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Zu glatt für Insekten: Anti-Haftoberflächen für Lüftungsanlagen und Fassaden

(27.9.2013) Käfer, Kakerlaken und Ameisen könnten es in Zukunft schwerer haben, sich in Häusern oder raumlufttechnischen Anlagen einzunisten - dank unbekrabbelba­rer Oberflächen, die die Freiburger Biologen Prof. Dr. Thomas Speck, Dr. Bettina Prüm und Dr. Holger Bohn zusammen mit der Plant Biomechanics Group der Albert-Ludwigs-Universität nach pflanzlichen Vorbildern entwickeln. Das Team untersuchte dazu Ober­flächen von Blättern, um herauszufinden, wie sich Zellform und Mikrostruktur sowie die Oberflächenchemie auf das Haftverhalten von Insekten auswirken.

Die Forscher stellten Laufhaftkraft-Experimente mit Kartoffelkäfern auf unterschied­lich strukturierten Pflanzenoberflächen sowie auf Nachbildungen aus Kunstharzen an. Mit einem hochsensiblen Sensor maß das Team die Kraft, die der Käfer beim Laufen auf verschiedenen Oberflächen aufbringt. Das Ergebnis: Wellige oder stark gewölbte Zellen können die Haftfähigkeit von Käfern verstärken, während Mikrostrukturen aus Wachskristallen oder Kutikularfalten diese verringern. Letztere sind kleine Falten in der Kutikula, einer polyesterähnlichen Schutzschicht auf der Blattaußenhaut. Am schlechtesten liefen die Käfer auf Oberflächen mit Kutitkularfalten, die etwa 0,5 µm hoch und breit sind und einen Abstand zwischen 0,5 und 1,5 µm haben. „Das ist die perfekte Anti-Haftoberfläche. Hier rutschen die Insekten viel stärker ab als auf Glas“, sagt Projektleiter Thomas Speck. Durch die Kutikularfalten verkleinert sich die Kon­taktfläche der an den Käferbeinen befindlichen Hafthaare mit der Krabbelfläche. An­ders als bei gröber strukturierten Oberflächen kann sich der Käfer nicht mit seinen Klauen in den Kutikularfalten verankern. Die Mikrostruktur der Oberfläche hat danach eine größere Auswirkung auf das Anhaften der Käfer als die Zellform.

Das Team untersuchte zudem durch Kontaktwinkelmessungen die Benetzbarkeit der verschiedenen Oberflächen. Die Forscher verwendeten wasserabweisende und was­serliebende künstliche Abformungen der mikrostrukturierten Pflanzenoberflächen, um den Einfluss der Oberflächenchemie auf die Oberflächenbenetzbarkeit und das Lauf­verhalten der Käfer zu untersuchen.

Kutikularfalten weisen ähnlich wie Wachskristalle Wasser sehr gut ab. Im Gegensatz zur Benetzbarkeit, die sowohl von der Mikrostruktur als auch von der Chemie der Oberfläche abhängt, wird das Laufverhalten der Käfer von der Oberflächenchemie nicht beeinflusst. Das bedeutet, dass die Laufhaftkraft nur von der physikalischen Mikrostruktur der Oberfläche abhängt.

Anwendbar u.a. in Luftverteilsystemen und an Fassaden

Die Ergebnisse haben Speck und sein Team in der aktuellen Ausgabe des Wissen­schaftsjournals „Acta Biomaterialia“ veröffentlicht. Die unbegehbaren Oberflächen könnten zukünftig Belüftungsrohre von Klimaanlagen auskleiden, in denen sich Kaker­laken und andere Insekten gerne tummeln. Und an Hausfassaden und Fenstersimsen angebracht könnten sie verhindern, dass überwiegend laufende Schadinsektenarten eindringen und an Nahrungsmittel und Medikamente gehen.

Die biologische Grundlagenforschung zu den Anti-Haftoberflächen wird zukünftig am Freiburger Zentrum für interaktive Werkstoffe und bioinspirierte Technologien (FIT) angesiedelt. Dort sollen die Forscher auch die Materialentwicklung bis hin zum Pro­totyp vorantreiben. „Die künstlichen Oberflächen wollen wir mit den Kolleginnen und Kollegen vom FIT zudem schaltbar machen, so dass diese sich zum Beispiel dehnen oder schrumpfen und so an verschiedene Insektengruppen und deren Haarstruktur angepasst werden können“, erläutert der Projektleiter.

Weitere Informationen zu Anti-Haftoberflächen können per E-Mail an Prof. Dr. Thomas Speck angefordert werden.

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