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EEG Kompromiss: PV-Förderung soll sich stärker am Zubau ausrichten

(23.1.2011) In Berlin haben sich Branchenvertreter und Mitglieder der Bundesregierung auf eine Anpassung der Fördertarife für Solarstrom geeinigt, die einer vorgezogenen Kürzung gleichkommt. Die Einspeisetarife (FIT) sollen sich auch künftig stärker am jährlichen PV-Zubau ausrichten. Mögliche Kürzungen werden aber auf den 1. Juli vorgezogen. Marktexperten sehen darin die Gefahr einer künstlichen Marktstimulation in der ersten Jahreshälfte und warnen vor Fehlinterpretationen durch "Vorzieheffekte".

Solarstromförderung, Einspeisevergütung, Fördertarife

Am 20.1. haben sich der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW-Solar) und das Bundesumweltministerium auf einen neuerlichen Kompromiss zur Anpassung der PV-Förderung geeinigt. Der ausgehandelte Beschluss sieht vor, dass weitere Kürzungen der Einspeisetarife von der jährlich zugebauten Solarstrommenge abhängig gemacht werden. Als Berechnungsgrundlage für den erwarteten jährlichen Zubau 2011 dienen dabei die Neuinstallationen im Drei-Monats-Zeitraum zwischen März und Mai. Auf dieser Basis soll die Bundesnetzagentur (BNetzA) den Zubau für das laufende Jahr durch einfache Multiplikation mit dem Faktor vier schätzen - siehe auch Beitrag "Bundesnetzagentur veröffentlicht Zubauzahlen: 13% Degression mehr als wahrscheinlich" vom 4.10.2010.

Übersteigt die so errechnete PV-Kapazität die Marke von 3.500 MW stehen schon zur Jahresmitte, am 1. Juli, weitere Kürzungen von 3 Prozent an. Gekürzt werden soll bei prognostizierten Zubauten ...

  • von mehr als 4.500 MW laut dem vorgelegten Beschluss von Politik und BSW-Solar um 6 Prozent,
  • bei mehr als 5.500 MW jährlichem Zubau um weitere 9 Prozent,
  • bei mehr als 6.500 MW um 12, und
  • bei Zubauten auf dem Niveau des Vorjahres in Höhe von 7.500 MW wird um 15 Prozent gekürzt.

Aufgrund der längeren Planungszeiten für Freiflächenanlagen soll die Absenkung für diese erst zum 1. September 2011 erfolgen.

Abschließend soll dann zum Jahreswechsel die Förderung planmäßig um weitere 9 Prozent sinken und zeitgleich geprüft werden, ob die von der BNetzA ermittelte Prognose aus dem Frühjahr korrekt war. Anderenfalls, so die Ankündigung, dürfe mit nachträglichen Korrekturen zu rechnen sein.

Richtige Richtung - Wirkung fraglich

Die von Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Günter Cramer, Präsident des BSW-Solar, vorgestellten Anpassungen werden nach der heutigen, öffentlichen Bekanntgabe im nächsten Schritt zur Lesung im Bundestag weitergeleitet, wo noch im Februar mit einer Entscheidung gerechnet wird. Bislang gehen die Experten davon aus, dass es, auch angesichts der bevorstehenden Landtagswahlkämpfe, nicht wie im Vorjahr zu einem monatelangen Feilschen um Prozentpunkte kommen werde.

"Die Anpassungen der Fördertarife an Marktgegebenheiten und eine turnusmäßige Überprüfung der Tarifhöhe ist generell richtig und wird seitens der Industrie auch unterstützt", stellt Markus A.W. Hoehner, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungshauses EuPD Research fest. Auch, dass sich die Tarife an den Zubauten des Jahres orientieren, sei generell zu begrüßen. Inwiefern eine Kürzung der Einspeisevergütung allerdings zu einer Beruhigung des Marktes beitragen kann sei fraglich: "Allein die Ankündigung von vorgezogenen Anpassungen zum Stichtag 1. Juli bedeutet eine Stimulation des Marktes", sagt der Experte und warnt vor möglichen Vorzieheffekten.

Als Marktbeobachter mit mehr als zehnjähriger Erfahrung in den internationalen Märkten der Erneuerbaren Energien mahnt Hoehner: "Der deutsche PV-Markt ist nach wie vor überhitzt. Die wiederkehrenden Diskussionen um Anpassungen des Fördersystems heizen den Markt dabei zusätzlich an." Aktuell, so der Geschäftsführer, befinde sich Deutschland in einem klassischen Dilemma. Ohne weitere Anpassungen der Förderung drohe einerseits ein übermäßiges Marktwachstum. Dies spreche, so Hoehner, für die nun vorgeschlagene Maßnahme. Anderseits werde der zu erwartenden "Run" in der ersten Jahreshälfte den bremsenden Effekt der Anpassungen aller Wahrscheinlichkeit nach überkompensieren.

