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2. International Green Roof Congress

(12.6.2009) Architekten, Ausführungsbetriebe, Wissenschaftler und kommunale Fachplaner stellten beim 2. Internationalen Gründach Kongress (25.-27. Mai 2009) in Nürtingen unter Beweis, dass die Dachbegrünung aus der modernen Städte­archi­tektur nicht mehr wegzudenken ist.

Fukuoka Prefectural International Hall in Japan
Fukuoka Prefectural International Hall in Japan (Quelle: Hiromi Watanabe); siehe auch Bing-Maps und/oder Google-Maps (Bild vergrößern)

Getragen von dem Leitmotiv "Bringing Nature Back to Town" trafen sich knapp 300 Gründach-Fachleute aus aller Welt zu einem intensiven dreitägigen Erfahrungsaustausch. Die Teilnehmer aus 40 Ländern und 5 Kontinenten belegten eindrucksvoll, dass sich die Dachbegrünung zu einem "Global Player" im Bereich nachhaltiger Baukonzepte entwickelt hat. Aufbauend auf den ersten Kongress 2004 ist der Wissenstransfer deshalb auch "keine Einbahnstraße" mehr, wie Wolfgang Ansel, Kongress-Projektleiter, betont. Zwar werden in Deutschland nach wie vor die meisten Dachflächen weltweit begrünt - innovative und spektakuläre Anwendungsbeispiele finden sich mittlerweile aber eher im Ausland. Die dabei gewonnen Erfahrungen können auch dem deutschen Dachbegrünungsmarkt neue Impulse geben.

Der von der International Green Roof Association (IGRA) und dem Deutschen Dachgärtner Verband (DDV) veranstaltete Kongress lieferte eine aktuelle Standortbestimmung der Dachbegrünung in technologischer, politischer, ökologischer und ökonomischer Hinsicht. Dass die Dachbegrünung in allen vier Bereichen fest verankert ist, zeigt auch das gewerkeübergreifende Netzwerk der Kooperationspartner.

Herausragende Gründachobjekte

Bis auf den letzten Platz ausgebucht waren die Exkursionen in die Regionen Stuttgart und Freiburg am ersten Veranstaltungstag. Zahlreiche Kongress-Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, um sich vor Ort ein Bild von der ökologischen Leistungsfähigkeit und der Schönheit begrünter Dachflächen zu machen. Beim abschließenden Abendempfang durch die Stadt Nürtingen stellten Baubürgermeister Andreas Erwerle, IGRA-Präsident Roland Appl und DDV-Präsident Reimer Meier nochmals die Bedeutung des internationalen Erfahrungsaustausches heraus.

An den beiden folgenden Tagen illustrierten Vertreter zahlreicher renommierter Architekturbüros aus der ganzen Welt ihre innovativen Ansätze zur Nutzung der "fünften Fassade". Sie präsentierten auch für die deutsche Zuhörerschaft eine ungekannte Fülle an Anwendungsbeispielen und steckten das Publikum mit ihrem Enthusiasmus und Ideenreichtum geradezu an.

Das Projekt ACROS Fukuoka in Japan (siehe Eingangsbild oben sowie Bing-Maps und/oder Google-Maps) des amerikanischen Architekten Emilio Ambasz ist nur eines von vielen visionären Beispielen. Mit seinem innovativen landschaftlich-städtischen Bauwerk gelang es Ambasz nach eigenen Worten, den "Wunsch des Projektentwicklers nach einer profitablen Nutzung der Baufläche mit dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach grünem Raum" zu vereinbaren.

Die Dächer der 'Pavillones de las Naciones' auf der Weltausstellung 2008 in Zaragoza sind zu einer grünen Einheit zusammengefasst. (Foto: Carlos Ávila Calzada (Bild vergrößern)

Der Landschaftsplaner Carlos Ávila Calzada gewährte den Teilnehmern einen Blick nach Spanien zur Weltausstellung 2008 in Zaragoza mit einer begrünten und photovoltaisch genutzten, teilweise auch begehbaren Dachfläche von mehr als 43.000 m² (siehe Bild oben sowie Google-Maps und/oder Bing-Maps).

