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Konfrontation bei Sichtbeton vermeiden

  • Fachbeitrag von Dipl.-Ing. Uwe Adlunger, Deutsche Doka Schalungstechnik GmbH

(4.5.2009) Sichtbeton mit besonders hoher gestalterischer Bedeutung - zum Beispiel bei repräsentativen Bauteilen im Hochbau - erfordert ein hohes Maß an Sach- und Fachkenntnis, gute Vorbereitung und qualifiziertes gewerbliches Personal. Es ist empfehlenswert, im Planungsstadium alle maßgeblichen Fachleute an einen Tisch zu holen, um Maßnahmen und Vorgehensweise zu besprechen.


Gestaltung der Betonfläche durch die Schalung

Sichtbeton ist vorrangig im Wandbereich zu finden, seltener bei Deckenuntersichten. Wandschalungen teilen sich im Wesentlichen in 3 Kategorien:

  • Rahmenschalungen,
  • Trägerschalungen und
  • Sonderschalungen.

Jede Schalung beeinflusst das Sichtbetonergebnis hinsichtlich der Ansichtsfläche vorwiegend durch die Schalhaut. Rahmenschalungen sind im Regelfall mit einer nicht saugenden Plex- oder Kunststoff-Platte belegt. Trägerschalungen und vor allen Dingen Sonderschalungen lassen sich hingegen mit Schalhaut nach Wahl des Auftraggebers belegen. Grundsätzliche Unterschiede in der Auswahl der Schalhaut bestehen hinsichtlich ihres Saugverhaltens: Saugende Schalhaut entzieht Luft und/oder Überschusswasser aus den Betonrandzonen. Ergebnis sind Oberflächen mit wenig Poren und einem relativ gleichmäßigen Farbton. Tendenziell erscheinen diese Flächen eher dunkel.

Saugende Schalhaut führt demnach zu einer Betonoberfläche mit folgenden Vorteilen:

  • wenige Lunker,
  • erhöhter Erosionswiderstand,
  • dichtes Randbetongefüge,
  • höhere Druckfestigkeit,
  • erhöhter Abriebwiderstand der Betonoberfläche,
  • geringere Karbonatisierungstiefe,
  • besseres Frost- und Tauverhalten und
  • geschlossenere Betonoberfläche.

Demgegenüber ermöglicht nicht saugende Schalhaut die Herstellung nahezu glatter Oberflächen. Sie begünstigt allerdings die Entstehung von Poren, Marmorierungen, Wolkenbildungen und Farbtonunterschieden. Tendenziell erscheinen diese Flächen eher hell.


Liegen unterschiedlich stark saugende oder nicht saugende Schalungsflächen nebeneinander, so sind Farbtonunterschiede unvermeidbar. Beispiele dafür sind:

  • Neue und gebrauchte Schalhaut nebeneinander innerhalb eines Betoniertaktes,
  • saugende Schalhaut in Kombination mit (nicht saugenden) Kunststoff-Dreikantleisten sowie
  • gespachtelte Flächen in der Schalhaut. Grundsätzlich zeichnen sie sich ab, da diese Bereiche ein anderes Saugverhalten aufweisen als die nicht gespachtelten Bereiche der Schalhaut.

Neben Art, Material, Einsatzhäufigkeit und Reinigungszustand der Schalhaut gibt es weitere Einflüsse auf Farbton, Porengröße und Porenverteilung in der Ansichtsfläche, wie z. B.:

  • Betonzusammensetzung und Betonherstellung
  • Steifigkeit des Schalungssystems
  • eingesetztes Trennmittel
  • Art und Stärke des Trennmittelauftrags
  • Lage, Art und Abmessung des Bauteils
  • Einbau und Verdichtung des Betons
  • Bewitterung der Vorstellschalung
  • Witterung bei Herstellung und Nachbehandlung und
  • Art der Nachbehandlung.

Trapez- oder Dreikantleisten können Arbeits- und Scheinfugen als Gestaltungsmerkmal besonders hervorheben oder durch andere gestalterische Maßnahmen kaschieren. Im Bereich von Leisten ist besonders auf die Betondeckung über der Bewehrung zu achten. Ohne zusätzliche Maßnahmen sind Stöße zwischen den Schalelementen niemals völlig wasserdicht und führen über eine Veränderung des Wasser/Zement-Wertes zur Dunkelfärbung im Stoßbereich. Bei Sichtbetonflächen sind diese Schalungsstöße deshalb abzudichten gegen Auslaufen von Zementleim. Geschlossen- oder offenzellige Dichtungsbänder vermeiden den Wasseraustritt und sind im Leistungsverzeichnis gesondert zu beschreiben:


