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Diskussion um die Überprüfung von Hallenbauwerken

(5.1.2006) Nach dem Einsturz des Dachs der Eissporthalle in Bad Reichenhall (siehe Google-Maps) am 2. Januar um 15:54 Uhr regt Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee an, bei der Bauministerkonferenz Anfang Februar über mögliche baurechtliche Konsequenzen in der den Landesbauordnungen zugrunde liegenden Musterbauordnung nachzudenken. Vor allem müsse es für die Länder darum gehen, zu prüfen, ob und welche zusätzlichen Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Standsicherheit von Gebäuden in Deutschland erforderlich sind. Die Diskussion solle unabhängig von den Ursachen des konkreten Vorfalls geführt werden.

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Tiefensee erklärt dazu: "Das tragische Unglück hat uns allen noch einmal die Bedeutung einer ausreichenden Standsicherheit von Gebäuden vor Augen geführt. Leben und Gesundheit dürfen durch Bauwerke nicht gefährdet werden. Bei der Errichtung von Gebäuden geht es ebenso wie während der Nutzungsphase um wirksame Gefahrenvorsorge. Jetzt sind die Länder am Zuge, die in den Landesbauordnungen geregelten Anforderungen an die Standsicherheit von Gebäuden und die Kontrollen bestehender Gebäude auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahren, die von erheblichen Schneelasten auf den Dächern ausgehen können, einer kritischen Überprüfung zu unterziehen."

Unglück von Bad Reichenhall offenbart potentielle Lücken bei der Sicherheit von Großbauten

"Jedes Auto wird alle zwei Jahre auf seine Verkehrssicherheit überprüft, damit keine Gefahr für die Allgemeinheit entsteht. Für Turnhallen, Konzertsäle oder Schwimmbäder besteht hingegen keine Überprüfungsverpflichtung. Das Unglück von Bad Reichenhall lehrt uns, dass wir dringend umdenken müssen", sagte Dipl.-Ing. Klaus Rollenhagen, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Beratender Ingenieure VBI, am 4.1.  in Berlin.


Der Einsturz der Eissporthalle in Bad Reichenhall sei nach derzeitigem Stand der Dinge ein Problem der Tragkonstruktion. Die Ursachen für den Einsturz lägen dabei nicht vorrangig in der Höhe der Schneelast, denn das Tragwerk sei für diese Lasten ausgelegt. Offensichtlich habe es aber Baumängel oder Schäden an der Tragkonstruktion gegeben, die durch eine fachgerechte Prüfung zu erkennen gewesen wären.

"Ein Hallendach ist von seinem Gefährdungspotenzial sicherlich vergleichbar mit einer Brücke, die per Gesetz in regelmäßigen Abständen überprüft werden muss. Aber auch Gebäudeteile wie Fahrstühle oder Treppen müssen sich regelmäßigen Kontrollen unterziehen, warum also nicht die tragende Konstruktion eines Gebäudes? Die Prüfung von mehr als 30 Jahre alten Bauwerken ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die durch ausgebildete Fachleute erfolgen muss. Alte Unterlagen müssen gesichtet und an der ein oder anderen Stelle muss die Tragkonstruktion zur Begutachtung freigelegt werden. Eine solche Begutachtung kostet Geld, das Eigentümer in Deutschland nicht gerne freiwillig in die Hand nehmen", so Rollenhagen.

Der Qualitätsstandard von Gebäuden und deren Sicherheit sei in Deutschland zwar weltweit führend, zur "Panikmache" bestehe daher kein Grund. Dennoch lehre das Unglück, dem Vorsorgeprinzip noch mehr Beachtung zu schenken. "Bad Reichenhall zeigt uns, dass Eigentümer oder Betreiber von Bauwerken mit Publikumsverkehr eine besondere Verantwortung haben. Schon jetzt sind sie verpflichtet, durch Inspektionen die Sicherheit ihrer Bauwerke zu garantieren. Wir fordern den Gesetzgeber auf, über eine Pflicht zur regelmäßigen fachlich qualifizierten Überprüfung von Bauwerken nachzudenken", sagte der VBI-Hauptgeschäftsführer.