Einen Abstecher in den Norden nach Kopenhagen, Dänemark, unternahm der Architekt Kai-Uwe Bergmann, BIG Bjarke Ingels Group, und stellt das mit dem "Housing Award 2008" ausgezeichnete "Mountain Dwelling" vor (siehe Bild rechts sowie Bing-Maps und/oder Google-Maps): eine unkon­ven­tio­nelle Mischung aus einem Parkhaus und einer Terrassen-Wohnanlage, bei dessen Gestaltung die Architekten beide Funktionen miteinander verschmolzen haben und dessen Fassade die Silhouette des Mount Everest abbildet.

Weitere Architekturbüros und Planer ergänzten diese Vielfalt mit Objekten aus London (New Providence Wharf; Skidmore, Owings & Merrill), San Francisco (California Academy of Science; rana creek), Singapore (Fusionopolis; ZinCo Singapore Ltd.), Warschau (Gewerbepark Platinum; RS Architektura Krajobrazu), Nimwegen (FiftyTwoDegrees; mecanoo architecten), Freiburg (Sonnenschiff, Architekturbüro Rolf Disch) und viele viele mehr. Alles Beispiele für Gründach-Architektur, die deshalb als zukunftsweisend, wertvoll und nachhaltig gilt, weil die Dachbegrünung mit ihren ökologischen und ökonomischen Vorteilen integraler Bestandteil der Gebäudekonzeption ist.

Energetische Aspekte begrünter Dächer erläuterte Prof. Manfred Köhler (FH Neubrandenburg), und Solararchitekt Rolf Disch stellte die Synergieeffekte der Kombination von Dachbegrünung und Photovoltaik vor: wesentlicher Faktor ist hier, dass die Begrünung die Leistungsfähigkeit der Solarmodule verbessert, da sie für eine vergleichsweise niedrige Umgebungstemperatur sorgt - siehe dazu auch Beitrag "Nicht 'Solardach oder Gründach', sondern 'Solardach und Gründach'" vom 17.4.2009:

Bildbeschreibung

Der Einsatz begrünter Dächer als Modul der Siedlungswasserwirtschaft (Prof. Stephan Roth-Kleyer von der Fachhochschule Wiesbaden, Alfred Diem vom Ingenieurbüro diem.baker) rundeten die Palette der Anwendungsbeispiele ab. Dachbegrünung leistet einen bedeutenden Beitrag durch ihren Regenwasserrückhalt, die Milderung von Abwasserspitzen und den zeitverzögerten Abfluss von Überschusswasser.

Die IGRA-Award Preisträger 2009

Für ihr vorbildhaftes Engagement zur Förderung begrünter Dächer wurden die Städte Düsseldorf und Kopenhagen mit dem IGRA-Award 2009 in der Kategorie "Kommunen" ausgezeichnet:

  • Düsseldorf hat als erste deutsche Großstadt eine umfangreiche Gründach-Kartierung durchgeführt. Die Zahlen sind beeindruckend. Mehr als 730.000 m² verteilen sich auf 1.680 Gebäude und Tiefgaragen.
  • In Kopenhagen steht die Dachbegrünungs-Initiative ganz im Zeichen des UN-Klimagipfels, der im Dezember 2009 in der dänischen Hauptstadt zu Gast sein wird.

Als Preisträger in der Kategorie "Architektur/Gebäude" wurde das Rastatter Architekturbüro Donnig + Unterstab für das 2008 eröffnete Schulzentrum Neckargemünd ausgezeichnet. Die 4.000 m² großen Dachflächen der im Passivhaus-Standard konzipierten Schule sind mit einer extensiven Dachbegrünung versehen, die neben der zusätzlichen Wärmedämmung auch die Auflast für drei großflächige Photovoltaikanlagen liefert.

