Blitzschutz: Neuartiges Fang- und Ableitungssystem im Dienste der Architektur
(6.12.2010) Barrierefreie Räume, Edelstahlblechdach, Solaranlage und die klare Formensprache moderner Architektur: Für ein neues Designer-Mehrfamilienhaus am Gähkopf in Stuttgart (siehe Google-Maps) wurden alle Register aktueller Wohnkultur gezogen - nur der Blitzschutz blieb lange Randthema. Ableiter und Fangsysteme sollten erst kurz vor Fertigstellung des Baus installiert werden, dabei legte die Bauherrin jedoch besonderen Wert darauf, dass die Schutztechnik die puristische Außenansicht nicht störte. Die Alfred Riepl Blitzschutz-Systemhaus GmbH setzte daher auf eine alternative Lösung nach der Collection Volume Methode (CVM). Ein einziges Dynasphere-System der Leutron GmbH soll das gesamte Gebäude schützen können - fast unsichtbar und sogar eine Blitzschutzklasse höher als gefordert.
Meist ist er das ungeliebte Stiefkind in der Architekturplanung: der Blitzschutz. Als notwendiges Übel wird er akzeptiert, aber in aller Regel nicht in Gestaltungs- und Konstruktionsentwürfe miteinbezogen. "Erfahrungsgemäß werden die Planungen für Blitzschutzsysteme zu spät angestellt, was einen hohen Aufwand in der Realisierung zur Folge hat", erklärt Steffen Hoffmann, Projektleiter bei der Alfred Riepl GmbH. "Dabei könnte durch ein frühzeitiges Einbinden von Fachleuten mit geringeren Kosten sogar mehr Sicherheit erreicht werden." Zur neu gebauten Stadtvilla in Stuttgart wurde der Diplom-Ingenieur erst gerufen, als die Fassade schon teilweise fertig war.
Am fast fertigen Bau fehlten für Blitzschutz wichtige Ansatzpunkte
Die Bauherrin, Architektin Claudia Neuhaus, hatte für das Gebäude die Blitzschutzklasse 3 festgelegt. Vor allem dem Personenschutz kam hohe Bedeutung zu, da das Dach in Edelstahlblech ausgeführt ist und die Träger im Dachgeschoss aus massivem Stahl bestehen, die ohne Fangeinrichtung Blitzteilströme direkt in den Wohnraum leiten würden. Zudem wurden an den Trägern teilweise Strom- und Datenkabel verlegt, über die es zu Einkopplungen und Überspannung in den Leitungen kommen würde. Die Stahlträger hätten daher gemäß der Trennungsabstandsberechnung ebenfalls an den äußeren Blitzschutz angeschlossen werden müssen. Insgesamt sollte das Schutzsystem das Haus sowie die Solaranlage auf dem Dach abdecken. Gleichzeitig durften allerdings keine Ableitungen und Fangspitzen zu sehen sein.
"Schon nach der ersten Baubegehung war klar, dass ein
herkömmlicher isolierter Aufbau nur sehr schwer möglich gewesen wäre - wenn
überhaupt", so Hoffmann. Für ein Gebäude dieser Größe mangelte es an ausreichend
Ableitungen und Erdungsanschlüssen. "Solche Erdungsfahnen ließen sich bei
rechtzeitiger Einplanung bereits bei den Fundamentarbeiten so herstellen und
herausführen, dass später die Verbindung zur Fangeinrichtung problemlos
geschlossen werden könnte." Da sie hier jedoch nicht oder nicht mehr vorhanden
waren, hätten die Erdungsfestpunkte erst wieder zugänglich gemacht werden
müssen. Des Weiteren hätten die notwendigen Ableitungen auf der
Stattdessen führte die Blitzschutzfirma eine Simulation mit dem Dynasphere-System 3000 der Leutron GmbH durch. Anstelle der üblichen Franklin-Stange kommt hier eine halbkugelförmige Fangeinrichtung zum Einsatz, die auf einem Mast ruht.
Blitzschutz nach Klasse 2 - mit nur einer Fangeinrichtung und Ableitung
"Nähert sich ein Abwärtsblitz, nimmt die Spannung an der Halbkuppel über die kapazitive Kopplung zu", erklärt Rainer Jacobi, Vertriebsingenieur bei Leutron. "Sobald damit die Isolationsspannung der Luftstrecke überschritten wird, entsteht ein Lichtbogen zwischen der Halbkugel und der Fangstange." Dieser Lichtbogen erzeugt zum einen eine große Menge Elektronen, die für die Entwicklung der Fangentladung benötigt werden. Zum anderen verursacht er einen plötzlichen Anstieg der elektrischen Feldstärke über der Fangstange, was die zusätzliche Energie liefert, die für eine starke, sich schnell fortpflanzende Fangentladung verantwortlich ist. "Im Fall des Mehrfamilienhauses am Gähkopf zeigten die Berechnungen, dass ein einziger, vier Meter hoher Mast mit Fangeinrichtung ausreicht, um das gesamte Gebäude zu schützen", so Hoffmann. Zudem konnte mit dieser Anordnung ohne zusätzliche Kosten sogar Blitzschutzklasse 2 erreicht werden - eine höhere Sicherheitsstufe als gefordert.
Das Dynasphere-System wurde in der Mitte der Dachfläche angebracht, wo es von der Eingangsseite und vom Garten aus weitgehend verborgen bleibt. Der Mast, der für diese Anlagenart immer eigens angefertigt wird, wurde hier aus zwei je zwei Meter langen Rohren aus Aluminium und glasfaserverstärktem Kunststoffrohr hergestellt, so dass die Ableitung im Inneren liegen konnte. "Problematisch war jedoch die weitere Leitungsführung des verwendeten hochspannungsisolierten Erico-Ableiters", berichtet Blitzschutzexperte Jacobi. "Er durfte nicht an der Fassade entlang verlegt werden, aber die meisten vorhandenen Kabeltrassen waren schon belegt." Schließlich wurde der zentrale Versorgungsschacht genutzt, der an seinem Ende sogar über eine Erdungsfahne verfügte: Durch die Sonderkonstruktion des Masts konnte das Ableiterkabel von außen unsichtbar direkt in den Schacht geführt und am Fußpunkt an die Erdungsanlage angeschlossen werden. Die weiteren im Schacht verlegten Kabel wurden gegen Einkopplungen entsprechend abgeschirmt. Aus Personenschutzgründen montierte das Blitzschutzunternehmen Riepl um die offene Klemmstelle noch ein hochspannungsfestes Kunststoffgehäuse.
Darüber hinaus konnte durch das neuartige System von Leutron - trotz der späten Einplanung und der ungünstigen baulichen Bedingungen - dem Schutz der Solaranlage und den vorgeschriebenen Trennungsabständen Rechnung getragen werden. Allerdings empfiehlt Diplom-Ingenieur Hoffmann auch hier eine frühzeitige Einbindung in die Entwürfe: "Nur ein angepasstes Blitzschutzkonzept bietet den größtmöglichen Schutz."
Weitere Informationen zum Dynasphere-System können per E-Mail an Leutron angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Leutron GmbH
- Alfred Riepl Blitzschutz - Systemhaus GmbH
- Fotos: Kristina Hübner
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