Betonflächen sind das Spiegelbild der Schalung. Insbesondere beim Einsatz von leicht verdichtbaren Betonen (LVB) oder selbstverdichtenden Betonen (SVB) zeichnet sich auf der ausgeschalten Fläche jedes einzelne Detail der Schalung ab. Damit erhält die Art der Schalhautbefestigung besondere Bedeutung. Die übliche Maschinennagelung ist zwar einfach und schnell herzustellen, jedoch ist die Eindringtiefe des Nagelkopfes in die Schalhaut kaum exakt einstellbar. Auf der ausgeschalten Fläche werden sie sich als Vertiefungen oder Betonwarzen abzeichnen. Bessere Optik bringt eine sorgfältige, aber auch zeitraubendere und damit teurere Nagelung von Hand. Für extrem gleichmäßige Ansichtsflächen sind Abstände und Eindringtiefen von Schrauben- oder Nagelbefestigungen vorher zu planen und genau einzuhalten. Sind Schrauben- oder Nagelabdrücke unerwünscht, erlaubt eine zusätzliche Sparschalung das unsichtbare Verschrauben der Schalhaut von hinten - bei erheblich höherem Material- und Montageaufwand.

Sollen Ankerstellen ein gleichmäßiges Raster aufweisen, ist dies in einem entsprechenden Schalungsmusterplan festzulegen. Es empfiehlt sich, Ankerlöcher nicht flächenbündig abzuspachteln, da dies in der Regel zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Eine meist bessere Optik wird durch den Einsatz von zurückspringend eingeklebten Konen erreicht.

Merkblatt "Sichtbeton" gibt Planungssicherheit

Betonflächen mit Anforderungen an das Aussehen (siehe DIN 18217) - kurz: Ansichtsflächen - werden gemeinhin als "Sichtbeton” bezeichnet. Damit das Ergebnis der Anforderung "Sichtbeton” nicht dem Zufall überlassen bleibt, ist für diese sichtbar bleibenden Betonflächen eine unmissverständliche, eindeutige und praktisch ausführbare Beschreibung dringend erforderlich. Im anderen Fall sind Konfrontationen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geradezu vorprogrammiert.

Die Ansichtsfläche ist der nach Fertigstellung sichtbare Teil des Betons, der die Merkmale der Gestaltung und Herstellung (Form, Struktur, Farbe, Schalhaut, Fugen u.a.) annimmt und die architektonische Wirkung eines Bauteils bzw. des gesamten Bauwerks maßgebend bestimmt.

Der besondere Einsatz von Schalung oder eine gezielte Betonzusammensetzung bzw. Bearbeitung der Betonoberfläche können Ansichtsflächen vielfältig gestalten. Die Formulierung "Sichtbeton” alleine ist aus den genannten Gründen weder ausreichend noch zielführend. Wichtig ist vielmehr eine ausreichend klare Beschreibung der Ansichtsfläche im Leistungsverzeichnis.

Hierzu gibt das gemeinsam vom Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V. (DBV) und Bundesverband der Deutschen Zementindustrie e.V. (BDZ) herausgegebene Merkblatt "Sichtbeton" praktische Hinweise. Es teilt Sichtbeton in 4 Klassen (SB 1 - SB 4) ein, mit eindeutigen Beschreibungen in Tabellenwerken und textlichen Erläuterungen. Es ist ratsam, sich bei der Ausschreibung von Sichtbeton daran zu orientieren. Dies vermittelt allen Baubeteiligten den gleichen Informationsstand und sorgt für Planungssicherheit - siehe auch Beitrag "Merkblatt Sichtbeton von BDZ und DBV veröffentlicht" vom 9.9.2004.

Unumgänglich über die Schalungspläne hinaus ist ein Schalungsmusterplan, zur Ergänzung und Erläuterung der Ausschreibungstexte. Zusätzlich hat der Planer alle besonderen Merkmale der Schalung (und der Ansichtsfläche), wie Brettbreite, Richtung der Holzmaserung sowie Stöße, Anordnung von Leisten, Ankerkonen u.Ä., exakt vorzugeben.