"Über die Zukunft der Photovoltaik in Deutschland wird mit der Revision des EEG in 2012 entschieden", analysiert Markus A.W. Hoehner und ergänzt: "Gesetzgeber, Industrie und Interessenvertreter stehen jetzt vor der Herausforderung, ein Konzept unter Berücksichtigung aller Erneuerbaren Energieformen zu entwickeln. Um die Investitionssicherheit zu stärken, sollte hierzu auch an die internationalen Märkte 2011 ein klares Signal gesendet werden, wie es künftig weitergehen soll". Positiv beurteilt Hoehner die Art und Weise wie die aktuelle Diskussion geführt wird. Im Vergleich zum Vorjahr seien eine deutliche Dialogorientierung und eine klare Linie zu erkennen. Damit sei die aktuelle Debatte für die langfristige Entwicklung nicht entscheidend, aber dennoch richtungsweisend. Destabilisierungen der Märkte wie sie zuletzt in Frankreich, Spanien und der Tschechischen Republik zu beobachten waren, gelte es für Deutschland unbedingt zu vermeiden.

BDEW: "Systemstabilität bei Förderkürzung unberücksichtigt"

"Es ist gut, dass weiterhin Handlungsbedarf bei der Photovoltaik-Förderung erkannt und entsprechend reagiert wird. Insoweit ist die heute bekannt gegebene Kürzung der Fördersätze ein Schritt in die richtige Richtung", betonte Hildegard Müller, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). "Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich trotz der beschlossenen Förderkürzung der starke Zubau für Photovoltaik-Anlagen noch fortsetzen wird und die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz bedingten Förderkosten für alle Verbraucher im nächsten Jahr weiter steigen werden", so Müller. Deshalb bleibe die Forderung des BDEW nach einer schrittweisen Marktintegration der Erneuerbaren Energien weiter richtig und wichtig. Zugleich fordert der BDEW zur Sicherung der Systemstabilität eine gesetzlich verbindliche Regelung für die technische Aufrüstung von Photovoltaik-Anlagen.

Handlungsbedarf sieht der Branchenverband dabei bei der technischen Ausstattung von Photovoltaik-Anlagen. Dies müsse bei der geplanten Novelle des EEG ebenso berücksichtigt werden wie weitere Fragen zur Marktintegration der Erneuerbaren Energien. Kritisch beurteilt der BDEW daher, dass bei den Gesprächen zur Kürzung der Solarförderung nur Partikularinteressen berücksichtigt worden seien. "Die Systemstabilität der Netze ist eines der zentralen Themen für den Umbau hin zu einer zukunftsfähigen, erneuerbaren Energieversorgung. Deshalb muss auch mit Netzbetreibern und anderen Erzeugern über die zu bewältigenden Herausforderungen gesprochen werden", erklärte Hildegard Müller.

"Wie es schon jetzt teilweise bei Windenergieanlagen möglich ist, müssen künftig auch Photovoltaik-Anlagen technisch Systemdienstleistungen erbringen, damit eine konstante Spannung und Frequenz im Stromnetz möglich wird", sagte Hildegard Müller. Derzeit geht der Großteil der Photovoltaik-Anlagen technisch bedingt automatisch schlagartig vom Netz, wenn die Spannung bei über 50,2 Hertz liegt. "Da Photovoltaik-Anlagen aufgrund der wachsenden Anzahl immer mehr Einfluss auf das Gesamtsystem haben, muss es für die Sicherung der Netzstabilität schon bald eine verbindliche Regelung per Gesetz geben", erläuterte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Siehe dazu auch Beitrag "Beitrag zur Verbesserung der PV-Aufnahmefähigkeit der Verteilnetze" vom 10.11.2010.

Der BDEW sieht - wie das Bundesumweltministerium auch - Anpassungsbedarf beim Grünstromprivileg nach Paragraph 37 des EEG. "Modifizierungen sollten jedoch erst nach Vorlage des EEG-Erfahrungsberichtes entwickelt werden. Diese Fakten sollten dann nach sachlicher Diskussion sinnvollerweise für das Jahr 2012 in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden und beispielsweise als Grundlage zur Entwicklung einer Marktprämie dienen", erklärte Müller. Aktuell beträgt der aus der Nutzung des Grünstromprivilegs resultierende Anteil an der EEG-Umlage (2011 insgesamt: 3,53 Cent pro Kilowattstunde) etwa 0,128 Cent pro Kilowattstunde. Hieraus wird deutlich, dass der Einfluss des Grünstromprivilegs in der aktuellen Diskussion oftmals überbewertet wird, so der BDEW.

