EnEff 2006: Energie-Impulse für die Bauwirtschaft
(3.3.2005) Die deutsche Bauwirtschaft bekommt Anfang 2006 neue und interessante Impulse. Denn
die EU-Richtlinie zur "Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden" muss dann in den
Mitgliedsländern der Union umgesetzt werden. In Deutschland laufen die
Vorbereitungen für die neue Energieeinsparverordnung beim Bund und in der
Industrie auf Hochtouren. Vor allem das aus Deutschland stammende technische
Regelwerk kann in Europa als Blaupause dienen. Damit bauen die im Bereich der
Energieeffizienz weltweit führenden deutschen Anlagenbauer, Beleuchtungs-,
Klima-, Bau- und Fassadenspezialisten ihre Position weiter aus. Von zentraler
Bedeutung dabei ist ein jetzt in die aktive Phase getretener Großversuch des
Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) in Stuttgart, der die komplexen
Beziehungen bei Energieerzeugung und
Die EU-Richtlinie 2002/91/EG zur "Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden" muss in den Mitgliedsländern der Union bis Anfang 2006 in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland wird dafür die seit 2001 eingeführte Energieeinsparverordnung (EnEV) geändert und ergänzt. Entstehen wird eine neue Verordnung mit dem Arbeitstitel "Energieeffizienzverordnung" kurz "EnEff 2006". Das klingt zunächst einmal völlig unspektakulär. Doch wird die neue Verordnung sehr weit reichende Veränderungen im Gewerbebau nach sich ziehen. Kein Wunder also, dass in dem grundlegenden "EnEff-Verbundforschungsvorhaben" des Fraunhofer Instituts für Bauphysik (IBP) nicht nur IBP und Bund sondern auch ein Industriekonsortium die Kosten von 2,5 Millionen Euro teilen.
Ziel: optimierter Energieverbrauch von Gebäuden
Aber zunächst der Reihe nach. Die bisherige EnEV ist die zur
Zeit rechtsverbindliche Grundlage über "energiesparenden Wärmeschutz und
energiesparende
Entscheidend für die neu zu entwickelnde Bewertungsmethode ist daher der richtige Ansatz, um aus der großen Vielfalt technischer Anlagen und den komplizierten Wechselwirkungen zwischen Haustechnik, Bauteilen und Mensch so etwas wie "Energieeffizienz", also ein Optimum bei Energieerzeugung und -verbrauch, zu bestimmen. Theoretische Rechenverfahren müssen dazu mit Daten aus der Praxis bewertet werden. Rechenergebnisse lassen sich so absichern und Über- oder Unterbewertungen rechtzeitig korrigieren. Das ist vor allem für Planer und Architekten wichtig. Bislang verwendete man dafür komplizierte Simulationsmodelle, also Näherungsverfahren, mit denen die Wirklichkeit jedoch nur unzureichend nachgebildet wird. Damit ist jetzt Schluss, denn das IBP liefert mit seinem EnEff-Verbundforschungsvorhaben reale Messdaten aus einem bauphysikalischen Großversuch. Dazu dient eine "Versuchseinrichtung für energetische und raumklimatische Untersuchungen", kurz VERU (vergleiche Meldung "Büroarchitektur auf dem Prüfstand" vom 22.1.2005).
Großversuch VERU weltweit einzigartig
VERU ist ein dreigeschossiges Versuchsgebäude aus Stahlbeton, dem typischen Materialmix von Verwaltungsbauten. Es steht, klimatisch ideal, in Holzkirchen im Süden Bayerns auf der "Freilandversuchsstelle" des IBP. In jeder Etage befinden sich neun quadratische Räume mit jeweils 14 m² Grundfläche, von denen sechs als "Messzellen" und "Musterbüros" nach DIN-Norm ausgestattet sind. Die Außenwände jeder Messzelle weisen unterschiedliche Materialien und Fassadenelemente auf, die das heute übliche Spektrum gängiger Industriefassaden im Neu- und Altbau abbilden. Mehr als 250 Sensoren erfassen ständig alle relevanten Messdaten über Energieverbräuche, Raumklima und Temperatur, Luftaustausch, Zugluft, Beleuchtungsintensität, Außentemperatur, Wind, Sonneneinstrahlung und vieles mehr. Dies ermöglicht weltweit zum ersten Mal vergleichende, interaktive Untersuchungen im Maßstab 1:1. Neu ist die "integrale Betrachtung" von Energieaus- und -einträgen durch Fassaden, dem Energieverbrauch für Beheizung, Kühlung und Beleuchtung, der raumklimatischen und visuellen Behaglichkeit sowie der wechselseitige Einfluss von Fassadentechnik und den technischen Anlagen des Gebäudes.