Betonoberflächen mit besonders hoher gestalterischer Bedeutung (SB 4)

Sichtbeton mit besonders hoher gestalterischer Bedeutung, z. B. für repräsentative Bauteile im Hochbau, erfordert ein Höchstmaß an Erfahrung, Sach- und Fachkenntnis, beste Vorbereitung und hoch qualifiziertes gewerbliches Personal. Es ist dringend erforderlich, im Planungsstadium alle maßgeblichen Fachleute an einen Tisch zu holen, um Maßnahmen und Vorgehensweise zu besprechen. Dazu zählen der Architekt, der Rohbauleiter, der Schalungsfachmann, der Betontechnologe, der Betonlieferant, der Trennmittelexperte, der Rüttlerhersteller und der Betonpolier. Wenn Schalung, Trennmittel, Betonrezeptur sowie Verarbeitung und Verdichtung des Betons aufeinander abgestimmt sind und das gemeinsam entwickelte Qualitätssicherungskonzept strikt eingehalten wird, ist ein gutes Ergebnis erzielbar. Sichtbeton ist immer eine Teamaufgabe und erfordert daher den kompetenten Einsatz jedes einzelnen Beteiligten.

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen mag es bei der Ausführung zu unerwünschten Ergebnissen kommen. Ungünstige Witterungseinflüsse können auch sorgfältigste Planungen zunichte machen. Eine hohe Bewehrungsdichte erschwert den fachgerechten Einbau des Betons zusätzlich. Scharfkantige Ecken sind zwar herstellbar, doch Nachfolgegewerke kümmert das oft wenig - ein Schutz der Ecken ist daher unbedingt erforderlich (Bild rechts). Reparaturen und Betonkosmetik im Falle von Eckausbrüchen, Poren und Lunkern sind in vielen Fällen außerordentlich problematisch und bleiben meist sichtbar.

Tipps für die erfolgreiche Herstellung von Sichtbeton

Das Merkblatt "Sichtbeton” empfiehlt ab Sichtbetonklasse SB 2 die Herstellung von Erprobungsflächen. Sie sind im Leistungsverzeichnis separat auszuschreiben. Folgende Tipps haben sich in der Praxis bewährt:

  • Mehlkorngehalt und Feinstsandanteil in Abhängigkeit vom Größtkorn des Zuschlaggemisches wählen
  • Wasser/Zement-Wert von 0,55 nicht überschreiten (evtl. Verwendung von Zusatzmitteln/ Betonverflüssigern)
  • Einbaukonsistenz möglichst im Grenzbereich von plastisch zu weich wählen (Bereich F2/F3)
  • eisensulfidhaltige Zuschläge ausschließen, um Rostfahnen zu vermeiden
  • Zementarten, Herstellerwerk, Herkunft des Zuschlages oder der Flugasche nicht ändern für möglichst gleichbleibende (Farb-)Qualitäten
  • Beton fachgerecht einbringen und verdichten, d.h.
    • Fallhöhe des Betons beachten
    • Beton zügig einbauen in Lagen <50 cm
    • Rüttler richtig handhaben
    • auf die Konsistenz abgestimmtes Verdichten durch Rütteln
  • neue, saugende Schalungshaut durch Auftragen von Zementschlämme vor dem Ersteinsatz künstlich altern
  • neue und gebrauchte Schalungen (Schalhaut) nicht mischen
  • Schalungsstöße dicht ausbilden, bei Brettschalung eine dichte Spundung, z. B. Keilspundung vorsehen
  • bei horizontalen Fugen zur besseren Dichtheit Anpressanker setzen und die Fuge ggf. mit einer Trapezleiste ausbilden
  • die Ansichtsfläche vor Rostfahnen von der Anschlussbewehrung schützen
  • Schalhaut vor jedem Einsatz reinigen
  • Trennmittel auf Verträglichkeit prüfen und dünn auftragen
  • scharfe Kanten brechen, um das Risiko des Wegbrechens beim Ausschalen zu reduzieren
  • im Vorfeld über Reparaturmörtel informieren
  • auf gleichmäßige und gleichartige Nachbehandlung achten für eine einheitliche Betonfärbung

Alleine diese Aufzählung führt die Problematik klar vor Augen. Nur technisch einwandfreie Konstruktionen, geeignete Schalung, die richtigen Werkstoffe und das fachgerechte Einbringen, Verdichten und Nachbehandeln des Betons erfüllen die Anforderungen.

Bei der Abnahme und Beurteilung von Betonansichtsflächen zählt der Gesamteindruck eines Bauteils oder Bauwerks aus angemessenem Betrachtungsabstand. Die Ansichtsflächen sollen ein harmonisches Gesamtbild zeigen, soweit dies im Rahmen der bauart- und baustofftypischen Einschränkungen möglich ist. Zufällige Unregelmäßigkeiten bei Farbe und Struktur sind hinzunehmen; sie sind technologiebedingt und charakteristisch für Sichtbeton. Sichtbeton wirkt in seiner Gesamtheit und immer in Verbindung mit den weiteren verwendeten Materialien und Werkstoffen wie Steinzeug, Holz, Glas und Edelstahl, aber auch unter Einbeziehung von Lichteffekten und architektonischen Proportionen.

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