Als weiterer Preisträger wurde die Jurong Town Corporation (JTC) aus Singapore für das Projekt "Fusionopolis" ausgezeichnet. Eines der Highlights dieses 2008 fertiggestellten Gebäudes sind die thematischen Dachgärten und intensiven Gründächer, die auf dem 5., dem 17./18. und dem 21./22. Stockwerk des Komplexes gebaut wurden. Der höchste Dachgarten befindet sich in etwa 80 Meter Höhe:

Fusionopolis (Foto: ZinCo Singapore Ltd) (Bild vergrößern)

Technologische Entwicklung

Im internationalen Vergleich blickt Deutschland bereits auf 30 Jahre Marktentwicklung zurück. IGRA-Präsident Roland Appl spannte in seinem Vortrag "Gestern - Heute - Morgen: Die Gründachtechnik im Wandel der Zeit" den Bogen allerdings noch etwas weiter und präsentierte bisher wenig bekannte Beispiele aus Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Prof. Gilbert Lösken (Leiter FLL-Regelwerksausschuss Dachbegrünung) verdeutlichte anschließend, dass sich die Erfahrungen aus Deutschland nicht 1:1 auf die ausländischen Gründachmärkte übertragen lassen. Standards und Qualitätsnormen müssen auf die nationalen Besonderheiten bezüglich Klima, Vegetation, Baustoffe und Baurecht abgestimmt werden. Das praxisrelevante Fachwissen zur Planung und Realisierung unterschiedlichster Gründachprojekte vermittelten Bernd W. Krupka (Gründach-Sachverständiger), Andreas Frank (Bausachverständiger Flachdach- und Bauwerksabdichtung), Ralf Walker (Leiter Ingenieurwerkstatt ZinCo GmbH) und Daniel Labhart (Gärtnermeister, Schweiz). Praxisempfehlungen zur Ausführung und Pflege begrünter Dächer gaben Dachgärtner-Betriebe aus Deutschland (Jürgen Quindeau, Grün+Dach), den Niederlanden und Polen weiter und vertieften damit den Wissenstransfer ins Fachpublikum.

Politische Förderung

Die Entwicklung der Gründachmärkte ist eng mit dem Einsatz kommunaler Fördermaßnahmen verbunden. In Deutschland gibt es hierzu bewährte Verfahren, die seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt werden. Die Palette der Förderinstrumente reicht von direkten finanziellen Zuschüssen, reduzierten Abwassergebühren und verbilligten Krediten der KfW-Bank bis zur Festsetzung der Dachbegrünung in Bebauungsplänen. Die dargebotenen Erfahrungsberichte aus Berlin, Düsseldorf, München, Stuttgart, Karlsruhe, Linz, London, Kopenhagen und Portland verdeutlichten die unterschiedliche Fördersituation in deutschen Städten und im Ausland. Gerade international sind derartige Maßnahmen weiter zu etablieren.

Treffpunkt grüne Zukunft

Eine nachhaltige Stadtentwicklung stellt einen hohen Anspruch an die technische, ökologische und ästhetische Qualität des Bauens. Wie Wolfgang Tiefensee, Bundesbauminister und Schirmherr des 2. Internationalen Gründach-Kongresses, in seinem Grußwort formulierte, "werden mit der Gestaltung unserer Städte entscheidende Weichen für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft gestellt". Ziel ist es, im Einklang mit der Natur zu bauen und dank einer Dachgartenarchitektur attraktive Wohn- und Lebensräume zu schaffen. Zumindest ein Teil, der durch Bebauung verloren gegangenen Grünflächen, kann so zurück gewonnen werden, verbunden mit vielfältigem Nutzen für den Menschen.

Wie harmonisch sich die Begrünung ganzer Stadtteile auf das Landschaftsbild auswirkt, zeigte <!---->auch die Zeppelin-Exkursion über die Region Friedrichshafen am letzten Kongresstag. "Bringing Nature Back to Town" heißt zu Recht die Devise für eine grüne Zukunft, welcher der Internationale Gründach Kongress 2009 ein Stück näher gekommen ist.

Der Kongressband in deutscher oder englischer Sprache kann per E-Mail an International Green Roof Association (IGRA) zum Preis von 39,80 Euro plus Versandkosten bestellt werden.

siehe auch für weitere Informationen:

Kooperationspartner und Sponsoren beim 2. International Green Roof Congress:

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