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5.000 Jahre wechselvolle WC-Geschichte

(6.12.2006) Das „stille“ Örtchen brauchen wir alle und besuchen es regelmäßig - und zwar am liebsten alleine und unbemerkt. Denn trotz aller Freizügigkeit und Offenheit im Umgang mit dem menschlichen Körper ist die Toilette immer noch ein absoluter Intimbereich und ein regelrechtes Tabu-Thema. Nur wenige Mutige, wie der Star-Regisseur Quentin Tarantino oder der Ausnahme-Fotograf Helmut Newton wagten es, Hollywoodgrößen wie John Travolta oder provokant gestylte Frauen bei der (vermeintlichen) WC-Benutzung zu zeigen. Ansonsten bleibt das WC fremden Blicken verschlossen. Dass das nicht immer so war, zeigt ein Blick in die Geschichte des WCs.

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Wer muß hier noch "müssen"?

Erste Toiletten- und Abwassersysteme in der Antike

Ob es nun 4.000 oder 5.000 Jahre her ist, und ob es die Inder, die Chinesen oder die Sumerer waren, die die erste Toilette mit Wasserspülung besaßen, diese Fragen werden gerne diskutiert und über ihre Beantwortung sollen die Experten entscheiden. Sicher ist wohl, dass die Griechen bereits um 2.500 v. Chr. Toiletten und Abwassersysteme besaßen, die rund 1.000 Jahre später von den Römern übernommen und weiterentwickelt wurden. So war die Cloaca Maxima, die Entwässerungsanlage des antiken Roms, bis zu 3 m breit und mehr als 4 m hoch. Viele private Häuser und alle Staatsgebäude waren an diese Abwasserleitung, die in den Tiber mündete, angeschlossen. Außerdem errichteten die Römer Latrinen, deren Benutzung allerdings den Reichen vorbehalten war. Nicht alleine, sondern in geselliger Runde wurden hier große und kleine Geschäfte besprochen und erledigt. Zum Säubern dienten Wolle, Stofffetzen oder Schwämmchen, die in einen Eimer mit Salzwasser getaucht wurden

Abtritt-Erker und „Grubenräumer“: Der Toiletten-Tiefpunkt im Mittelalter

Mit dem Untergang des römischen Reiches ging allerdings auch diese zivilisierte Form von früher Sanitärkultur zu Ende, und es folgte in ganz Mitteleuropa eine düstere Zeit in Sachen Körperhygiene: Das Mittelalter stank im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel, denn wassergespülte Toiletten und entsprechende Abwasseranlagen waren unbekannt. Stattdessen erledigte man seine Notdurft entweder im Freien oder kippte die Fäkalien einfach in die Rinnsteine. Toiletten in Form von Nischen und sogenannte Abtritt-Erker waren eher selten, häufig führten einfach Bodenöffnungen ins Freie. Im 15. Jahrhundert wurde in London die erste öffentliche Toilette errichtet, in der fast 130 Menschen gleichzeitig Platz fanden. So genannte „Grubenräumer“ schaufelten die Exkremente auf Felder, in Senkgruben, Bäche und Flüsse. Die Folge waren schwere Krankheiten, Epidemien und Seuchen, die viele Todesopfer forderten.

Das „Water Closet“ der Neuzeit

Mit der frühen Neuzeit kam endlich Licht in's Dunkel der WC-Geschichte: Ende des 16. Jahrhunderts erfand der englische Dichter Sir John Harington das erste „moderne“ Wasserklosett, und zwar im Auftrag seiner berühmten Tante Königin Elisabeth I. Die Erfindung wurde jedoch von seinen Landsleuten als schlechter Scherz belächelt, und trotz eines Buches mit genauer Bauanleitung geriet das erste Wasserklosett der Neuzeit auch wieder in Vergessenheit. Erst rund 200 Jahre später, 1775, entwickelte der englische Erfinder Alexander Cummings ein Wasserklosett mit dem bis heute gebräuchlichen, S-förmigen Abflussrohr. England wurde im 19. Jahrhundert zu einer regelrechten Hochburg in Sachen „Water Closet“.

Die Demokratisierung der Hygiene in Deutschland

Den Zusammenhang von Hygiene und Gesundheit erkannten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts Wissenschaftler wie Louis Pasteur, der Bakterien und Krankheitserreger erforschte. Die Folge war eine stärkere Forderung nach Hygiene. Hier trat der Keramikproduzent Villeroy & Boch auf den Plan. Mit seinen leicht und gründlich zu reinigenden Fliesen wurden seit 1870 öffentliche Badeanstalten, Privatbäder und Krankenhäuser eingerichtet. Waschgarnituren gehörten seit Jahrzehnten zu seinem Angebot; Sonderanfertigungen gingen an Kaiser und Könige wie Wilhelm I. oder Märchenkönig Ludwig II.

