Prüfingenieure: "Immer mehr Pfusch am Bau"
(29.9.2005) Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure hat während ihrer Jahrestagung in Fulda auf eine dramatische Zunahme des Pfuschs am Bau hingewiesen und ein Ende der "Deregulierungs- und Privatisierungswahns" in Deutschland gefordert. Nach Einschätzung der Prüfingenieure nahm allein im Neubau die Zahl der Mängel in den letzten fünf Jahren um mindestens zehn Prozent zu. Die Hauptursachen dafür seien unzureichende Kontrollen und ein enormer Kostendruck in der Baubranche, erklärte Präsident Dr. Ing. Hans-Peter Andrä. Schlagworte wie "schlanker Staat" seien kein Allheilmittel aus dem Dilemma der Staatsverschuldung und des Investitionsstaus. Privatisierung verlange nicht weniger, sondern mehr Regulierung.

Überflüssige bauliche Vorschriften über Bord zu werfen, müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass man sämtliche bewährten Verfahren mit der Rasenmäher-Methode bearbeiten muss. Andrä warf den Politikern vor, konzeptionslos die Bau- und Bauordnungsverwaltungen und das Bauordnungsrecht zu opfern und das im Ausland anerkannte Know-how und den technischen Qualitätsstandard aufs Spiel zu setzen. Baumängel führten nicht nur zu höheren Kosten sondern auch zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Ingenieurwesens im internationalen Vergleich.
"Wo früher verantwortungsbewusst handelnde Experten entschieden, ob Baumängel vorliegen oder nicht, werden wir heute immer häufiger von einer Flut von Normen überschüttet, als ob sich angewandte Naturwissenschaft in juristischen Paragrafen ausdrücken ließe, deren Anwendung keinen technischen Sachverstand mehr nötig macht, kritisierte Dr. Andra
Deutschland habe die weltweit am besten aus- und weitergebildeten Ingenieure. Während die bautechnische Prüfung mit dem Vier-Augen-Prinzip hierzulande ein Auslaufmodell zu sein scheine, orientierten sich gleichzeitig immer mehr andere Länder am deutschen Modell. Denn im Vergleich zu anderen Ländern habe es in Deutschland bislang erheblich weniger Schadensfälle gegeben.
Sinn der bautechnischen Prüfung ist es, komplizierte Bauvorhaben bereits vor der Planung an in allen wesentlichen Bauphasen von einem unabhängigen Sachverständigen begleiten zu lassen. Nicht von der Größe eines Gebäudes, sondern allein vom Schwierigkeitsgrad der Statik müsse es abhängen, ob ein Projekt nach dem Vier-Augen-Prinzip überwacht werden muss oder nicht.
zur Erinnerung: Das "Vier-Augen-Prinzip" besagt, dass wichtige Entscheidungen (z.B. Prüfungsentscheidungen) nicht von einer Person allein, sondern wenigstens von zwei Personen getroffen werden sollen bzw. müssen.
siehe auch:
- Zerstörungsfreies Prüfverfahren zfP von Stahl- oder Spannbeton-Bauwerken (26.4.2009)
- Bauforschung: „Lebensdauerorientierte Entwurfskonzepte“ (19.4.2009)
- FreD ermittelt Tragsicherheit, Tragreserve und Bausubstanz von Bauwerken (4.10.2007)
- Die Bundesvereinigung der Prüfingenieure fordert schärfere Kontrollen (30.9.2007)
- TÜV: Niederschläge und mangelnder Unterhalt gefährden Standsicherheit von Hallen (20.7.2007)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
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- VPB kritisiert skandalöse Bauverträge und überzogene Zahlungspläne (19.4.2005)
- VPB rät: Zur Bauabnahme Sachverständigen hinzuziehen (14.10.2004)
- Baumängel mit professioneller Hilfe präventiv vermeiden (16.1.2004)
- Mogelpackung Musterhaus? (18.7.2003)
- Pfusch am Bau: Was ist hinzunehmen; was kann eingeklagt werden?(mit einer Muster-Baubeschreibung zum Downloaden; 25.6.2003)