Private Bausparkassen: Verunsicherung der Bundesbürger beenden
- Europa zeigt: Wohnungsbau für Wirtschaftswachstum wichtig
(22.7.2004) Mit der von der Bundesregierung zum wiederholten Mal angezettelten Diskussion um die Abschaffung der Eigenheimzulage wird durch das Vorziehen von Bauanträgen wahrscheinlich auch in diesem Jahr wieder ein Strohfeuereffekt verursacht, dem ein entsprechender Einbruch im Wohnungsneubau folgen wird. Für eine nachhaltige konjunkturelle Wende im Wohnungsneubau, speziell im Eigenheimbau, fehlt mit solchen wohnungspolitischen Wechselbädern die stabile Voraussetzung ebenso, wie die Basis für die notwendige Planungssicherheit der Bundesbürger. Selbstgenutztes Wohneigentum als die akzeptierteste, sicherste und effizienteste Form der privaten Altersvorsorge wird damit diskriminiert. Diese Kritik äußerte der Verband der Privaten Bausparkassen anläßlich seiner Jahrespressekonferenz heute in Berlin.
Andreas J. Zehnder, Hauptgeschäftsführer des Verbandes: "Zum Thema Subventionsabbau gibt es eine klare Beschlußlage von Bundestag und Bundesrat vom Dezember 2003. Die Bundesbürger hätten eigentlich davon ausgehen können, dass damit wieder Klarheit und Berechenbarkeit der Förderbedingungen - zumindest bis 2006 - geschaffen worden sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Halbwertzeit von Gesetzesänderungen und von politischer Verläßlichkeit erreicht nicht einmal mehr ein halbes Jahr. Solche Vorgänge sind es, die zu der aktuellen Stimmungslage und zur wachsenden Politikverdrossenheit der Bundesbürger geführt haben."
Die Bedeutung der Wohnungswirtschaft für die bauwirtschaftliche und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung werde von Kreisen der Politik offensichtlich weiterhin verkannt oder - gegen besseres Wissen - ignoriert. Bei einem "Strategiedialog Bau" von Bundeswirtschaftsminister Clement und Bundesverkehrs- und Bauminister Stolpe mit der Bauwirtschaft und der Baugewerkschaft vor wenigen Tagen sei insbesondere das unverändert hohe Investitionsniveau für Verkehrswege in Höhe von rd. 10 Mrd. € besonders begrüßt worden. Der Wohnungsbau habe dabei mit keinem Wort Erwähnung gefunden. Seine vergleichsweise herausragende Bedeutung ergäbe sich schon daraus, dass er mit 137 Mrd. € im vergangenen Jahr 56 Prozent des gesamten Bauvolumens in Höhe von 244,7 Mrd. € ausgemacht habe. Allein der Neubau von Eigenheimen erreiche mit einem Bauvolumen von 43,1 Mrd. € mehr als das Vierfache der Verkehrsinvestitionen des Bundes. Hinzu kämen Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen von Ein- und Zweifamilienhäusern, die noch einmal in einer ähnlichen Größenordnung lägen.
Zehnder: "Ohne Gesundung des Wohnungsbaus, der in den letzten Jahren bei den Fertigstellungen um über 50 Prozent und beim Bauvolumen um rd. ein Drittel eingebrochen ist, wird ein notwendiges Wirtschaftswachstum weiterhin nur gering und wenig fundiert ausfallen. Anders als in vielen anderen Wirtschaftsbereichen resultiert speziell der Eigenheimbau fast ausschließlich aus der Binnennachfrage. Gerade die fehlende Binnennachfrage ist aber von Politikern und Wissenschaftlern in jüngster Zeit immer wieder kritisiert worden."
Ein internationaler Vergleich, so Zehnder, mache die Bedeutung von Wohnungsbau und Wirtschaftswachstum deutlich. Deutschland sei nicht nur beim Wirtschaftswachstum Schlußlicht in Europa, sondern auch beim Wohnungsneubau. Mit 2,8 neugebauten Wohnungen je 1.000 Einwohner liege die Bundesrepublik 2003 am Ende aller europäischen Länder. Lediglich Schweden und die Slowakei wiesen mit 2,2 einen noch niedrigeren Wert auf. Die höchsten Neubauquoten verzeichneten dagegen Irland mit 16,9, Spanien mit 13,7 und - mit einigem Abstand - Portugal mit 6,5 Wohnungen je 1.000 Einwohner. Sowohl der Durchschnittswert aller westeuropäischen Länder mit 5,1 (+82 Prozent) als auch der Durchschnittswert aller europäischen Länder insgesamt mit 4,8 (+71,5 Prozent) lägen deutlich höher als die deutsche Quote.
