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Verbände: Mehr Handwerke sollten Gebäudeenergieausweise ausstellen dürfen

(1.5.2007; upgedatet am 1.7.2007) "Hauptimpulsgeber im Wohnungsbau werden weiter die Maßnahmen im Bestand sein. Die Diskussion über Klimaschutz, steigende Energiepreise sowie über die Einführung eines Gebäudeenergiepasses haben mit dazu beigetragen, dass mehr in den Wohnungsbestand investiert wird. Als Vertreter des mittelständischen Baugewerbes können wir steigende Bestandsinvestitionen nur begrüßen. Denn sie sichern viele Tausend Arbeitsplätze in unseren Firmen.” Dieses erklärte der Vorsitzende des Fachbereichs Hochbau im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Dipl.-Ing. Thomas Sander aus Hamburg, am 25.4. anlässlich der Pressekonferenz des Fachverbandes Wärmedämm-Verbundsysteme in Berlin.


Grafik: Initiativkreis Erdgas & Umwelt

Von den 30 Millionen Wohnungen und Häusern, die in Deutschland vor 1984 gebaut wurden und seinerzeit nur geringe Energiestandards erfüllen mussten, sind 24 Millionen sanierungsbedürftig. Um den Verbrauch an Erdgas oder Erdöl nachhaltig zu senken, sind in der Regel umfassende Dämmmaßnahmen sowie der Einbau einer effizienten Heizungsanlage erforderlich. Sander kritisierte in diesem Zusammenhang den gefundenen Kompromiss zum Gebäudeenergieausweis, der sowohl verbrauchs- als auch bedarfsorientierte Ausweise zulässt, da dieser den Anforderungen - nämlich nicht nur Transparenz für Eigentümer und Mieter zu schaffen, sondern auch Investitionsanreize zu setzen - nicht gerecht werde. Er forderte daher die Bundesregierung bzw. den Bundesrat auf, im Interesse von Klimaschutz und Arbeitsplätzen in Deutschland nachzubessern.

Mehr Mitspieler gefordert

Sander forderte darüber hinaus Korrekturen an der Aufzählung derjenigen Handwerke, die - nach dem vorliegenden Entwurf - zur Ausstellung der Energieausweise zukünftig berechtigt sein sollen. Es würden nämlich wesentliche Handwerke fehlen, wie der Stuckateur, der Fliesenleger, der Estrichleger, der Elektrotechniker, der Ofen- und Luftheizungsbauer, der Maler und Lackierer sowie der Metallbauer. Sander wörtlich: "Dies ist umso unverständlicher, weil die anerkannte Qualifizierung des Gebäudeenergieberaters HWK, die wir gemeinsam mit anderen Verbänden des Bau- und Ausbauhandwerks bereits vor vielen Jahren entwickelt und am Markt eingeführt haben, auch Meistern aus den genannten Gewerken offen steht und diese sich in den vergangenen Jahren an der Fortbildung beteiligt haben. Bereits die Meisterberufsbilder dieser Handwerke weisen die grundlegenden bauphysikalischen Kenntnisse auf, die der Fortbildung zum Gebäudeenergieberater HWK zu Grunde gelegt sind.”

Ein Ausschluss dieser Gewerke bezüglich der Ausstellungsberechtigung wäre somit eine Diskriminierung, die nicht zu begründen sei - so Sander; zumal anderen, in der EnEV genannten Gewerken, eben diese Vorkenntnisse fehlen würden, wie beispielsweise dem Schornsteinfeger.

Dieser Meinung vertritt auch Dr. Bettina Wehrisch, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Holz und Kunststoff (BHKH), denn auch Tischler und Schreiner gehören nicht zum Kreis der Ausstellungsberechtigten für den Gebäudeenergieausweis. "Diese Regelung ist für uns nicht hinnehmbar", erklärt Frau Dr. Wehrisch: "Unser Gewerk erfüllt die geforderten Qualifikationen zur Ausstellung des Gebäudeenergieausweises absolut." Tischler und Schreiner seien die ersten Ansprechpartner, wenn es beispielsweise um Fertigung und Einbau von Fenstern gehe. "Und Fenster sind anerkanntermaßen einer der wichtigsten Posten in der Energiebilanz eines Gebäudes." Bundesbauminister Tiefensee habe noch im März bekräftigt, dass gerade der Austausch von Fenstern ein erhebliches Einsparpotenzial biete.

Gleichwohl muss sich der BHKH die Frage stellen lassen, ob das Fenster-austauschen-können und die unbestrittene Wirksamkeit des Fensteraustausches einen Fensterbauer zum neutralen Berater machen: Könnte es nicht vielmehr so sein, dass das winkende Fensteraustausch-Geschäft ihn angesichts eines begrenzten Budgets blind macht für die möglicherweise wirkungsvollere Fassadendämmung? Welcher Fensterbauer weist heute schon darauf hin, dass dichtere Fenster bei gleichzeitig ungedämmter Außenwand viel Schimmelbildung bedingen können - zumal dann, wenn eine kontrollierte Lüftung vergessen wird. Gleiches gilt natürlich auch in umgekehrten Fällen, wenn beispielsweise der Fassadenbauer an sein WDVS-Geschäft oder der Heizungsstechniker an einen lukrativen Heizungswechsel denkt - zumal am Energieausweis selber nicht wirklich Geld zu verdienen sein wird.

Update 1.7.2007: Handwerk darf nun doch Gebäudeenergieausweise ausstellen

Die Bundesregierung hat am 27. Juni 2007 den vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen der Regierungsvorlage zur Einführung von Energieausweisen auch für Bestandsgebäude zugestimmt. In dem Zuge wurde auch der Kreis der Ausstellungsberechtigten für den Gebäudeenergieausweis erweitert. "Die Bundesregierung hat ihren Kurs korrigiert, sie hat die richtige Entscheidung getroffen", kommentiert die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Holz und Kunststoff (BHKH), Dr. Bettina Wehrisch, und ergänzt: "Tischler und Schreiner (beispielsweise) sind durch ihre Ausbildung mindestens genauso qualifiziert, den Gebäudeenergieausweis auszustellen, wie andere Gewerke, die im ersten Beschluss des Kabinetts ausdrücklich genannt wurden." (mehr dazu im Beitrag "Bundesregierung ebnet den Weg zur Einführung von Energieausweisen" vom 1.7.2007)

Genügen Spezialkenntnisse bei der energetischen Gesamtbeurteilung eines Gebäudes?

Was wissen zudem eigentlich Stuckateure, Maler, Fliesenleger, Estrichleger oder Tischler von energieeffizienter Haustechnik? Wann haben Elektrotechniker, Ofen- und Luftheizungsbauer schon mal mit beim fachgerechten Fenstereinbau oder der kältebrückenfreien Fassadendämmung auch nur zugeschaut? Macht es schließlich wirklich Sinn, mehr oder weniger jeden Bauhandwerker zum Energieberater zu machen? Stellt sich der Verbraucher unter Energieberatern bzw. Energieberaterinnen bzw. Gebäudeenergieausweise-Ausstellungsberechtigen nicht eigentlich Personen vor, die umfassend ein Gebäude energetisch beurteilen können? Zumal es mit Verlaub Berufsgruppen gibt, die in ihrer Ausbildung von Grund auf breiter aufgestellt sind als meisterhafte Fachhandwerker! Andererseits wird es - mehr über kurz als über lang - Energieausweise per Selbstauskunft auch online geben, und zwar ganz ohne Inaugenscheinnahme durch einen auch nur irgendwie gearteten Baufachmann ... Armer Gebäudeenergieausweis ;-(

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