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Wasserstrahltechnik trifft auf keramische Fliesen

(28.10.2008) Die Keramikfliese ist ein altbewährter und doch ewig junger Baustoff, der immer wieder für positive Überraschungen gut ist. Ein exemplarisches Beispiel ist die rasante Entwicklung bei Feinsteinzeugfliesen: Die permanente technische Weiterentwicklung erlaubt inzwischen Optiken mit verblüffender Raffinesse und immenser stilistischer Bandbreite. Darüber hinaus sind keramische Fliesen sehr vielfältig und eine der wenigen Belagsarten, die an Wand und Boden gleichermaßen verwendbar sind, wodurch sich auch die große Zahl von Farben, Formen und Formaten erklärt. Diese große Auswahl und die Materialeigenschaften von keramischen Fliesen eröffnen im Zusammenspiel mit der Wasserstrahltechnik noch weitere Möglichkeiten:

Geschichte und Technik des Wasserstrahlschneidens

Die Anfänge im weitesten Sinne gehen zurück auf etwa 1900: Damals wurde der Wasserstrahl zum Schürfen in Kies- und Tonlagerstätten verwendet. Ab 1930 untersuchte man dann den Einsatz für den Abbau von Kohle und Erz. Als in den 1960er Jahren so genannte Composit-Materialien im Flugzeugbau eingeführt wurden, entstand weiterer Bedarf für deren exakte Bearbeitung. Anfang der 1970er Jahre wurde schließlich von einem skandinavischen Unternehmen die erste einsatzfähige Anlage zum Wasserstrahlschneiden im heutigen Sinne angeboten. Danach verbreitete sich das Verfahren zügig und wurde weiter verfeinert. Heute sind Wasserstrahlschnitte mit einem Druck bis zu 6000 Bar machbar. Aus wirtschaftlichen Gründen wird üblicherweise im Bereich von 3000 bis 4000 Bar agiert: Entweder nur rein mit Wasser oder zur Erhöhung der Schneidleistung mit beigemischten Abrasiven wie z.B. Korund. Das Wasser wird über eine Düse zu einem hoch komprimierten Strahl geformt. Dabei werden Austrittsgeschwindigkeiten bis zu 1000 Meter pro Sekunde erreicht.

Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile

Mit dem Verfahren können fast alle Materialien bearbeitet werden, angefangen vom weichen Schaumstoff bis hin zum harten Saphir. Schwerpunkte sind Kunststoffe, Metalle, Leder, Stein und Keramik. Ein wesentlicher Vorteil ist die extreme Präzision: Genauigkeiten besser als 1/10 mm sind Standard, bei Klimatisierung des Bearbeitungsraums ist sogar eine Genauigkeit von bis zu 0,005 mm pro Meter Bearbeitungslänge erzielbar. Durch Schwenken des Schneidkopfs können auch komplizierte Konturen und Formen realisiert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt bei temperaturempfindlichen Stoffen ist, dass sich das Schneidgut fast nicht erwärmt bzw. Gefügeveränderungen an den Schnittkanten vermieden werden.

Praktische Umsetzung und Nutzung

Die heutigen Schneidanlagen sind üblicherweise mit CNC¹)-Steuerungen ausgerüstet. Die High-Tech-Versionen können alle Achsen interpolieren oder verfügen z.B. über eine adaptive Geschwindigkeitsreduktion des Vorschubs. Neben einer CAD²)-Schnittstelle existiert oft auch eine CAM²)-Anbindung. Als Ausgangspunkt genügen im Grunde genommen Vorlagen in digitaler Form und entsprechender Auflösung. U.a. Fliesenhändler und Verleger können dadurch in Kooperation mit regionalen Schneidfirmen ihr Tätigkeitsspektrum lukrativ erweitern und so das kreative Potenzial keramischer Fliesen marktwirksam nutzen. Ob Firmenlogos, Buchstaben, figürliche Darstellungen oder sonstige Motive aller Art: Dem Einfallsreichtum sind nahezu keine Grenzen gesetzt.

Auch die renommierte deutsche Marke Agrob Buchtal nutzt diese Technik seit geraumer Zeit. Im Werk Schwarzenfeld (ca. 180 km nördlich von München) gibt es eine hausinterne Abteilung "Architektenservice". Dieses über 15-köpfige Team unterstützt Planer entsprechend. Die Service-Palette umfasst Mengenauszüge, Verlegepläne, Gestaltungsvorschläge oder anwendungstechnische Beratung - und zwar nicht nur allgemeiner Art, sondern auch bezogen auf das konkrete Projekt. Wenn es sich anbietet, wird dabei auch die Wasserstrahltechnik integriert. Dabei beschränkt man sich nicht auf die erwähnten einfachen Vorlagen, sondern die Experten erarbeiten gleich detaillierte CAD-Daten in den einschlägigen Formaten DXF³) oder DWG³). Diese "mundfertigen" Daten können dann direkt für die Programmierung der Wasserstrahl-Anlagen verwendet werden.


Auf diese Art wurden beispielsweise in den vergangenen Jahren Bodenbeläge in Volkswagen-Showrooms rund um den Globus realisiert. Zur Unterstützung der Corporate Identity sind die Händler von Volkswagen angehalten, ihre Präsentationsflächen einheitlich nach dem so genannten "Piazza"-Konzept auszuführen. Prägender Bestandteil ist der Bodenbelag mit Farbkreisen und -streifen in definierter Anordnung. Die räumlichen Verhältnisse und Dimensionen der einzelnen Showrooms variieren jedoch quo natura von klein bis groß. Daher erfolgte die planerische Positionierung der Fliesen im 30- bzw. 60-cm-Raster jeweils auf den Einzelfall bezogen durch den "Architektenservice". Basierend auf den entsprechenden CAD-Daten werden dann die Fliesen für die Bereiche, an denen verschiedene Farben aneinander stoßen, exakt per Wasserstrahl geschnitten und zusammen mit einem selbsterklärenden Verlegeplan ausgeliefert. Dadurch wurde die schnelle und präzise Verlegung im wahrsten Sinne des Wortes "maßgeblich" unterstützt. Selbst im fernen Peking/China praktizierte man diese Methode mit Erfolg.

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¹)  CNC = Computerized Numerical Control
²)  CAD = Computer Aided Design
CAM = Computer Aided Manufactering
³)  DXF / DWG: Durch AutoCAD bzw. Autodesk vorgegebene CAD-Datenformate, die inzwischen als Quasi-Standard gelten

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