Als Keramikspezialist erkannte das Unternehmen das große Marktpotenzial, das im gesamten Sanitärbereich mit Bad, Waschbecken, WC und Fliesen steckte. 1871 wird in den Verkaufsunterlagen ein kleines Sortiment an Urinalen und WCs aus den Werken von Mettlach und Dresden angeboten. Durch die Entwicklung neuer Fertigungsmethoden wie dem Schlickergießverfahren und neuer Materialien wird eine industrielle Produktion möglich. Eine bedeutende Rolle spielte die Material-Innovation des sogenannten "Feuertons", der sich im Gegensatz zu herkömmlichem Steingut beim Brennen kaum noch verzieht. Mit ihm gelang Villeroy & Boch 1899 die Fertigung großer Stückzahlen von Sanitärware, so dass sie jetzt für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich wurde.

„Geschirre für Gesundheitspflege“

Welch engen Zusammenhang man zwischen Sanitärprodukten und Gesundheit sah, bezeugt die damalige Produktbezeichnung „Geschirre für Gesundheitspflege“. Die Demokratisierung der Hygiene war eingeleitet. Das allgemeine Bewusstsein für Hygiene und den Komfort von Bad und Toilette war geschaffen, und doch besaß noch um 1950 der größte Teil der Wohnungen kein WC und allenfalls nur einen Waschraum. Das WC war vielfach im Garten, im Keller oder in ländlichen Regionen auch im Stall angebracht. Der gute alte Nachttopf aus Keramik leistete indes immer noch seinen Dienst und stand im Schlafzimmer unter dem Bett. Dies änderte sich im Wirtschaftswunderland Deutschland erst in den sechziger Jahren mit aus heutiger Sicht eher bescheidenen Produkten.

Toilettenkomfort von heute

Die Bedarfsdeckung zog sich noch weit bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Allmählich aber genügte jene nüchterne Funktionalität den Ansprüchen der Konsumenten nicht mehr. Es galt, das Bad als Wohnraum und als Ort der Regeneration neu zu entdecken. Luigi Colani, das Enfant Terrible der Designszene, machte den ersten Schritt mit einem revolutionären Badkonzept, das er 1975 für Villeroy & Boch entwarf. Zum ersten Mal in der Branche wurde ein Designer beauftragt, sich mit den Produkten des Bades und so auch mit dem WC zu befassen. Colani stellte die Bedürfnisse des Menschen in den Vordergrund und designte die Sanitärprodukte nach Maßstäben der Ergonomie. Die Toilette war für ihn in diesem Zusammenhang ein bedeutendes Element, denn gerade hier hielt er Bequemlichkeit und Entspannung für einen wichtigen Faktor und schuf weiche, körperangepasste Formen.

Heute hat der Konsument eine breite Wahl an Formen, Farben und zusätzlichem Komfort. Ob er oder sie eine bodenstehende oder wandhängende WC-Variante bevorzugt, hängt von den räumlichen Gegebenheiten und den persönlichen Einrichtungsvorstellungen ab. Darüber hinaus: Kombinationen aus WC und Spülkasten oder Vorwandinstallationen, hinter der die Spüleinrichtung verschwindet. Hinzu kommen die Alternativen: Flachspülklosett mit keramischer Stufe oder Tiefspülklosett mit direktem Zugang ins Siphonwasser.

Mehr Toilettenkomfort durch Innovationen

In den letzten Jahren sind gerade für den Komfort im Badezimmer, im besonderen das WC eine Reihe von Innovationen entstanden. So haben sich die Designer und Techniker vor allem mit der immer knapper werdenden Ressource Wasser befasst. Statt einer Wasserspülung mit neun Liter werden heute Spülungen von sechs bis drei Liter angeboten. Diesen ökologischen Aspekt greifen Keramikoberflächen auf, die durch ihre enorme Pflegeleichtigkeit Wasser wie auch Reinigungsmittel sparen helfen. Eine noch höhere Hygiene der Sanitärgegenstände wird mit antibakteriellen Glasuren erreicht, die das Wachstum von Bakterien wirksam verhindert. Allein in Deutschland müssen sich über 10 Mio. Haushalte mehrere Personen ein WC teilen. Neue Dimension des Badkomforts eröffnen beispielsweise auch Dusch-WCs, die in Japan fast schon zum Standard gehören (siehe auch Beitrag vom 15.3.2006), oder das PurAir WC mit einer integrierten Technologie gegen lästige Gerüche (siehe auch Beitrag vom 18.3.2005).

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