Ist Kaufen tatsächlich billiger als Mieten?
(16.5.2004; ACHTUNG: Als dieser Text geschrieben wurde, sah die Welt der (Hypotheken)Zinssätze noch ganz anders aus, als beispielsweise 2015/16!) „Das Eigenheim als Altersvorsorge“ oder „Kaufen ist billiger als Mieten“ - jede Person, die über den Erwerb von Wohneigentum nachdenkt, kennt vermutlich diese Slogans. Ist aber wirklich wahr, was die Werbung uns glauben machen will? Fachleute der - zwischenzeitlich nicht mehr existenten - Moneta Finanzstrategien in München sind sich sicher: Wenn man alle Kosten berücksichtigt und auch die entgangenen Gewinne mitkalkuliert, ist Mieten die preiswertere Alternative. Christina Wend von Moneta zeigt dies an einer Beispielrechnung auf.
Banken und Immobilienverkäufer rechnen gerne vor, dass der Kauf einer Immobilie günstiger sei, als jahrelang Miete zu zahlen. Dabei werden Beispiele wie dieses vorgebracht: Bei einer angenommenen Miete von 650 Euro pro Monat und einer jährlichen Mietsteigerung von 2% zahle man über 300.000 Euro an seinen Vermieter. „Sehr plakativ“,, wie Christina Wend zugibt, „aber irreführend“. Die diplomierte Betriebswirtin stellt an dieser Stelle einmal beispielhaft dar, was Eigentum wirklich kostet.
Berücksichtigt man die Kosten für die Finanzierung, sieht dies für das oben genannte Beispiel wie folgt aus: Der Kaufpreis für die Immobilie beträgt 300.000 Euro, dazu kommen Nebenkosten in Höhe von 25.500 Euro - wenn man sie mit 8,5% des Kaufpreises ansetzt. Einen Eigenkapitaleinsatz von 90.000 Euro vorausgesetzt würde also ein Finanzierungsbedarf von 235.000 Euro entstehen. Die monatliche Rate müsste dann 1.272 Euro betragen, wenn der Darlehenszins für die ersten 10 Jahre bei 5,5% liegt und eine Tilgung von 1% unterstellt wird. Bleiben die Zinsen so, was laut Frau Wend höchst unwahrscheinlich ist, wäre das Darlehen nach 34 Jahren abbezahlt - bei einem Gesamtaufwand von 519.000 Euro.
„Betriebswirtschaftlich gesehen sind jetzt noch die so genannten Opportunitätskosten zu bedenken“, macht Wend deutlich. Geht man davon aus, dass die Differenz zwischen Miete und Darlehensrate auch zu 6%, abzüglich 5% Ausgabeaufschläge oder Kosten etc., für 34 Jahre angelegt werden kann, entsteht ein „entgangenes Vermögen“ von etwa weiteren 639.000 Euro. Auch die 30% Eigenkapital könnten in der Zeit anders angelegt werden. In 34 Jahren ergäbe sich hieraus eine Summe von weiteren 619.000 Euro. „Überschlägig gerechnet belaufen sich die Gesamtkosten also auf zirka 1,7 Mio. Euro“, rechnet die Betriebswirtin vor.
Stiegen die Darlehenszinsen nach 10 Jahren zum Beispiel auf 8%, würden sich die monatliche Belastung auf 1.762,50 Euro erhöhen. Allerdings fiele die Gesamtbelastung auf 445.015 Euro, da sich durch die höhere Darlehensrate die Laufzeit des Darlehens auf 28 Jahre verkürzt, so Wend. Zu beachten sei, dass die Opportunitätskosten auf rund 1.284.000 Euro steigen würden. „Anhand dieses Beispiels kann man erahnen, wie sehr es bei solchen Berechnungen auf die Individualität und die Festsetzung der Annahmen ankommt. Eine pauschale Aussage kann deshalb in keinem Fall getroffen werden.“
Die Finanzexpertin nennt einen zweiten Verkaufsansatz, der sehr beliebt ist: Die Miete könne man doch lieber als Finanzierung für sich selbst sparen. Wenn man eine monatliche Darlehensrate in Höhe der jetzigen Kaltmiete (also 650,- Euro) wollte, ließe sich ein Darlehen in Höhe von etwa 127.000 Euro aufnehmen. Unterstellt man übliche 30% Eigenkapital vom Gesamtaufwand, dürfte also der Preis für die Wohnung etwa 182.000 Euro inklusive Nebenkosten ausmachen. Der Interessent könnte sich daher nach einer Wohnung für 166.000 Euro Kaufpreis umschauen. "Bei einem durchschnittlichen Kaufpreis von 3.000 Euro/qm sprechen wir hier von 55 qm", sagt Christina Wend. "Bei zehn Euro pro Quadratmeter Miete könnte man sich aber schon 65 Quadratmeter für die gleiche Summe leisten." Zu bedenken seien weitere Faktoren, so die Betriebswirtin:
- Die Ratenhöhe nach der Zinsfestschreibung. "Heute sind Zinsen niedrig - das ist ein gutes Verkaufargument", so Wend. "Allerdings sprechen wir bei einer Finanzierung nicht nur über die ersten zehn Jahre, sondern über die nächsten 28 bis 34." Nach 10 Jahren (meist die Dauer der Zinsfestschreibung) könnten die Zinsen auf 8% herauf gegangen sein. Dann stiege die Rate von 650 auf 952,50 Euro.
- Die Berechnung der Gesamtkosten. Mit den Vorgaben aus dem Szenario a) ergäben sich Gesamtkosten für die Finanzierung von 283.840 Euro, für die Opportunitätskosten "Eigenkapital" wären 267.000 Euro und für die "Opportunität Finanzierung/Miete" minus 12.725 Euro anzusetzen. „Das macht unter dem Strich 538.000 Euro. Der Mietaufwand in 30 Jahren würde für unser Beispiel jedoch nur 289.000 Euro betragen.“
Wend stellt daher fest: „Ein Eigenheim lohnt sich in den seltensten Fällen aus wirtschaftlichen Gründen." Trotzdem sei es für viele eine erstrebenswerte Sache. Den Immobilienkäufern rät Wend deswegen: "Sehen Sie die Immobilie als erwünschten Luxus - und lassen Sie sich ausführlich über die Finanzierungsmöglichkeiten beraten.“
siehe auch:
- Konstante Zinsen für Bausparer (26.3.2005)
- Umschuldung: Kunden überschätzen Kosten für Bankwechsel (13.3.2005)
- Bundesverband deutscher Banken: "Traumkonditionen für Bauwillige" (1.3.2005)
- VPB rät: Nebenkosten beim Hausbau nicht unterschätzen (11.1.2005)
- Preisbewusst in die eigenen vier Wände (4.1.2005)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- US-Wachstum und Ölpreis lassen die Baugeldzinsen steigen (16.5.2004)
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- Wohnnebenkosten steigen wieder stärker (13.1.2004)
- Neue Steuervorteile für Immobilienbesitzer (9.1.2004)
- Baukosten im internationalen Vergleich (4.12.2003)
- Studie: Wohneigentümer haben anfangs meist eine höhere Belastung - aber spätestens Mitte 50 wendet sich das Blatt (19.11.2002)
siehe zudem:
- Literatur / Bücher zu den Themen Wohnungsmarkt, Immobilien, Immobilienfinanzierung, Eigenheimförderung bei Amazon
- Rechenmodelle für die Baukostenberechnung
- Immobilienseiten, , Finanzdienstleistungen, Bausparkassen, Banken und ... auf Baulinks