Sicherheit von Bauten: Fast jeden Tag wird eine Halle geschlossen
- Architektenkammer Rheinland-Pfalz: Keine Panik, aber Weitblick und Qualitätskontrolle
(2.2.2006) Nach Bad Reichenhall und der medienwirksamen Diskussion um die Sicherheit von Fußballstadien ist das Thema Gebäudesicherheit der breiten Öffentlichkeit wieder bewusst geworden. Aufgrund von Vorsicht und Unsicherheit wird fast jeden Tag eine Sport- oder Produktionshalle und Ähnliches geschlossen.
Beim Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum sieht die Architektenkammer Bauherren, Planer und Baubehörden auf einer schwierigen Gratwanderung. Nach Auffassung der Fachleute muss dabei im Zweifel zugunsten der Schutzfunktion entschieden werden, wenn auch nicht alle Risiken technisch und kostenmäßig vertretbar ausgeschaltet werden können.
Die Architektenkammer Rheinland-Pfalz rät verunsicherten Bauherren, seien es öffentliche Institutionen oder private Unternehmen, ihre baulichen Anlagen regelmäßig durch Sachverständige begutachten zu lassen. Gerade wenn weit gespannte Decken und Träger bauphysikalischen Belastungen wie in Schwimmbädern ausgesetzt sind, ist eine regelmäßige Untersuchung und Prüfung auf Tragfähigkeit nötig. Hier kommt Sparen teuer: Schäden werden dann nicht frühzeitig erkannt und im besten Fall wird nur die Reparatur teurer. Haftungsrisiken und Verantwortlichkeit für Gesundheit und Leben, lassen eine sachliche und rechtzeitige Analyse möglicher Schadenspotenziale dringend angeraten sein.
Grenzen bei der Deregulierung des Baurechtes
Nach Auffassung der Architektenkammer sollten die für das Bauordnungsrecht Zuständigen eine Deregulierung nicht um ihrer selbst betreiben. Regelmäßige Kontrollen, zum Beispiel alle fünf Jahre, sind allemal Schäden und Unfällen bzw. höheren Versicherungskosten vorzuziehen. Die Baubehörden seien gut beraten - so die Kammer - sich auf die Aufgaben der Prävention und Baukontrolle zu konzentrieren.
Die tragischen Ereignisse in Bad Reichenhall geben seitens der Architektenkammer Rheinland-Pfalz (erneut) Anlass, auf eine problematische Entwicklung des Bauordnungsrechtes in Deutschland und damit auch in Rheinland-Pfalz hinzuweisen. Unter dem Druck leerer Kassen und mit dem Ziel der Deregulierung wurden in der Vergangenheit Regelungen gestrichen, die der öffentlichen Sicherheit von Bauwerken dienten.
Zu nennen sind die Abschaffung der öffentlich rechtlichen Gebrauchsabnahme und die Abschaffung des öffentlich rechtlichen Bauleiters. Die Gebrauchsabnahme ist nur noch für "fliegende Bauten", wie zum Beispiel ein Jahrmarktskarusell, verbindlich geregelt. Im Freistellungsverfahren, d.h. bei Baumaßnahmen ohne Baugenehmigung und Prüfung der Bauunterlagen, hat sich die Gefahr, dass es zu "Wildwuchs" zu Lasten von Bauvorschriften und Nachbarn kommt, bestätigt. Die in der LBauO noch verbliebene Regelung einer Bauzustandsüberwachung von Bestandgebäuden durch die Bauaufsichtsbehörden kann das Risiko mangelnder Bauausführung oder unerwarteter Bauteilalterung nicht kompensieren, da es sich um eine "Kann-Vorschrift" handelt.
Bei der fast schon üblichen Praxis, größere, in der Regel auch öffentlich zugängliche Gebäude durch Investoren und Generalunternehmer errichten zu lassen, wird häufig auf die unabhängige, freiberufliche Bauüberwachung durch qualifizierte Architekten und Ingenieure verzichtet. Zum Teil werden dabei unter Kosten- und Zeitdruck Konstruktionen gewählt - und an billigstbietende Unternehmen vergeben - bei denen nicht Qualität und Sicherheit, sondern der Preis ausschlaggebend ist. Wenn gleichzeitig die vorherige Kontrolle im Genehmigungsverfahren auf ein Minimum reduziert ist und Bauunterhaltung sowie Zustandskontrolle durch den Bauherren vernachlässigt werden, ist eine Gefährdung von Personen und Sachwerten programmiert.
Aufgabe staatlicher Verwaltung im Bereich des Bauordnungsrechtes ist die (Grundrechts-)Gewährleistung der Sicherheit von Leben und Gesundheit der Menschen, die die Gebäude bewohnen, in ihnen arbeiten oder ihre Freizeit verbringen. Deshalb erneuert die Architektenkammer ihre Forderung nach dem sogenannten Vier-Augenprinzip, d.h. einer präventiven Kontrolle zur Qualitätssicherung - wie es zum Beispiel die Norm ISO 2000 ff. im Qualitätsmanagement fordert. Dies ist eine Vorschrift von vielen, die auf kostenträchtigem privatrechtlichem Wege versuchen, die zum Teil durch die "Entbürokratisierung" und den Wegfall öffentlich-rechtlicher Regeln verloren gegangene Qualitätskontrolle wieder herzustellen.
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