Die Messungen laufen seit Beginn 2005 und bereits Ende April werden erste Ergebnisse vorliegen. Damit wird es dann ab Ende 2005 erstmals möglich, bei der Planung von Gebäuden alle technischen Anlagen und Bauelemente so auszuwählen, dass das Gesamtsystem aus Büronutzern, Energieerzeugern und -verbrauchern optimiert wird. Das spart dann nicht nur viel Geld bei der technischen Gebäudeausstattung, sondern sorgt auch für ergonomisch optimal ausgestatte Büros und dauerhaft niedrige Energiekosten. Der verantwortliche Abteilungsleiter beim IBP, Hans Erhorn, sagt: "Wir sind bereits sehr bald in der Lage, Nachhaltigkeit mit Zahlen zu belegen." Das bedeutet eine Abkehr von der bisherigen Planungspraxis, bei der Bauteil- und Anlagendaten und deren Wechselwirkung untereinander lediglich im Modell hochgerechnet werden. Erhorn: "Aus qualitativer Betrachtung wird quantitatives Wissen. Das IBP entwickelt dafür auch eine neue Software zur Planung energieeffizienter Gebäude."
Diese praxisorientierte Bewertungs- und Planungssoftware entsteht parallel zum Forschungsvorhaben und wird im Laufe des Jahres 2005 marktreif, rechtzeitig zum Start der neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Planer, Architekten und Investoren wird dies freuen, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Neben umfassender Planungssicherheit werden bisher verborgene Potentiale zur Kostensenkung erschlossen und die Arbeitsplatz-Qualität mit der Folge erhöhter Arbeitsproduktivität verbessert. Zugleich bieten sich durch die "integrale Betrachtung" ganz neue Chancen zur Automatisierung und Steuerung der Gebäudehülle, ein innovationsstarker Bereich der "Mechatronik-Industrie", in dem deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen weltweit führend sind.
Die große Bedeutung des Projekts erschließt ein weiterer Blick hinter die Kulissen. Es ermöglicht dem Bundesbauministerium in Europa vorbildlich dazustehen, denn mit der jüngst fertig gestellten DIN 18599 ist es gelungen, als erstes Mitgliedsland in der EU das technische Regelwerk für die konsequente Umsetzung der eingangs zitierten EU-Richtlinie zur "Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden" geschaffen zu haben. Damit existiert nun eine "Blaupause" für die anderen europäischen Länder und eine beispielhafte Umsetzung für die europäische Normung und den damit verbundenen einheitlichen Marktzugang in ganz Europa, für den deutsche Unternehmen nun eine ganz hervorragende Ausgangsposition haben.
siehe auch:
- Prämiertes Fachbuch über Bürogebäude mit Zukunft erscheint in überarbeiteter Auflage (6.3.2006)
- Energieeffizienz von Gebäuden ist internationales Thema und Chance für die deutsche Bauwirtschaft (10.11.2005)
- Die Gebäudetechnik-Branche könnte von hohen Energiepreisen profitieren (26.10.2005)
- Niedrigenergiehaus beim „ABC der Gemeinheiten bei Bauverträgen“ (23.10.2005)
- Energieeinsparverordnung beim „ABC der Gemeinheiten bei Bauverträgen“ (23.10.2005)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- OLED - Forschen an idealer Bürobeleuchtung (28.2.2005)
- Mit Kältespeichern Strom sparen (9.2.2005)
- Büroarchitektur auf dem Prüfstand (22.1.2005)
- VdZ-Information stellt Energiesparkonzepte auf den Prüfstand (22.1.2005)
siehe zudem:
- Literatur / Bücher zu den Themen Energieeffizienz, Klimatechnik, Heizung, Gebäudeautomation, Energieeinsparverordnung bei Amazon
- Fassaden, Klimatechnik, Flächenkühlung, Heizungstechnik, technische Leuchten, dekorative Leuchten, Außenleuchten, Notbeleuchtung / Hinweisleuchten, Lichtsteuerung, Lampen und Sonnenschutzanlagen auf Baulinks