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Interview mit Prof. Christian Mäckler: "Stadtbild und Energie"

(20.9.2009) Herr Prof. Mäckler, an historischem Platz in der Schinkelschen Bauakademie in Berlin begrüßten Sie Anfang September - im Beisein von Staatssekretär Prof. Dr. Engelbert Lütke Daldrup vom Bundesbauministerium - die Fachwelt zur Auftaktveranstaltung für das Forschungsprojekt "Stadtbild und Energie" (siehe auch Beitrag "Mit Porotons Unterstützung: 'Stadtbild und Energie'"). Worum geht es bei diesem Projekt? Warum wurde es jetzt aufgelegt?

Prof. Mäckler: Einer der Teilnehmer sprach vom "Mainstream der EnEV", dem sich viele nicht mehr entziehen können. In der Tat beschäftigt uns die Energieeinsparverordung (EnEV) so sehr, dass darüber vergessen wird, unsere Städte als Ganzes, als jahrhundertealten Raum zu betrachten, den es zu bewahren und weiter zu entwickeln gilt. Angesichts der demografischen und wirtschaftlichen Entwicklung kann sich niemand erlauben, tradierte und von der breiten Bevölkerung geschätzte Stadtbilder aufs Spiel zu setzen, die das öffentliche Wohnzimmer ausmachen und Identitäten stiften. Es ist zehn vor Zwölf, gibt es doch schon heute zahlreiche erschreckende Beispiele, wie ganze Quartiere ästhetisch kaputt saniert wurden. Daher ist es sinnvoll, bei Orientierung an der ursprünglichen Architektur auch neu zu bauen, wie beispielsweise bei einem Quartier in Dresden in unmittelbarer Nähe der Frauenkirche. Unser Institut will mit diesem wissenschaftlichen Projekt einen Leitfaden erarbeiten, bei allen Regeln in der Bestandssanierung auch die Ausnahme möglich zu machen. Und wir wollen die Diskussion darüber voranbringen, wie energetische Optimierung, dauerhaftes Bauen und Stadtbaukunst die Entwicklung einer Kommune nachhaltig prägen – bei Neubau und Sanierung.

Frage: Partner sind bereits die Hansestadt Lübeck und Regensburg. Beide besitzen historische Innenstadtbereiche, die großzügig gefördert werden. Die Mehrzahl der Kommunen verfügt nicht über solche Gelder. Können denn Lübeck und Regensburg da überhaupt das Maß der Dinge sein?

Prof. Mäckler: Prof. Weiß, Bundesvorsitzender der Landesdenkmalpfleger, wies in seinem Beitrag darauf hin, dass nur kapp drei Prozent der Altbauten unter Denkmalschutz stehen. Wir möchten die vielen Gebäude ins Blickfeld rücken, die diesen Bonus nicht besitzen, bei denen es aber auch nicht einfacher ist, energetisch zu sanieren und dabei das Stadtbild zu bewahren. In Lübeck und Regensburg gibt es sehr viele Erfahrungen dazu, die anderen durch wissenschaftliche Begleitung nutzbar gemacht werden sollen. Meine Architektenkollegin Petra Kahlfeldt führte in der Diskussion das Beispiel unzähliger Klinkergebäude aus den 1950er Jahren an, die beispielsweise durch die Montage von Klinkersystemplatten gesichtslos werden. Hier brauchen die Entscheider Handlungshilfen, Anregungen und neue Ideen. Dazu werden wir beitragen.

Frage: Sie haben sich mehrfach kritisch zur Ikonisierung des Wärmedämmverbundsystems geäußert….

Prof. Mäckler: Ja, denn dämmen ist nicht das alleinige Heilmittel. Unstrittig ist, dass der Energieverbrauch reduziert werden muss. Unser Institut engagiert sich jedoch für eine differenzierte Betrachtung der CO₂-Minimierung und Verbesserung der Energieeffizienz. Ölbasierte Dämmsysteme sind nur begrenzt haltbar und werden in absehbarer Zeit Berge von Sondermüll erzeugen. Mit der Dämmomania wurde eine Entwicklung initiiert, deren Folgen wir nur erahnen können. Trotzdem wurde in den vergangenen Jahren die energietechnische Leistung der massiven Wand, u.a. im Zusammenhang mit ihren stadtraumbildenden Qualitäten vernachlässigt. Wir dürfen uns nicht kurzfristig allein von Wärmedurchgangskoeffizienten leiten lassen. Wenn wir einen Klinkerbau und einen Glaspalast vergleichen, fallen einfach die Wärmespeicherkapazitäten der Massivwand positiv ins Gewicht. Friedrich Schinkel ließ uns das zur Auftaktveranstaltung in Berlin hautnah erleben. Bei 30 Grad Außentemperatur bedurfte es keiner Klimatechnik in diesem Klinkergebäude. Poroton-Vorstand Christian Göbel berichtete aus Italien, dass dort Entscheidungen für eine mineralische Wand sogar begünstigt werden - aufgrund der klimatischen Bedingungen. Nicht vergessen möchte ich die Betrachtung von langen Standzeiten massiver Gebäude, die damit Stadträume über mehr als eine Generation gestalten, sowie niedrige Instandhaltungskosten.

Frage: Mit der Berliner Veranstaltung gab es einen würdigen Auftakt. Wie geht es weiter?

Prof. Mäckler: Großzügige finanzielle Förderung für vier Jahre haben das Bundesministerium und die Deutsche Poroton zugesagt. Über Lübeck und Regensburg hinaus suchen wir weitere Partner für das Forschungsprojekt. Das können Kommunen, aber auch Wohnbaugesellschaften sein. Interessierte können sich in unserem Institut melden. Wir wollen einen Leitfaden erarbeiten, der unterschiedlichste Gebäudetypologien und Regionen berücksichtigt, um auch praxisnah zu sein. Vielfalt ist angesagt. Mit der DOGEWO21 haben wir eine Dortmunder Wohnungsgesellschaft im Boot, die zwei Musterhäuser baut. Auf der Berliner Veranstaltung gingen wir mit dem Anliegen des Projekts zum ersten Mal in die Öffentlichkeit. Im nächsten Jahr wird es eine Reihe von Tagungen geben, wo sich unser Institut als Projektträger zur Diskussion melden und über Zwischenschritte informieren wird. Meine Kollegen und ich freuen uns auf diese anspruchsvolle Aufgabe. Sie ist vom Gründungsgedanken des Instituts genährt, die unterschiedlichen Disziplinen Architektur, Stadtplanung, Raumplanung, Verkehrsplanung und Tiefbau an einen Tisch zu bringen, um den Dialog zur Stadtbaukunst integrativ wiederzubeleben. In diesem Projekt werden aber auch Fachleute für Energie und Haustechnik mitreden, denn Kraftwerke, Solarthermie oder Photovoltaik bestimmen heute bereits das Bild von Stadträumen mit.

Wir danken für das Interview.

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