BEE kritisiert Hauruck-Aktion bei Grünstromvermarktung

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert die von Bundesumweltminister Röttgen vorgeschlagenen Änderungen bei der Grünstromvermarktung, die bereits zum 1. Juli 2011 in Kraft treten sollen: "Durch die kurzfristige Begrenzung des so genannten Grünstromprivilegs wird Ökostromanbietern und betroffenen Anlagenbetreibern die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Das Vertrauen in stabile und verlässliche Rahmenbedingungen wird dadurch unnötig erschüttert und die Marktintegration Erneuerbarer Energien gebremst", sagte BEE-Präsident Dietmar Schütz.

Der Einkauf von Strom durch Händler und Letztversorger erfolgte zu großen Teilen bereits im Vorjahr; Verträge und Wirtschaftlichkeits-Kalkulationen basierten auf den für das Jahr 2011 erwarteten Werten und den seit dem 15. Oktober 2010 verbindlich veröffentlichten Daten der Übertragungsnetzbetreiber, so Schütz weiter. "Die jetzige Hauruck-Aktion ignoriert aber jegliche betriebswirtschaftliche Abläufe und die in der Energiewirtschaft üblichen Fristen."

Das Ökostromprivileg ist ein gezielter Anreiz zur Marktintegration für Erneuerbare Energien. Stromversorgungsunternehmen, die im Jahr mehr als 50 Prozent des von ihnen verkauften Stroms aus EEG-Anlagen beziehen, werden von der EEG-Umlage befreit (§37 EEG). Diese Regelung ist insbesondere für mittelständische Stromvertriebe ein marktwirtschaftlicher Hebel. Aufgrund ihres kleineren Kundenstamms ist es für sie einfacher, das 50-Prozent-EEG-Strom-Kriterium zu erfüllen als für große Unternehmen.

Das Ökostromprivileg zeigt, dass eine reale und nachfragegerechte Versorgung mit hoch qualitativem Strom möglich ist. Es fördert Vertriebe, die aufgrund ihres hohen Anteils an Erneuerbaren Energien Vorbildwirkung für die künftige Energieversorgung haben. Die Regelung mobilisiert große Potenziale einer echten Marktintegration und senkt insgesamt die Differenzkosten des EEG.

"Mit dem ... präsentierten Vorschlag zur unterjährigen und rigiden Begrenzung der Umlagebefreiung vergibt das Bundesumweltministerium die Chance, diesen einfachen Hebel für eine verstärkte Marktintegration Erneuerbarer Energien zu nutzen und sinnvoll weiterzuentwickeln", so BEE-Geschäftsführer Björn Klusmann. Auch hätten sich die Schreckensmeldungen einiger Wissenschaftler zu möglichen Kostensteigerungen für die Verbraucher nicht bewahrheitet:  Nur das theoretische Potenzial zur Direktvermarktung mit diesem Instrument betrage im Jahre 2011 rund 37 Milliarden Kilowattstunden. Die vier Übertragungsnetzbetreiber gingen in ihrer Abschätzung aus dem vergangenen Herbst aber bereits nur noch von 12 Milliarden Kilowattstunden aus. Auf Basis der nun im Januar real zur Direktvermarktung angemeldeten Anlagen würden jedoch allenfalls 6 Milliarden Kilowattstunden EEG-Strom die Grünstromregelung tatsächlich nutzen. Durch die Integration dieser Strommengen in den Markt sinke das gesamte Vergütungsvolumen für Erneuerbare Energien in diesem Jahr um rund eine Milliarde Euro.

Damit es in Zukunft nicht zu unnötigen Belastungen für die Stromkunden kommt, hält auch der BEE eine Deckelung der von Ökostromanbietern nutzbaren Umlagebefreiung für sinnvoll - jedoch erst ab 2012. Auf diese Weise bleibe der Vertrauensschutz für Stromvertriebsunternehmen und Anlagenbetreiber gewahrt. Auch die Höhe der verbleibenden Umlagebefreiung könnte dann im Lichte der tatsächlichen Nutzung des Instruments modifiziert werden.

Gleichzeitig schlägt der BEE zur Weiterentwicklung des Instruments eine Erhöhung der Qualitätsanforderung an den vermarkteten Strom vor - neben den 50 Prozent Strom aus EEG-fähigen Anlagen müssten dann 50 Prozent aus Anlagen gemäß den EU-Richtlinien für Erneuerbare Energien und KWK stammen. Darüber hinaus ist eine mittelfristige Anpassung für den Strom aus EEG-fähigen Anlagen erforderlich: Ab 2013 sollte das 50-Prozent-Kriterium schrittweise ansteigen.

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