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Fließende Form für ein Atelierhaus in Holzbauweise

(4.12.2007) Zwischen Ostsee und Bodden auf der schmalen Halbinsel Fischland-Darß-Zingst liegt der kleine Ort Ahrenshoop. Begünstigt durch die besonderen landschaftlichen Reize hat sich hier eine lebendige Künstlerkolonie mit acht Galerien und Ausstellungshäusern entwickelt. In dieser reizvollen Umgebung entsteht ein interessanter Neubau für ein Atelierhaus. Architektonisch nimmt es die organische Form der kulturellen und landschaftlichen Einflüsse des Ortes auf.

Die Objektplanung stammt aus dem Architekturbüro Nörpel GmbH, Nürnberg, die Tragwerksplanung von Dipl.-Ing. Markus L. Sollacher, Beratender Ingenieur aus dem bayerischen Teisendorf. Das Besondere an diesem Projekt ist nicht nur seine eigenwillige Form, sondern auch die Vorgehensweise in der Planung und in der Bauabwicklung. Die Holztragkonstruktion mit nicht sichtbaren Holzverbindungen entstand in interaktiver Planungsgemeinschaft in einem virtuellen Raum. Der zentrale Datenabruf erfolgte in einem eigens dafür eingerichteten Forum.

Planung im Einklang mit der Natur

Sowohl die Küstenlinie, als auch die Verkehrsführung knicken auf Höhe des Baugrundstücks nach Nord-Osten ab. Auf diesen Knick bezieht sich auch der Neubau. Der Grundriss knickt spiegelbildlich ab und öffnet sich dadurch zur Ostsee hin. Angeregt durch die weichen, fließenden Formen der Dünen, entstand der Entwurf für ein Atelierhaus, das sich sanft in die Landschaft einfügt und sich ihr unterordnet. Die Baumassen sollten verteilt werden, der geschwungene Baukörper sich an die Umgebung anschmiegen. Das Bauvolumen fügt sich in die bestehende Bebauung harmonisch ein, bleibt aber deutlich unter den bestehenden Firsthöhen. Die äußere Erscheinung wird vorrangig vom tief reichenden und in die Außenwand übergehenden Rohrdach geprägt. Die ortstypische Farbigkeit und Materialität haben entscheidenden Einfluss auf den Neubau.


Die organische Form wird von einem Tragwerk aus Holz gestützt. Die Festlegung auf eine effiziente Holzkonstruktion für die Gebäudehülle ermöglichte frühzeitig eine für den Bauherrn und für den Tragwerksplaner wichtige Kostenbewertung. Von Anfang an wollten Bauherr und Planer durch eine detaillierte Ausführungsplanung, bis hin zu Werkstattplänen und Stücklisten, ein hohes Maß an Sicherheit generieren. Um dieses Ziel zu erreichen, erfolgte die 3D-Bearbeitung des Tragwerks nicht erst auf der Baustelle, sondern im Büro. Mit einer spezialisierten Holzbausoftware gelang dem beauftragten Tragwerksplaner im Planungsprozess der entscheidende Schritt von der beliebig imaginären Planung hin zum virtuellen Modellbau. Er trägt wesentlich dazu bei, die zahlreichen geometrisch anspruchsvollen Details statisch und konstruktiv zu bewältigen.

Da die tragende Konstruktion später nicht sichtbar sein würde, entschloss man sich für eine nahezu lineare Tragwerksstruktur mit klassischer Aussteifung. Diese einfachere Variante gilt als ökonomisch, ökologisch und technisch angemessen.

Die Rahmentragwirkung in der jeweiligen Ebene der Holzbögen profitierte vom biegesteifen Firststoß (Bild rechts) und vom Zugband auf halber Rahmenhöhe. Aussteifungsverbände wurden zwischen Achse 1 und 2 sowie 4 und 5 als Diagonalenverbände in Längswand-/Dachebene konzipiert. Die Holzkonstruktion wurde auf halber Höhe quer- und längsfest an den massiven Stahlbetonkern angeschlossen.

Virtuelles 3D-Modell transformiert architektonische Form

Die architektonische Form der Gebäudehülle wurde in ein virtuelles 3D Modell transformiert, an dieser Hüllfläche war die gesamte Holzkonstruktion zu orientieren. Diese Aufgabe konnte nur durch intensive Zusammenarbeit der Beteiligten gelöst werden. Drei zuvor festgelegte Fixpunkte, die in sämtlichen Plänen markiert waren, wurden dazu genutzt, die Lage des Gebäudes oder einzelner Elemente im drei-dimensionalen Raum der verschiedenen Konstruktionsdateien zu bestimmen. Am Bauplatz wurden diese Fixpunkte durch den Vermesser exakt angelegt.

