Baulinks -> Redaktion  || < älter 2016/1825 jünger > >>|  

Alles wieder gut? Bundesrat will befristete Ausnahmeregelung für HBCD-haltige Dämmstoffe

Strukturformel von Hexabromcyclododecan
Strukturformel von Hexabromcyclododecan
   

(16.12.2016) Der Bundesrat hat heute (16. Dezember) auf Antrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (siehe Drucksache 752/2/16) beschlossen, dass die Deklarierung von HBCD-haltigen Dämmstoffen als „gefährlicher Abfall“ für ein Jahr ausgesetzt werden solle. Gleichwohl ließ keiner der Redner im Bundesrat Zweifel daran, dass das Flammschutzmittel sehr umweltschädlich sei und deswegen beseitigt werden müsse. Die Verbrennung sei dafür der beste Weg. ... Aber es gibt aktuell eben bundesweit einfach zu wenige (nach unserer Kenntnis acht) Verbrennungsanlagen mit den notwendigen Genehmigungen / Zulassungen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat umgehend versprochen, den Beschluss der Länderkammer noch vor Weihnachten im Kabinett bestätigen zu lassen, damit er so schnell wie möglich in Kraft treten kann.

Übrigens: Einen weiteren Antrag zum Thema gab es von den Ländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen (siehe Drucksache  752/1/16). Demnach hätte der Bundesrat die Bundesregierung bitten sollen, „gemeinsam mit den Ländern eine Muster-Allgemeinverfügung mit dem Ziel zu entwickeln, den auch für HBCD-haltige Abfälle erforderlich gehaltenen Standard der Nachweisführung bundesweit möglichst unbürokratisch zu implementieren.“ Der ursprüngliche Antrag der saarländischen Landesregierung forderte sogar die grundsätzliche Rückstufung des HBCD-haltigen Polystyrols als ungefährliche Abfallart (Grunddrucksache 752/16)

Gefährlich, nicht gefährlich, gefährlich, nicht gefährlich, gefähr...

HBCD-haltige Materialien gelten in Deutschland nun vorübergebend wieder als „nicht gefährlicher Abfall“. Damit ist der Bundesrat einer dringenden Forderung der Bauindustrie gefolgt - siehe „HBCD-Krise“.

„Nicht gefährliche Abfälle“ unterliegen dem deutschen Umweltrecht folgend keiner Nachweisführung über deren Verwertung. Aufgrund der Aufnahme in die POP-Verordnung der EU muss allerdings sehr wohl nachgewiesen werden, wie der Stoff HBCD aus der Umwelt ausgeschleust wird. Diese „Ausschleusung“ geschieht am besten durch die thermische Verwertung, sprich die Verbrennung in einer genehmigten Anlage - das ist auch weiterhin die bevorzugte Verwertungsform aus der Sicht aller Beteiligten. Trotz der Gefährlichkeit des Stoffes kommt es zwar zu der besagten zeitlichen Ausnahmeregelung - allerdings mit der Pflicht, die Entsorgungswege lückenlos zu dokumentieren.

„Fehler korrigiert“

„Der Bundesrat hat heute gezeigt: Die Politik kann Fehler korrigieren. Jetzt haben wir ein Jahr Zeit, um gemeinsam an einer praktikablen Neuregelung zu arbeiten. Sanierungsmaßnahmen können jetzt wieder Schwung aufnehmen“, kommentiert Prof. Beate Wiemann, Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes Nordrhein-Westfalen, den aktuellen Beschluss des Bundesrates.

Zugleich richtet sich die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen in Vertretung ihrer zahlreichen Wohnungsbau- und Sanierungsunternehmen an die Entsorgungswirtschaft.

Prof. Beate Wiemann: „In der Theorie herrscht nun wieder der alte Zustand von vor dem 1. Oktober 2016. HBCD-haltige Polystyrole sind als ,nicht gefährlicher Abfall‘ deklariert. Wir fordern die Entsorgungswirtschaft auf, ihre Preise nun auch in der Praxis wieder an das vorherige Niveau anzupassen und ihre Verweigerungshaltung bei der Entsorgung von Polystyrol-Dämmplatten aufzugeben. Die Sanierung unserer Gebäude ist klimapolitisch zu wichtig als sich hinter fadenscheinigen Rechtfertigungen zu verstecken.“

Ministerin Barbara Hendricks begrüßt das Moratorium

Die Bundesumwelt- und -bauministerin Barbara Hendricks begrüßte umgehend den Bundesrats-Beschluss und erklärte: „Das ist eine gute Nachricht für den Wohnungsbau und für die vielen Dachdecker, deren Jobs sonst bedroht gewesen wären. Der Beschluss gibt den Handwerkern hoffentlich eine Atempause. ... Damit bekommen wir eine tragfähige Übergangslösung. Allerdings bleiben alle Beteiligten in der Pflicht, an einer dauerhaften Lösung zu arbeiten. ... Wir werden noch im Januar zu einer Bund/Länder-Sitzung einladen, bei denen die chemikalien-, immissionsschutz- und abfallrechtlichen Fragestellungen erörtert werden sollen. Unser Ziel bleibt, Lösungen zu entwickeln, die dauerhaft tragfähig sind. Jetzt müssen alle Beteiligten schnell daran arbeiten, diese Problematik, die künftig auch andere Stoffe betreffen wird, realistisch, rechtssicher und umweltverträglich zu lösen. ... Ein Entsorgungsnotstand wie jetzt darf sich nicht wiederholen. Das sind wir den vielen betroffenen Handwerkern, aber auch dem Klimaschutz schuldig. Denn die Handwerker im ganzen Land brauchen schnell Rechtssicherheit bei der Entsorgung der alten Dämmplatten. Das hilft auch dem Klimaschutz, weil jetzt viele Bauprojekte, die zuletzt auf Eis lagen, fortgesetzt werden können. Für die Umwelt entsteht mit dieser Lösung kein Schaden, da das HBCD bei der Müllverbrennung komplett unschädlich gemacht wird. Es muss zugleich gewährleistet sein, dass der Verbleib dieser Stoffe als Abfall dokumentiert wird.“

Deutsche Umwelthilfe und Deutscher Naturschutzring für Übergangsregelung

Im Vorfeld des Bundesrats-Beschlusses am 16.12. forderten Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Deutscher Naturschutzring (DNR) den Stop von Anträgen zur Rückstufung HBCD-haltiger Polystyrol-Dämmplatten als ungefährlich: „Anstatt veraltete und ineffiziente Verbrennungsanlagen zu füttern, sollten die Abfallhierarchie umgesetzt, Recyclingkapazitäten für expandiertes Polystyrol aufgebaut und durch den Staat gefördert werden“, fordert der DNR-Generalsekretär Florian Schöne. Um bis zum Aufbau ausreichend vorhandener Recyclingkapazitäten Entsorgungsengpässe für HBCD-haltige Polystyrol-Dämmplatten zu vermeiden, wäre eine zweijährige Übergangsregelung mit Ausnahmetatbeständen denkbar.

siehe auch für zusätzliche Informationen:

Impressum | Datenschutz © 1997-2024 BauSites GmbH