Der Verband weist darauf hin, dass die Länder mit den höchsten Neubauquoten zugleich auch ein deutlich überproportionales Wirtschaftswachstum aufwiesen. So hätten die (nominalen) Wachstumsraten des jeweiligen Sozialproduktes in Irland bei 12 Prozent, in Spanien bei 6,5 Prozent und in Portugal bei 5 Prozent und damit an der Spitze der Europäischen Union gelegen. Während die Neubauquote im Durchschnitt der westeuropäischen Staaten seit 2000 bei etwa 5 Wohnungen je 1.000 Einwohner ebenso stagniere wie die Quote in Gesamteuropa mit rd. 4,7, sei der Neubau in Deutschland von 4,5 Wohnungen je 1.000 Einwohner im Jahre 2000 auf 2,8 Wohnungen je 1.000 Einwohner im Jahr 2003 gesunken. Im gleichen Zeitraum sei das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik (nominal) von 2,6 Prozent auf 0,9 Prozent, also auf ein knappes Drittel geschrumpft.
Zu dem starken Rückgang des Wohnungsneubaus in den letzten Jahren haben nach Ansicht des Verbandes auch Verlautbarungen von verschiedenen Instituten beigetragen, die sich bemüßigt fühlten, durchweg wenig fundierte und zudem undifferenzierte Prognosen zur weiteren Entwicklung der Wohnungsmärkte abzugeben. Schlagworte über Leerstände, Werteverfall und Investitionsruinen seien gefallen und mit dem "drastischen" Rückgang der Zahl der Bundesbürger in den nächsten 50 Jahren (!) unterlegt worden. Nach Ansicht des Verbandes sei es unbestritten, dass die Nachfrage und die Wertentwicklung von Immobilien nicht mehr so stürmisch wachsen werden, wie in der Vergangenheit. Allerdings werde bei einer Verbesserung der von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen auch die Nachfrage wieder steigen. Erst kürzlich habe das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Untersuchungen anderer wissenschaftlicher Institute noch einmal bestätigt, wonach die Zahl der Bundesbürger bis 2020 von 82,5 Mio. nur geringfügig auf 81,7 Mio. zurückgehen, die für die Wohnungsnachfrage entscheidende Zahl der Haushalte aber um über eine Mio. von 38,1 Mio. auf 39,2 Mio. steigen werde. Je nach Ausmaß der Zuwanderung als Folge der EU-Osterweiterung werde nach Ansicht von Zehnder der Bevölkerungsrückgang verlangsamt und die Zunahme der Haushalte verstärkt.
Allerdings müsse diese Entwicklung sehr differenziert gesehen werden. Die regionalen Unterschiede dürften sich noch ausweiten. In den Ballungsräumen müsse der Neubau verstärkt werden. Nicht mehr nachfragegerechter Wohnraum in den Entleerungsgebieten sollte langfristig ebenso abgerissen werden wie Wohngebäude aus den 50er und 60er Jahren, die heutigen Ansprüchen vielfach nicht mehr genügten. Zehnder: "Nicht alles, was alt ist - oder was als alt bezeichnet wird -, ist erhaltenswert. Nachfragegerechter Neubau ist oft kostengünstiger als nachträgliche Umbauten mit entsprechender Sanierung. Wenn selbst rekonstruierte Gründerzeitgebäude weder Käufer noch Mieter finden, muß das zu denken geben. Dann sind möglicherweise die Kosten und die daraus resultierenden Preise aus dem Ruder gelaufen."
Zur künftigen Einschätzung der Wohnungsbauentwicklung müsse vor allem auch zwischen selbstgenutztem Wohneigentum und dem Mietwohnungsbau bzw. dem Kapitalanleger-Wohnungsbau unterschieden werden, betont der Verband abschließend. So sei z. B. die Wertentwicklung von Immobilien für den Selbstnutzer im Unterschied zum kommerziellen Investor nur von sekundärer Bedeutung und werde überhaupt nur im Falle der Veräußerung relevant. Dagegen spiele die ersparte Miete - insbesondere im Alter - eine entscheidende Rolle für die Budgets der Wohneigentümer: Diese Mietersparnis belaufe sich bei Rentnerhaushalten in Westdeutschland auf 614 € pro Monat bzw. in Ostdeutschland auf 435 € und trage im wesentlich entscheidenderen Maße zur Altersvorsorge bei als die sog. Riester-Rente. Um so unverständlicher sei es, die Eigenheimzulage als bewährtes Förderinstrument der "vierten Säule" immer wieder in Frage zu stellen. Bekanntlich präge Wohneigentum die Entwicklung von Kindern ganz entscheidend. Von daher sei die Wohneigentumsförderung die beste Investition in die Zukunft der Kinder. Wenn Kinder wegen eines fehlenden adäquaten Umfeldes gar nicht erst geboren würden, liefen die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Investitionen in die Bildung ohnehin völlig ins Leere.
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