Frage nach der Sicherheit von Gebäuden wird heutzutage von Kaufleuten und Juristen entschieden

Im "ZDF-Mittagsmagazin" sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik, Hans-Peter Andrä, die Gesetzeslage sei zwar durchaus ausreichend. Die Landesbauordnungen schrieben vor, dass während der Nutzung der Gebäude die Sicherheit gewährleistet sein müsse. Problematisch sei dabei allerdings, dass die Details und Verfahrensfragen dieser Überprüfungen nicht im Einzelnen ausgeführt seien und so im Ermessen des Betreibers lägen.


So zeigten beispielsweise auch die Einstürze der Strommasten in der Vergangenheit, dass eine fortschreitende Privatisierung zusammen mit deregulativen Maßnahmen nicht funktioniere. "Wir befinden uns zurzeit auf einem Deregulierungs- und Privatisierungstrip." Und dieser habe Folgen: "Ein dramatischer Abbau des technischen Know- Hows in den Bauverwaltungen hat dazu geführt, dass niemand mehr wirklich eingreifen kann", so Andrä. Die Frage nach der Sicherheit werde heutzutage von Kaufleuten und Juristen entschieden: "Man bewegt sich immer weiter weg von der Schadensprävention zur Schadensregulierung und beschäftigt lieber im Nachgang Gerichte und Versicherungen."

DAI für angemessene Reaktionen

"Der pauschale Ruf nach mehr Kontrollen aufgrund des eingestürzten Dachtragwerks der Eislauf- und Schwimmhalle von Bad Reichenhall sei emotional verständlich" - so der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine (DAI), "würde aber in der vorschnell geforderten Durchführung in erster Linie einer weiteren Bau-Bürokratisierung in Deutschland Vorschub leisten." Öffentlich genutzte Gebäude benötigen auch nach Ansicht des DAI "unzweifelhaft ein Höchstmaß an Sicherheit." Dazu gehöre auch eine Überprüfung von evtl. ungeeigneten Planungsabläufen, Arbeitsmethoden, Kontrollmaßnahmen und ggf. Konstruktionsprinzipien erfolgen. Insbesondere seien Fragen nach geeigneten Baumaterialien zu erörtern.

Es erscheint durchaus sinnvoll, bei "anfälligeren" Materialien, Bauarten und Konstruktionen zusätzliche Kontrollen vorzusehen. Insbesondere bei Gebäuden mit hohem geplanten Lebenszyklus müssten Kontrollintervalle individuell festgelegt werden. Fraglich wäre zudem, ob in besonderen Feuchtebereichen wie Schwimmbädern, Großküchen o.ä. Holz- bzw. bei Chloridbelastungen Stahlkonstruktionen geeignet seien. Wenn kein uneingeschränktes Ja möglich sei, müsse festgelegt werden, wie deren Schutz auszusehen habe. Im Zweifel allerdings solle ohne Wenn und Aber gleich eine sichere, von Kontrollen weitestgehend autonome Konstruktion gewählt werden. Auf diese Weise könne der Bauherr die Kosten steuern. Bei permanenten Kontrollen über die Lebenszeit eines Gebäudes und möglicherweise Kontrollen der Kontrolle ist das nicht mehr möglich.

"Ein flächendeckendes Kontroll- und Prüfungssystem, das über Nacht aus dem Boden gestampft, per Gesetz und Verordnung umgesetzt sowie mit hohem Aufwand überwacht wird, wäre allerdings im Kontext des Geschehens ein Zeugnis der Hilflosigkeit, weil es das Gewissen beruhigt, aber die Ursache vermutlich nicht bekämpft," analysiert Dipl.-Ing. Gerd Schnitzspahn, Büroinhaber aus Bondorf bei Stuttgart und Vizepräsident des DAI.

In Deutschland sei durch eine Vielzahl von Prüfungsverfahren in der Planungs- und Bauphase bei Statik und Standsicherheit ein so hohes Maß an Sicherung gegeben, dass angesichts der zusätzlich vorgeschriebenen rechnerischen Sicherheiten für Material und Lasten diese nicht noch einmal erhöht werden müßten. "Die Bad Reichenhaller Dachkonstruktion ist ganz sicher nicht wegen der scheinbar schweren Dachlasten eingestürzt. In 'gesundem Zustand' hätte sie leicht noch mehr getragen. Vielmehr war sie durch andere Einflüsse und Mängel offenbar bereits stark vorgeschädigt," ist sich Schnitzspahn noch vor dem Abschluß der Untersuchungen sicher.

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