Die Generierung der einachsig gebogenen Hauptbinder (mit Querschnitt 16/32 cm²) erfolgte in den zuvor festgelegten Achsen und an der Hüllfläche. Die Normalriegel sind ebenfalls einachsig gekrümmt und mit ihren Hauptachsen näherungsweise orthogonal zu den Achsen der jeweils begrenzenden Bogenbinder angeschlossen worden. Dadurch entstand eine zweiachsig gewölbte Fläche, die eingeschalt werden kann, ohne zu viele Abgratungen erforderlich zu machen.

Riegelmaße und Abstände wurden für den Wandbereich bestimmt zu 8/32 cm² mit regelmäßigen Achsabstand von 1,00 m, für den Dachbereich ebenfalls 8/32 cm² und Abständen, die sich aus einer Gleichwinkelteilung mit der Randbedingung a<80 cm ergeben.

Für den östlichen Rand des Glasfeldes wurde ein Riegel benötigt, der in Achse 2 und in Achse 4 auf unterschiedlichen Höhen an Binder mit unterschiedlichen Radien anschließt und gleichzeitig der gebogenen Hüllform folgen muss. Daraus entstand das einzige zweiachsig gebogene Holzbauteil der tragenden Konstruktion des Gebäudes.

Nach Einarbeiten der Fensteröffnungen wurden die Aussteifungsverbände mit ihren Anschlusselementen konzipiert. Intensive Studien zu Querschnitt und Position der Verbände zeigten, dass im unteren, steileren Wandbereich gerade Verbandsstreben möglich und gekrümmte Verbandsstreben im Dachbereich erforderlich waren.

Anspruchsvolle Bauaufgabe

Die Berechnung, Konstruktion und Visualisierung der Verbindungsmittel, Kleineisenteile und Metallbauelemente für alle Anbindungspunkte und die Befestigungen an der Rohbaukonstruktion, sowie der Befestigung der Bauteile miteinander stellte die Planer und Bauausführenden vor eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Da jeder einzelne Knotenpunkt andere geometrische und konstruktive Bedingungen aufweist, mussten insgesamt 59 verschiedene Anbindungsdetails der Bauteile untereinander und für die Befestigung an den Rohbau berechnet, konstruiert, gezeichnet und überprüft werden. Alle Anschlusspunkte wurden in Bearbeitungsschleifen hinsichtlich der statischen Anforderungen, der handwerklichen Ausführbarkeit und der Anzahl der zu verwendenden Schrauben, Bolzen und Dübel optimiert.

Der Einsatz schlanker Stahlteile ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch statisch sinnvoll: je größer ein Anschlussknoten wird, umso größer werden Exzentrizitäten, umso mehr Verbindungsmittel benötigt man, umso größer werden die Anschlussknoten. Leistungsfähige Doppelgewindeschrauben beispielsweise und moderne ein- oder zwei eingeschlitzte Holz-Blech-Verbindungen machten die passgenaue Baustellenfertigung schlanker Verbindungen innerhalb kurzer Montagezeiten möglich. Bei der mechanischen Verbindung der Holzkonstruktionen verließ man sich auf die bewährten Bohrbefestigungssysteme von SFS intec, den selbstbohrenden Stabdübel WS und den Holzverbinder WT.

Bei den Anschlüssen handelt es sich um biegesteife Montagestöße der Bogenbinder aus Brettschichtholz (BS11, 16/32), Schlitzbleche mit selbstbohrenden Stabdübeln WS-T, Ø 7,0 mm. Die Quer- und Normalkraftanschlüsse der Rippen aus BS11, 8/32 an die Bogenbinder erfolgten mit WT-T 8,2x330 und 6,5x160 bei einer Schraubenneigung von 45°. Für die Normalkraftanschlüsse der Verbandsstreben, teils gerade (BS11, 14/14), teils gebogen (BS11, 10/32) an den Streben-Binder-Knoten setzte man auf die WS-T, Ø 7,0 mm und Schlitzbleche.

Der Anschluss der Randbohle an den Streben-Binder-Knoten zur Ableitung der Aussteifungskräfte in die Betondecke (Designlast 65 kN) wird durch WS-T, Ø 7,0 mm und zwei Schlitzbleche hergestellt.

Die Verbindung des zweiachsig gebogenen Randträgers (BS11, 16/32) mit den Bogenbindern übernahm der Befestiger WT-T 8,2x330. Für die relativ einfachen Anschlüsse zwischen Normalriegeln und Bindern wurden Regeldetails entwickelt, alle anderen Anschlüsse wurden komplett dreidimensional konstruiert. Die Gebäudehülle wird bis zum Jahresende 2007 geschlossen sein. Dann beginnt der Ausbau.

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