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„BestKleb“: Wie lange halten Verbundwerkstoffe?

Saarbrücker Materialforscher Prof. Dr. Wulff Possart
Prof. Dr. Wulff Possart
  

(11.3.2014) In Flugzeugen, Bauwerken und der Medizintech­nik kommen heute viele Materialien zum Einsatz, die miteinan­der nur noch verklebt werden können. Doch wie halten diese Klebstoffe den Umwelteinflüssen stand? Wie reagieren sie auf Feuchtigkeit, Hitze und starke mechanische Beanspruchung? Der Saarbrücker Materialforscher Prof. Dr. Wulff Possart un­tersucht chemische Veränderungen in Verbundmaterialien, Be­schichtungen und verklebten Bauteilen. Sein Ziel ist es, diese Ver­änderungen zu verlangsamen und die Alterung von Kleb­stoffen exakt vorherzusagen. Für die Industrie sind solche Prognosen entscheidend, wenn es um die Lebenszeitgarantie von Bauteilen und die Produkthaftung geht. Als erster deut­scher Wissenschaftler wurde Wulff Possart übrigens mit dem renom­mierten französischen Forschungspreis Prix Dedale aus­gezeichnet, der Grundlagenforschung rund um das Thema Klebstoff honoriert.

Wie lange halten Verbundwerkstoffe?

Zu den Klebstoffen zählen heute längst nicht mehr nur Produkte, die man vom Heim­werken kennt, sondern es geht vor allem um neuartige Verbundwerkstoffe, Beschich­tungen und Lacke. Für die Tragflächen eines Flugzeugs werden zum Beispiel faserver­stärkte Kunststoffe verwendet, die man auf das Metallgerüst aufklebt. Gegenüber ge­nieteten Verbindungen haben diese Klebverfahren den Vorteil, dass sie leichter und zugleich wesentlich stabiler sind. „Diese Klebungen müssen aber bei Wind und Wetter nicht nur starke Schwingungen und plötzliche Zugkräfte aushalten, sondern auch ho­he Temperaturunterschiede verkraften“, sagt Wulff Possart, Professor für Adhäsion und Interphasen in Polymeren der Universität des Saarlandes. Solchen Umwelteinflüs­sen sind auch die Rotorblätter von Windkraftanlagen ausgesetzt, die als Verbundma­terialien viel Klebstoff enthalten.

Laut Schätzungen gibt es derzeit 250.000 Klebstoff-Formulierungen auf dem Markt.

„Bisher werden solche Werkstoffe in Labortests künstlich allen möglichen Belastungen unterworfen, die etwa starken Wind, hohe Temperaturunterschiede oder Regenfälle simulieren sollen. Man versucht dann quasi im Zeitraffer den Verschleiß von Jahrzehn­ten in wenige Wochen nachzustellen“, erläutert Possart. Daraus ließen sich aber nur bedingt Vorhersagen für die tatsächliche Lebensdauer der Materialien ableiten. „Wir untersuchen daher vor allem die chemischen Veränderungen in den Werkstoffen und konnten bereits nachweisen, dass sich die Klebstoffe durch den Kontakt mit Oberflä­chen von Metallen stark verändern. Die Chemie wirkt sehr weit in die Klebstoffe oder in die Strukturen der Verbundwerkstoffe hinein“, sagt der Saarbrücker Professor. Und  durch den vielfältigen Einsatz von Verbundwerkstoffen werde außerdem die Messlatte immer höher gehängt.

Gemeinsam mit bundesweit acht Forschergruppen hat sich Wulff Possart im Verbund­projekt „BestKleb“ zusammengeschlossen, das von der Deutschen Forschungsgemein­schaft und der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen gefördert wird. Darin werden zum einen die chemischen Mechanismen untersucht, die beim Al­tern von Klebeverbindungen eine Rolle spielen. Zudem werden Simulationswerkzeuge entwickelt, mit denen man die Lebensdauer von Klebungen berechnen kann. „Die In­dustrie muss heute Garantien für die Lebensdauer von geklebten oder beschichteten Produkten geben, die zum Teil über 20 oder 30 Jahre hinausgehen. Dies erhöht nicht nur die Ansprüche an die Verbundwerkstoffe selbst, sondern erfordert auch verläss­liche Prognosen“, sagt Possart. Diese seien auch ein Kostenfaktor, da man heute Kle­beflächen häufig um das Fünf- bis Zehnfache größer auslege, um auf Nummer sicher zu gehen.

Klebetechniken für Stahl und Beton

In dem Verbundprojekt werden außerdem Klebetechniken für Stahl und Beton er­forscht, um neue Wege bei der Sanierung von Stahlbrücken zu beschreiten. „Zahlrei­che Brücken in ganz Deutschland sind in die Jahre gekommen. Es wäre viel zu teuer, alle kom­plett neu zu bauen. Daher benötigen wir dringend langlebige Klebeverfahren, damit diese Brücken noch viele Jahrzehnte dem Verkehr standhalten können“, erklärt der Materialforscher. Damit die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung schnell den Weg in die industrielle Praxis finden, arbeitet Wulff Possart mit verschiedenen Firmen zusammen. Neben der Automobil- und Flugzeugindustrie zählen dazu die Hersteller von Klebstoffen und Verbundwerkstoffen.

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