Geplantes Regelwerk bedroht Gerüstmaterialbestand im Wert von bis zu 5 Mrd. Euro
(8.9.2017) Die Bundesinnung und der Bundesverband Gerüstbau sowie zahlreiche Gerüsthersteller warnen aktuell eindringlich davor, systemintegrierte Sicherungsgeländer als vorrangigen Stand der Technik festzulegen. Denn in den zurückliegenden Monaten kamen Bestrebungen von staatlichen Arbeitsschutzbehörden auf, im Nachgang der Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung technische Schutzmaßnahmen gegen Absturz vorrangig vor allen anderen Sicherungsmaßnahmen einzufordern. So ist wohl beabsichtigt, einen neuen Stand der Technik von geeigneten Schutzmaßnahmen gegen Absturz bei der Bereitstellung von Gerüsten zu definieren: Systemintegrierten Sicherungsgeländern soll dabei Vorrang vor allen anderen Sicherungsmaßnahmen eingeräumt werden.
Fotos © Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk |
Massiver Eingriff in den Bestand der Branche
Seitens der Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk wird beklagt, dass die bislang im Gerüstbau noch nicht praktisch verwirklichten und bewährten Sicherungsgeländer in großen Teilen des Gerüstbaus nicht einsetzbar und daher im Vergleich zu den im Markt befindlichen Schutzmaßnahmen kein geeigneteres Mittel zur Absturzsicherung seien. Einen Bestand an Gerüsten mit systemintegrierten Sicherungsgeländern, wie er im Falle des Inkrafttretens einer entsprechenden Vorschrift gefordert würde, gibt es in Deutschland bisher nicht bzw. nicht in nennenswertem Umfang - und wenn überhaupt nur für Fassadengerüste.
Demgegenüber befindet sich im aktuellen Gerüstmaterialbestand in Deutschland derzeit ein Bestand an Systemgerüsten (ohne systemintegrierte Sicherungsgeländer) mit einem geschätzten Wert von rund 4,5 bis 5 Mrd. Euro.
Dieser Materialbestand müsste im Falle einer durch die Vorschriften vorgegebenen Vorrangstellung von systemintegrierten Sicherungsgeländern praktisch komplett ausgetauscht - d.h. vernichtet - werden.
Ein solch massiver Eingriff in den wirtschaftlichen Bestand einer gesamten Branche ist kaum zu rechtfertigen. Denn der Einsatz (systemintegrierter) Sicherungsgeländer soll laut Bundesinnung auf Grundlage der aktuellen Erkenntnisse und Erfahrungen in der Gerüstbaubranche keinen höheren Schutz gegen die Risiken bei der Bereitstellung von Gerüsten bieten.
Hintergrund: In der letzten Novellierung der Betriebssicherheitsverordnung gab es den Gerüstbau betreffend keine wesentlichen Änderungen, die als Grundlage für eine solche Systemänderung dienen könnten. Dies soll jedoch nun durch eine neue technische Regel für Betriebssicherheit in naher Zukunft geändert werden, nach der dem technischen Schutz absoluter Vorrang eingeräumt werden soll.
Schwarze Schafe als Nutznießer
Die Bundesinnung befürchtet außerdem, dass sich zukünftig Betriebe, die sich bisher schon nicht an Vorschriften für die Arbeitssicherheit gehalten haben, mit ihren Marktpreisen gegenüber solchen Unternehmen leichter durchsetzen werden, die regelkonform den Gerüstmaterialbestand austauschen und dies in ihren Preisen einkalkulieren müssen. Denn die eigentlich notwendigen Kontrollen der Baustellen finden kaum statt.
Zielführender aus Verbandssicht ist vielmehr ein ganzheitlicher Ansatz zur Verbesserung der Arbeitssicherheit im Gerüstbau, der auf einer detaillierteren Unfallanalyse beruht. Diese fordern die Bundesinnung und der Bundesverband Gerüstbau seit Jahren von den zuständigen Institutionen im Bereich der Arbeitssicherheit. Bis heute liegen keine verwertbaren Zahlen vor.
Die Bundesinnung und der Bundesverband Gerüstbau fordern daher alle Beteiligten dazu auf, im Interesse einer effizienten Analyse von Unfallursachen und zur nachhaltigen Erarbeitung von Strategien und Schutzmaßnahmen zur Unfallvermeidung eine trennungsscharfe Erfassung für das Gewerk Gerüstbau zu ermöglichen und alle notwendigen Angaben realistisch anzugeben und zu evaluieren.
Die bisherigen Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen differenzieren noch nicht in ausreichendem Maße, um hieraus eine Bevorzugung bestimmter Schutzmaßnahmen ableiten zu können.
Mit der Persönlichen Schutzausrüstung gibt es eine Schutzmaßnahme, die, wenn sie flächendeckend durchgesetzt würde, aus Sicht von Bundesinnung und Bundesverband Gerüstbau eine signifikante Verbesserung der Arbeitssicherheit im Gerüstbau darstellen würde. Sie ist in fast allen Situationen im Gerüstbau, insbesondere auch bei räumlichen Gerüstkonstruktionen, einsetzbar. Entscheidend wäre dabei ein durchgehendes staatliches bzw. berufsgenossenschaftliches Kontrollsystem, das sicherstellt, dass die Maßnahmen durchgesetzt werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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siehe zudem:
- Gerüstbau, öffentliche Hand und Bauunternehmen auf Baulinks
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