Haftungsrecht: Baubehörde kann bei fehlerhaft erteilter Baugenehmigung schadensersatzpflichtig sein
(13.2.2002) Bauherren können von der Baubehörde Schadensersatz verlangen, wenn sich die erteilte Baugenehmigung später als rechtswidrig erweist. Die erteilte Baugenehmigung schafft einen Vertrauenstatbestand.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin beabsichtigte ein Einkaufszentrum zu errichten. Der Landkreis
(Beklagter) hatte ihr dazu 1995 eine Baugenehmigung erteilt. Der Grundstücksnachbar hatte
gegen die Genehmigung Widerspruch eingelegt, da die erforderlichen Abstandsflächen zu
seinem Grundstück nicht eingehalten worden waren. Auf seine Klage, verpflichtete das VG
die Klägerin, die Baustelle unverzüglich stillzulegen. Die Klägerin änderte daraufhin
die Pläne und konnte die Bauarbeiten, nachdem sie über ein Jahr ruhten, fortsetzen. Das
Gebäude wurde erst 1997 fertiggestellt. Die Klägerin verlangt vom Beklagten
Schadensersatz i.H.v. rund 4,5 Millionen DM, da sich der Bau so lange verzögert hatte.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte
schließlich Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin kann von dem Beklagten Schadensersatz verlangen, weil sich die
Baugenehmigung des Beklagten als rechtswidrig erwiesen hat. Entgegen der Auffassung der
Vorinstanzen hat die Erteilung der Baugenehmigung einen schutzwürdigen
Vertrauenstatbestand für die Klägerin geschaffen. Es ist nicht gerechtfertigt der
Klägerin als Bauherrin das volle Risiko einer Fehlbeurteilung der Anforderungen der
maßgebenden Vorschrift des §15 BauNVO aufzubürden und die Bauaufsichtsbehörde insoweit
von jeglicher Verantwortung zu entlasten. §15 BauNVO ist die zentrale Bestimmung des
Bauplanungsrechts. Die sachgemäße Handhabung fällt damit in erster Linie in den
Verantwortungsbereich der Behörde.
Es ist zwar richtig, dass auch ein Bauherr die Richtigkeit einer Baugenehmigung noch einmal kritisch überprüfen muss. Insofern sind nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten des erfahrenen Bauherrn zu berücksichtigen. Dies bedeutet aber nicht, dass das "Rechtsanwendungsrisiko" in vollem Umfang auf den Bürger verlagert werden kann.
siehe auch: