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Bakterienhaltiger „Biobeton“ schließt spannungsbedingte Risse selbstständig

(30.6.2015) Dass sich spannungsbedingte Risse im Beton selbst reparieren, ist wo­möglich keine Utopie mehr, denn der Mikrobiologe Hendrik „Henk“ Marius Jonkers hat einen selbstheilenden Beton entwickelt – und zwar mit Hilfe von Bakterien, die bis zu 200 Jahre in einer Betonstruktur überleben können, um bei auftretenden Schäden zu „erwachen“ und Risse durch die Produktion von Kalkstein zu „heilen“. Jonkers‘ Biobeton könnte sowohl die Kosten für die Betonherstellung und Instandhaltung verringern, als auch die daraus resultierenden CO₂-Emmissionen eindämmen. Die Markteinführung des selbstheilenden Betons soll 2015/2016 erfolgen.

Hendrik Jonkers - © Europäisches Patentamt (EPA) (Bild vergrößern)

Für seine Erfindung wurde der Niederländer als einer von drei Finalisten für den re­nommierten Europäischen Erfinderpreis 2015 in der Kategorie „Forschung“ nominiert. (Am 11. Juni wurde in Paris die begehrte Auszeichnung im Rahmen eines Festakts zum zehnten Mal verliehen. Ludwik Leibler wurde für die Erfindung der Vitrimere aus­gezeichnet: Diese neue Kunststoffklasse hat das Potenzial, die wachsenden Plastik­müll-Berge einzudämmen - der Werkstoff ist reparierbar und 100 Prozent recycelbar.)

„Hendrik Jonkers‘ bakterienhaltiger Bio-Beton verlängert die Lebensdauer von Brücken, Straßen und anderen Bauwerken, und eröffnet damit völlig neue Perspektiven für die Betonproduktion“, sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Fi­nalisten. „Mit seiner zukunftsweisenden Innovation ist es ihm gelungen, die Mikrobio­logie mit dem Bauingenieurwesen zu kombinieren – zwei Wissenschaften, die auf den ersten Blick keinen direkten Zusammenhang haben.“

Jonkers nutzt Selbstheilungseffekt aus der Natur

Nach seiner Promotion im September 1999 konzentrierte sich Henk Jonkers auf die Erforschung des Verhaltens von Bakterien. Mit kalkproduzierenden Bakterien experi­mentierte er erstmals während seiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen. Als Inspiration für seine For­schung dienten Organismen mit Selbstheilungspotenzial, wie zum Beispiel der Okto­pus, bei dem abgetrennte Tentakeln nachwachsen, oder Pflanzen, die mit Hilfe ei­nes Ablegers einen völlig neuen Organismus ausbilden. Sein Weg führte ihn 2006 als Experte für das Verhalten von Bakterien an die Fakultät für Bauingenieurwesen und Geowissenschaften der Technischen Universität Delft. Im Rahmen seines dortigen Forschungsprogramms setzte sich Jonkers zum Ziel, eine Lösung zu finden, um den Selbstheilungseffekt von Organismen aus der Natur auf Beton zu übertragen.

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Über 200 Jahre eingekapselte Reparaturkraft

Um die Risse im Beton zu schließen, wählte Jonkers Bakteriengattungen (Bacillus pseu­dofirmus und B. cohnii), die in der Lage sind, auf biologische Weise Kalkstein zu produ­zieren. Ein positiver Nebeneffekt der Kalksteinproduktion: Die Bakterien verbrauchen bei diesem Vorgang Sauerstoff, wodurch die Korrosion von Stahlbeton im Inneren ver­hindert wird. Für Menschen sind die Bakterien völlig ungefährlich, da diese nur unter den alkalischen Bedingungen innerhalb des Betons überleben können. Auf dieser Basis entwickelten Jonkers und sein Forscherteam drei verschiedene Arten der bakterienhal­tigen Betonmischung:

  • Den selbstheilenden Beton, der bereits mit den Bakterien verbaut wird, sowie
  • einen Reparaturmörtel und
  • die flüssige Reparaturlösung, die erst bei akuter Beschädigung auf die Betonstellen aufgetragen werden.

Der selbstheilende Beton ist die komplexeste der drei Varianten. Dabei werden die Sporen der Bakterien in zwei bis vier Millimeter großen Tonpellets eingekapselt und der Betonmischung zusammen mit separat eingeschlossenem Stickstoff, Phosphor und ei­nem Nährstoff auf Kalziumlaktat-Basis beigemischt. Der besondere Ansatz der Metho­de sollgewährleistet, dass die Bakterien bis zu 200 Jahre schlafend im Beton verharren und erst dann mit den Nährstoffen in Kontakt treten, wenn Wasser durch Risse in die Betonkonstruktion eindringt – und nicht etwa beim Zementmischprozess. Aus diesem Grund eignet sich diese Variante vor allem für Bauwerke, die der Witterung ausgesetzt sind und für Stellen, die für Wartungsarbeiter schwer erreichbar sind. Teure und kom­plizierte manuelle Reparaturen werden somit überflüssig.

Nachhaltige Präventionsmethode könnte die Betonherstellung revolutionieren

In den vergangenen Jahren durchlief der bakterienhaltige Beton Langzeittests unter verschiedenen äußerlichen Einflüssen an einem speziell errichteten Gebäude im nieder­ländischen Breda.

Denn Jonkers‘ patentierte Erfindung hat das Potenzial, die Instandhaltungskosten für Brücken, Tunnel und Stützmauern, die sich alleine in den EU-Staaten jährlich auf vier bis sechs Milliarden Euro belaufen, deutlich zu senken. Aktuell forscht er an einer al­ternativen Technik zur Einkapselung der Bakterien. Damit wäre es möglich, die Produk­tionskosten des bakterienhaltigen Betons im Vergleich zur derzeitigen Methode der Partikelbeschichtung um die Hälfte zu senken. Während sich die Herstellungskosten von herkömmlichem Beton auf 80 Euro/m³ belaufen, würde dann ein Kubikmeter des selbstheilenden Betons mit dem neuen eingekapselten Wirkstoff zwischen 85 und 100 Euro kosten.

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