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Klassiker (Berker-Schalter) treffen auf Klassiker (Bücher)

  • Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar: Berker-Schalter schlagen Brücke zwischen Tradition und Moderne

(18.10.2008) "Es riecht wieder nach alten Büchern", freute sich der Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Michael Knoche, nach der feierlichen Wiedereröffnung im Oktober 2007. Und nicht nur das: Nach dem verheerenden Brand vor vier Jahren erstrahlt die restaurierte Bibliothek in Weimar in neuem Glanz und erlebt seitdem einen Ansturm von Interessenten aus aller Welt (siehe auch Bing-Maps und/oder Google-Maps):

Stilistisch ist eine feinsinnige Mischung aus Vergangenem und Zeitgenössischem entstanden. Passend dazu wurden Schalter aus der Glasserie von Berker eingebaut: Mit traditionellem Drehknebel und gläserner Oberfläche schlagen sie eine stilvolle Brücke zwischen den Zeiten.

Es war der 2. September 2004, genau 20.29 Uhr, erinnert sich Bibliotheksdirektor Knoche, als er am Telefon erfuhr, dass die Bibliothek brennt. Voller Schrecken und Angst bestieg Knoche sein Fahrrad. "Als ich um die letzte Kurve bog und dicke Rauchschwaden aus dem Dach steigen sah, wurden mir die Knie weich. Ein Albtraum war Wirklichkeit geworden", so Knoche zurückblickend ¹). Innerhalb kürzester Zeit erschienen Polizei und Feuerwehr. Mitarbeiter der Klassik-Stiftung und Weimarer Bürger bildeten Ketten und bargen 28.000 Bücher und zahlreiche Kunstwerke aus dem bedrohten Gebäude.

Ernüchternde Schadensbilanz

Die oberen Stockwerke sowie 35 Gemälde wurden vollständig zerstört. Zudem entstanden Schäden an etwa 80 Porträtbüsten und weiteren Bildern. Insgesamt 112.000 Bücher waren vom Brand betroffen, davon wurden 50.000 vernichtet und 62.000 beschädigt. Das einzigartige Ensemble aus Büchersammlung, Kunstbestand und Architektur wurde stark in Mitleidenschaft gezogen, blieb aber in seiner Substanz erhalten. Vermutlich war es eine defekte Elektrokabelverbindung, die das verheerende Feuer auslöste. Die korrodierte Klemmverbindung einer Aluminium- und Kupferleitung schmorte schon längere Zeit hinter einer Dachverkleidung, bevor die Brandmelder Alarm schlugen.

Wichtige Grundsatzentscheidung

Am Brandtag ging der Architekt Walther Grunwald in seinem Berliner Büro seiner Arbeit nach, in der Weimarer Dependance liefen die Vorbereitungen für die Sanierung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auf Hochtouren, die Brandnachricht veränderte alle Pläne. Nur vier Monate zuvor hatte er mit seinem Partner Olaf Burmeister den Wettbewerb für die Restaurierung der Weimarer Weltkulturerbe-Stätte gewonnen. Aber statt die Bibliothek wie geplant zu sanieren, standen die Klassik- Stiftung Weimar sowie die Architekten vor der Frage, auf welchen Zustand aus der Baugeschichte sich die Pläne zur Wiederherstellung beziehen sollten: auf den Status quo unmittelbar vor dem Brand oder auf die Epoche, in der Goethe in der Bücherhalle ein- und ausgegangen war? Nach langen Debatten wurde entschieden, sich an der Zeit um 1850 zu orientieren (Bild rechts aus dem Beitrag "Heizstäbe trockneten Mauerwerk der Anna-Amalia-Bibliothek" vom 1.3.2007).

Am 268. Geburtstag der Namensstifterin der Bibliothek, am 24. Oktober 2007, wurde der weltberühmte Altbau wiedereröffnet.

Schlichte und edle Details

Behutsam versetzte Grunwald das Gebäude in den Zustand von 1850. "Wir in der Bauhaus-Tradition Stehenden dachten, wir könnten mit unseren Entwürfen die Welt verändern. Aber ein altes Gebäude hat so viel Geschichte - da sind Schnickschnack-Ideen nicht angemessen. Man muss sich zurücknehmen können", erläutert der Architekt ²).

Ein architektonisches Detail war die Entscheidung, bei der Wiederherstellung die schlichten, aber edlen Schalter aus der Glasserie von Berker zu verwenden. Denn gerade bei dieser Schalterserie vereinen sich Design und Material zu einer außergewöhnlichen Kombination: Die Ästhetik des Bauhauses und die Transparenz von echtem Glas erfüllen den Wunsch nach stilvoller Raumgestaltung.


