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„NanoHouse“-Erkenntnis: Keine unmittelbare Nanostaub-Gefahr durch Fassadenfarben

(4.3.2014) Nach 42 Monaten ging das EU-Forschungsprojekt „NanoHouse“ mit einer vorsichtigen Entwarnung zu Ende: Nanopartikel in Fassadenfarben stellen keine außer­gewöhnliche Gesundheitsgefahr dar. Im Rahmen eines „Technology Briefing“ diskutier­ten Empa-Forscher mit Vertretern des Baugewerbes die Forschungsergebnisse.

Im EU-Projekt „NanoHouse“ forschten fünf Abteilungen der Empa zusammen mit vier europäischen Forschungsinstituten und vier Industriepartnern zum Thema „Chancen und Risiken von Nanomaterialien in Fassadenbeschichtungen“. Zum ersten Mal wurde dabei nicht nur frisch hergestellte, sondern auch gealterte Produkte und aus diesen freigesetzte Nanopartikel untersucht.

Beim „Technology Briefing“ gab Harald Krug, der Leiter des Forschungsschwerpunktes „Materials meet Life“, zunächst einen Überblick über die Nano-Sicherheitsforschung an der Empa. Das Forschungsinstitut war und ist nämlich an mehreren EU-Forschungspro­jekten beteiligt und hat an diversen Informationsbroschüren zum Thema „Nano“ mitge­wirkt. So entstand u.a. die Website nanopartikel.info sowie eine Info-Broschüre für die Textilindustrie und ihre Zulieferer. Sie könnte beispielhaft für andere Branchen sein und ist als PDF-Datei unter auf empa.ch/nanosafetextiles verfügbar.

Danach stellte Claudia Som, die das Projekt an der Empa koordiniert hatte, „Nano­House“ kurz vor. Dieses mit EU-Mitteln aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm geför­derte Projekt startete 2010 mit dem Ziel, Nanopartikel in Baumaterialien und Häusern auf ihre Gesundheitsgefährdung zu untersuchen. Auf dem Programm standen u.a. ...

  • Reibversuche an Modellfassaden,
  • Versuche zur Auswaschung von Nanopartikeln und
  • eine Analyse der biologischen Wirkungen auf Mensch und Umwelt.

Viele Laborstudien, wenige Produkte

Tina Künniger, Empa-Spezialistin für Witterungsschutz von Holzoberflächen, erläuterte die Wirkung von Nanopartikeln in Anstrichfarben:

  • Manche Farben mit Siliziumdioxid sollen wasserabweisend, leicht zu reinigen und kratzfest sein;
  • Nano-Titandioxid wirkt fotokatalytisch und kann Luftsschadstoffe abbauen.
  • Auch können Nano-Titandioxid, Nano-Zinkoxid und Nano-Eisenoxid als UV-Schutz eingesetzt werden, je nach Grösse der Partikel auch als Schutz vor Infrarotstrahlung, also: Hitze.
  • Ebenso sollen Nanopartikel vor Blaufäulepilzen und Algenbefall schützen.

Viele Laborstudien belegen zwar die Wirksamkeit der Nanopartikel, doch in der Praxis bleibt die Frage: Wie viel muss ich der Farbe beimischen, damit es auch wirkt? Aus diesem Grund sind bislang nur wenige Nano-Produkte für Außenfassaden auf dem Markt. Die größten Chancen der Nanopartikel liegen in der Kombination verschiedener Funktionalitäten, zum Beispiel Kratzfestigkeit und Leicht- oder Selbstreinigungsfähigkeit.

Erstaunlich wenig freigesetzt

Bernd Nowack, Leiter der Gruppe „Environmental Risk Assessment and Management“ an der Empa, erläuterte die Ergebnisse der Freisetzungsversuche. Die Rate liege ge­nerell sehr niedrig: Nur 1-2 Prozent der Nanopartikel gelangten in die Umwelt. Und diese seien nicht etwa frei unterwegs, sondern meist an größere Farbpartikel gebun­den, was ihre nanospezifische Wirkung deutlich mindere. „Wir waren erstaunt, wie wenig herauskommt“, räumte Nowack ein. Die Forscher hätten erwartet, dass kataly­tisch aktive Nanopartikel auch die Farbe um die Partikel herum angreifen und dadurch häufiger freigesetzt werden würden.

JA! ABER?

Jean–Pierre Kaiser zeigte mit seinen toxikologischen Untersuchungen, dass Farben mit Nanopartikeln dieselben Effekte auf das Verhalten von Magen-Darm-Trakt-Zellen und Immunzellen verursachen wie entsprechende Farben ohne Nanopartikel.

  • JA: Daher erwartet der Empa-Forscher, dass Farben mit Nanopartikeln kein neues akutes Gesundheitsrisiko darstellen.
  • ABER: Gleichzeitig zeigten die Untersuchungen allerdings, dass Nanopartikel von den Zellen aufgenommen werden. Ob diese Akkumulation in den Zellen zu Spätfolgen führt, könne derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden.

Kein tatsächlicher Lebensdauervorteil für Nanofarben?

In der Bewertung möglicher Umweltschäden plädierte Empa- Umweltwissenschaftler Roland Hischier fürs Abwägen: Für ein Haus mit einer angenommenen Lebensdauer von 80 Jahren wäre ein Anstrich mit Nano-Farbe günstiger, falls diese um 30 Prozent län­ger hält. Denn damit hätte man einen ganzen Hausanstrich eingespart - mit allen Um­weltbelastungen bei der Farbproduktion und bei der Entsorgung der Farbreste. Diese These blieb jedoch umstritten: Oft werde eine Farbschicht aus ästhetischen Gründen erneuert, nicht weil sie defekt ist. Damit wäre der Lebensdauervorteil der Nanofarbe passé.

Geringe Kenntnisse in der Industrie

Ingrid Hincapie, Risikoforscherin an der Empa, berichtete schließlich von ihrer Umfrage in der Industrie. Viele Firmen erwarten eine höhere Lebensdauer von Farben mit Nano­partikeln, einige versprechen sich leichtere Handhabung, etwa eine schnellere Trock­nung der Farbe. Nur: Wie man Nanopartikel, etwa in Farbresten, entsorgen soll, das wissen nur wenige.

Aus der Praxis berichtete Peter Seehafer vom Schweizerischen Maler und Gip­serverband: Der Kunde ist König - und verlange bisweilen nach der neuesten Tech­nologie bei der Anstrichfarbe. Andererseits liege gerade bei Malern der Frauenanteil bei rund 50%. Schutz vor schädlichen Chemikalien sei daher besonders wichtig. „Un­ser Verband braucht mehr Information, damit wir gegenüber unseren Kunden und un­seren Angestellten klar Position beziehen können“, forderte Seehafer.

André Hauser vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erläuterte die aktuellen ge­setzlichen Bestimmungen zu Entsorgung von Abfällen mit Nanomaterialien. Das BAFU gibt auf der Webseite „Nanoabfälle“  Tipps zur Entsorgung. Die aktuellen Regelungen zum Arbeitsschutz stellte Kaspar Schmid vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) vor. Entscheidend sei, dass der Hersteller der Materialien ein Sicherheitsda­tenblatt beilegen muss, wie bei jeder anderen Chemikalie auch.

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