oberflächenschutzsystem auf der Basis eines biegsamen Glases sanieren oder bei Neubau damit ausrüsten.

Dem Ziel der Reduktion der CO₂-Emissionen und der Energieeinsparung dienen eine Reihe von Forschungsvorhaben, bei denen nach effektiven Wegen zur Nutzung von industriellen Reststoffen, wie Schlacken und Flugaschen für leistungsfähige Bindemittelsysteme gesucht wird, um so den Anteil an Zement zu reduzieren (siehe auch Beitrag "Ersatzbrennstoffnutzung in Zementwerken - Projekt untersucht Förder-, Flug- und Ausbrandverhalten" vom 5.6.2007).

In Siegen wurden erste Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsvorhabens zu den Umwelteigenschaften, insbesondere zum Auslaugverhalten, mineralischer Werkmörtel vorgestellt. Hierbei geht es also vor allem um die Freisetzung von gefährlichen Substanzen durch Auslaugung in Boden und Grundwasser sowie Ausgasungen in die Innenraumluft (vergleiche mit Beitrag "Fraunhofer untersucht Umwelteigenschaften mineralischer Werkmörtel" vom 20.4.2007). Besonders unter die Lupe genommen wurden hier in den letzten Jahren auch so genannte Injektionsmittel zur Abdichtung von Baugruben oder Trockenlegung von feuchten Mauern. Durch neue Produktentwicklungen beispielsweise auf Silikatbasis konnten die Umwelteigenschaften dieser Bauprodukte verbessert werden.

nachwachsende Rohstoffe statt Petrochemie

Moderne Mörtel und Betone werden durch Polymerdispersionen modifiziert, also in ihren Eigenschaften verbessert. Noch werden diese Polymere überwiegend petrochemisch hergestellt. In Forschungsvorhaben wird der Einsatz von Polymerdispersionen auf Basis nachwachsender Rohstoffe geprüft, wobei Saccharid-Derivate im Mittelpunkt stehen. Die Forschungsergebnisse sind viel versprechend (vergleiche mit Beitrag "Rapsöl ersetzt Mineralöl bei Abdichtungsbahnen" vom 17.2.2006).

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Aus einem Quadratmeter Raps-Anbaufläche lassen sich 120 - 150 g Rapsöl gewinnen.

Neben der Entwicklung neuer Baustoffe für die Zukunft, hat die Bauchemie auch eine herausragende Bedeutung für den Erhalt unseres Kulturerbes. Diesem Thema war ein weiterer Schwerpunkt der Tagung gewidmet. Auch auf diesem Gebiet sind neue Konzepte für einen dauerhafteren Schutz historischer Bauwerke zu entwickeln. Am Beispiel der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Restaurierung des Lübecker Holstentors zeigte ein Vortrag die Bedeutung der Bauchemie in der Denkmalpflege auf. So muss der Restaurierungsmörtel bestimmten chemisch-physikalischen Anforderungen genügen, die sich aus der Analyse der historischen Mörtelproben ergeben. Diese Analysen lieferten auch wichtige Erkenntnisse über die Bauphasen und die Bauhistorie des Holstentors. Hinsichtlich der Baustoffverträglichkeit mussten die früher benutzten Mörtel, Bindemittel, Natursteine und keramischen Baustoffe berücksichtigt werden. Dabei wurde gleichermaßen auf die Nachhaltigkeit der Restaurierungsmaßnahmen geachtet (vergleiche mit Beitrag "Mörtel mit Geschichte: Forscher erschließen Rezepturen antiker Baustoffe" vom 1.3.2007).

Die Siegener Tagung unter Leitung von Professor Dr. Reinhard Trettin bot ca. 200 Wissenschaftlern aus Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen Deutschlands, der Schweiz und Österreich ein Forum für intensive Diskussionen. Mit einem Beitrag über die Perspektiven bei Lacken und Beschichtungen mit Blick auf Nachhaltigkeit und Funktionalität von Oberflächen wurde auch ein Schwerpunkt für die nächste Bauchemietagung 2008 vorgestellt.

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