Bauforschung: „Lebensdauerorientierte Entwurfskonzepte“
(19.4.2009; upgedatet am 25.9.2015) Ob Eissporthallen (Stichwort Bad Reichenhall), Brücken oder Gebäude - immer wieder stürzen plötzlich Bauwerke ein. Sind solche Katastrophen überhaupt vermeidbar? „Ja, aber“, sagt Prof. Dr. Friedhelm Stangenberg, über zwölf Jahre hinweg Sprecher des Sonderforschungsbereichs 398. Denn auch ein Prüfingenieur kann nur die Schäden beurteilen, die er wahrnimmt. Ideal wäre es deshalb, wenn sich der „Gesundheitszustand“ eines Bauwerks regelmäßig abrufen ließe. Dafür wollen die SFB-Ingenieure mit einem realistischen Lebensdauermodell nun die Grundlagen geschaffen haben. Ob die simulierte Alterung dem tatsächlichen Alterungszustand entspricht, überprüfen sie derzeit an Referenzbauwerken - etwa beim Abbau der fünfzig Jahre alten Hünxer Kanalbrücke (siehe Google-Maps; die alte Brücke wurde schließlich 2011 abgerissen).
Lebensdauer und Monitoring
Ziel des Sonderforschungsbereichs (SFB) 398 ist eine Präventivstrategie, mit der sich die Lebens- und damit Nutzungsdauer eines Bauwerks bereits in der Planungsphase - also beim Entwurf - berücksichtigen lässt. Dafür sollen die Ergebnisse des SFB in Normen und in Regelwerke fließen - das entsprechende europäische Regelwerk (Euro-Code) sieht bereits Platzhalter für die noch fehlenden Normungen vor. „Es ist ein Instrument für die Bauwerksplaner, die dann wissen, wie viel Sicherheit sie quasi an den Anfang packen müssen“, sagt Stangenberg.
Die Ansprüche an die Lebensdauer eines Bauwerks können letztlich ganz unterschiedlich sein und reichen von 1 Jahr (Temporäre Bauten) bis zu über 150 Jahre (Staumauern). Lebensdauermodelle unterstützen aber auch das Monitoring, mit dem sich Alterungsvorgänge über die gesamte Lebensdauer verfolgen lassen.
Rechenexempel Lebensdauerabschätzung
Die in Bochum entwickelte Lebensdauerabschätzung bildet das
gesamte Tragwerk in einem Strukturmodell ab, das auch Unsicherheiten in den
Alternde Brücken: von der "Geburt" bis zum Abbau
Die Simulation startet quasi bei Geburt der Brücke und endet mit ihrem Abbau. Doch was ist ein theoretisches Konzept ohne realitätsnahe Prüfung und Erprobung wert? Je besser die Simulation den wirklichen Zustand einer Brücke beim Abbau prognostiziert, desto realistischer ist auch das Modell. Mit der Hünxer Brücke stand den Ingenieuren ein erstes Referenzbauwerk zur Verfügung, anhand dessen sich der simulierte Endzustand mit den tatsächlichen Alterungsschäden vergleichen und das Modell optimieren ließ. Dabei führten die Ingenieure zahlreiche Simulationen durch, d.h. einzelne Schätzungen der Lebensdauer des Tragwerks unter definierten Bedingungen. Erst aus der Gesamtheit aller Simulationen berechnen sie einen Erwartungswert der Lebensdauer und seine Streuung.
Zunehmend belastet: von der Dampfwalze zum Gigaliner
Das anhand einer Straßenbrücke aus Stahlbeton/Spannbeton dargestellte Modell zur Lebensdauerprognose (Bsp. Tragwerksversagen) ist auf vielfältige Kriterien und Bauwerke anwendbar. Weil auf Brückenbauwerke in den kommenden Jahren zunehmend höhere Lasten „zurollen“ werden, gewinnt eine realitätsnahe Lebensdauerabschätzung in diesem Bereich besondere Bedeutung. Stellte in den 50er Jahren noch die schwere Dampfwalze den "worst case" für eine Brücke dar, so geht es heute um eine immer größer werdende Zahl von Schwer- und Sondertransporten bis hin zu der aktuell diskutierten Zulassung von Gigalinern auf unseren Verkehrswegen.
siehe auch für weitere Informationen:
- Wissenschaftsmagazin RUBIN Sonderforschungsbereich 398
- Fakultät für Bau- und Umweltingenieurwesen der Ruhr- Universität
- Forschungsprojekt MOBEKO: Die Lebensdauer von (Stahl-)Konstruktionen verlängern (10.2.2023)
- Forschungsprojekt: Mikrorisse im Beton mittels Schallemissionsanalyse aufspüren (19.4.2012)
- Schneelastwächter von Roofguards wiegt den Schnee bevor er Alarm schlägt (23.1.2012)
- Bericht von der Beton-Insta 2011 (23.10.2011)
- Betonreparaturmörtel für Sichtbeton, statisch beanspruchte Bauteile im Hochbau und Kunst am Bau (8.7.2011)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Titanium rettet Wahrzeichen Venedigs vor dem Verfall (28.12.2008)
- Sächsisches Textilforschungsinstitut entwickelt Geotextilien zur Deichüberwachung (5.2.2008)
- FreD misst Tragsicherheit von Bauwerken (4.10.2007)
- Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure fordert schärfere Kontrollen (30.9.2007)
- TÜV: Niederschläge und mangelnder Unterhalt gefährden Standsicherheit von Hallen (20.7.2007)
- Statik Control warnt bei einsturzgefährdeten Dächern (12.1.2007)
- Wenn Bauwerke in die Jahre kommen (22.2.2006)
- Bauwerke durch Klimaveränderung in Gefahr? (22.2.2006)
- Stuttgarter Wissenschaftler entwickeln Sensorsysteme zur Überwachung von Bauwerken (13.1.2006)
- Tragfähigkeit erhöhen, Ingenieurbauwerke erhalten (6.10.2005)
- Prüfingenieure: "Immer mehr Pfusch am Bau" (29.9.2005)
- Leise rieselt der Beton - Brückenexperten von DEKRA schlagen Alarm (7.10.2004)
- "preisgünstige" Brückensanierung mit vorgespannten CFK-Lamellen (22.9.2004)
- Forschung: Lebensdauer von Stahlbeton-Bauwerken lässt sich vorhersagen (10.9.2004)
- Verfahren zur Schadenfrüherkennung (1.2.2002)
- Sicherheitsstandard bei Bauwerken sinkt dramatisch (25.9.2001)
siehe zudem:
- Bauforschung, Betonbau, Ingenieurbau, Rohbau und Ingenieurkammern auf Baulinks
- Literatur / Bücher zum Thema Betonbau bei Amazon