Durch die Transparenz des Glases und seine sachliche Form passt sich dieser Schalter im klassischen Bauhaus-Stil der Zwanzigerjahre stilistisch jeder Wandfläche an. Tapeten, kostbare Wandbespannungen, Farbflächen und andere Materialien bleiben sichtbar und werden durch den Schalter nicht abrupt unterbrochen - ideal für ein Gebäude wie die Herzogin Anna Amalia Bibliothek.

Verantwortlich für die Planung der Gebäudetechnik war das Ingenieurbüro Six mit Sitz in Rudolstadt/Weimar, die Elektrotechnik plante die b.i.g bechtold Ingenieurgesellschaft aus Weimar, und für die Umsetzung der Elektroinstallation zeichnete die Firma Schröder Elektro aus Erfurt-Dittelstädt verantwortlich.

Alt und Neu vereint

Wer heute auf dem kopfsteingepflasterten Platz vor der Bibliothek steht, schaut auf ein äußerlich weitgehend unverändertes Gebäude - jedoch nur auf den ersten Blick. Der Rokokosaal erstrahlt prächtiger denn je in der Farbgebung zu Zeiten Herzogin Anna Amalias: Das bläulich durchsetzte Weiß und das matt schimmernde Gold aus einer Messinglegierung, mit der die Regalfronten abgesetzt sind, ergeben ein zurückhaltendes Gefüge, in dem das warme Rotbraun und das Gold der Ledereinbände zu den eigentlichen Akteuren werden.
Weit über 90 Prozent der verwendeten Baumaterialien sind tatsächlich alt. Es sind die originalen Bücherregale, Verkleidungen und Dielen, die zum großen Teil aufgearbeitet wurden. Und dennoch: So wie heute hat es die Herzogin Anna Amalia Bibliothek noch nie gegeben. "Die größte Herausforderung bestand darin, die ultramoderne Technik versteckt in dieser ,Ikone der Kulturnation' anzubringen", kommentiert Grunwald. Nicht verstecken müssen sich die Schalter von Berker: Sie fügen sich harmonisch in das Gesamtbild der Bibliothek ein.

Die Bibliothek der Anna Amalia

Als Anna Amalia 1759 die Regentschaft in Sachsen-Weimar-Eisenach übernahm, war die Lösung des Raumproblems der herzoglichen Bibliothek längst überfällig. Bisher waren die Bücher in kleinen, schwer zugänglichen Räumen in der Wilhelmsburg untergebracht. Endlich war ein geeignetes Bibliotheksgebäude gefunden: das "Grüne Schlösschen" aus dem Jahr 1565. Im Auftrag von Anna Amalia wurde es von dem Landbaumeister August Friedrich Straßburger zwischen 1761 und 1766 zur Bibliothek umgebaut.

Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar

Der Bibliothekar Johann Christian Bartholomäi organisierte im Jahr 1766 den Umzug. Schnell wurde das Renaissance-Palais von der Bevölkerung angenommen, und das Bildungsbürgertum trug sich in die Ausleihjournale ein.

1797, als Goethe zusammen mit seinem Ministerkollegen Christian Gottlob von Voigt die Oberaufsicht über die Bibliothek übernahm, entwickelte sich die Bibliothek zu einem ungewöhnlichen Depot: halb Bibliothek, halb Museum. Alles, was einen Bezug zur Weimarer Klassik aufzuweisen hatte, bekam dort einen Ehrenplatz.

Auf Anregung Goethes wurde von 1803 bis 1805 ein Verbindungsbau zwischen dem Bibliotheksbau und dem alten Stadtturm eingefügt. Den Turm gestalteten rund 20 Jahre später Clemens Wenzeslaus Coudray und Carl Friedrich Steiner zu einem Büchermagazin um und ergänzten ihn durch einen neugotischen Anbau. 1849, zu Goethes 100. Geburtstag, waren die letzten Bauarbeiten abgeschlossen, nachdem der vierachsige Kernbau um zwei Achsen erweitert worden war. Nun fehlte nur noch eins: die richtige Beleuchtung. Erst im Jahr 1916 zog das elektrische Licht in die Bibliothek ein.

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¹)  Zitate von Michael Knoche siehe: "Die Bibliothek brennt. Ein Bericht aus Weimar", Michael Knoche, Wallstein-Verlag
²)  Zitate von Walther Grunwald siehe: "Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek. Nach dem Brand in neuem Glanz." Hrsg. von Walther Grunwald, u. a. mit Fotografien von Manfred Hamm, Otto Meissners Verlag

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