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Gutachten zur Erbschaftsteuerreform: Immobilienwirtschaft wird verfassungswidrig diskriminiert

(12.5.2008) Wohnungs- und Immobilienunternehmen von der erbschaftsteuerlichen Verschonung auszunehmen, verstößt gegen den Gleichheitssatz. Das geht aus einem am 6. Mai 2008 in Berlin vorgestellten Gutachten von Professor Dr. Joachim Lang, Ordinarius für Steuerrecht an der Universität Köln, hervor, das im Auftrag des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e.V. (BFW) erstellt wurde. Die Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung bei Wohnungsunternehmen sei wesentlich intensiver ausgeprägt als bei anderen gewerblichen Unternehmen, die erbschaftsteuerlich verschont werden. Außerdem bemängelt das Gutachten die Bewertungssätze für Immobilien, die Belastung der Doppelbesteuerung durch Erbschaft- und Einkommensteuer und stellt darüber hinaus den grundsätzlichen Gewinn des neuen Gesetzes für Deutschland als Wirtschaftsstandort im Rahmen des globalen Wettbewerbs in Frage.

"Das Gutachten stützt damit die Hauptkritikpunkte unseres Verbandes", so der BFW-Vorsitzende Walter Rasch anlässlich der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. "Mit der geplanten Erbschaftsteuerreform droht der mittelständischen Immobilienwirtschaft der Ausverkauf. Unser Verband rechnet mit Mehrbelastungen von bis zu 300 Prozent. Es ist nicht zu erklären, welcher Unterschied zwischen einer Immobiliengesellschaft und einer Autovermietung besteht. Die Autovermietung ist nach erbschaftsteuerlichem Ansatz steuerbefreit, ein Wohnungsunternehmen nicht", so Rasch weiter.

Dies wird nun auch aus wissenschaftlicher Sicht von Professor Dr. Joachim Lang bestätigt. "Das Wohnen gehört zu den wesentlichen Existenzgrundlagen eines Menschen. Das Mietrecht und vor allem der Mieterschutz erzeugt besondere rechtliche Bindungen, die sonst gegenüber Kunden eines gewerblichen Unternehmens nicht bestehen", erläutert Lang, warum es nicht zu rechtfertigen sei, dass Immobilienunternehmen von der Verschonung ausgenommen werden.

Die Allgemeinheit müsse Interesse daran haben, dass große Wohnungsbestände nicht von kurzfristig orientierten Investoren übernommen werden, die Immobilien allein als geschäftliche Investition betrachten und sozialen Aspekten gleichgültig gegenüberstehen. Traditionelle private Wohnungsunternehmen in Deutschland pflegten ihre soziale Verantwortung für das Wohnen. Sie sähen sich durch den Ausschluss von der erbschaftsteuerlichen Verschonung aus der Verantwortung für das Gemeinwohl entlassen. "Es ist zu befürchten, dass infolge der Erbschaftsteuerlast viele private Wohnungsunternehmen notgedrungen Wohnungen in großem Umfang an kurz- und mittelfristig orientierte Investoren veräußern müssen. Die sozialen Bedingungen des Wohnungsmarktes würden sich dramatisch verschlechtern", so Prof. Dr. Lang.

"Die Immobilienwirtschaft setzt genauso wie die Autoindustrie zehn bis 20 Prozent ihrer Umsätze, sprich Mieterlöse, für Investitionen ein - so beispielsweise für den Einsatz von erneuerbaren Energien in Wohngebäuden und die Umrüstung von Immobilien zum altersgerechtem Wohnen. Darüber hinaus hat die Branche eine hohe Arbeitsplatzrelevanz. Etwa zehn Prozent der Mieteinnahmen werden von den Unternehmen in ihr Personal investiert", erläutert der BFW-Vorsitzende Walter Rasch die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Branche.

Immobilien werden künftig näher am Verkehrswert und damit wesentlich höher bewertet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat eingestanden, dass der Marktwert nicht absolut sicher zu ermitteln sei. Eine "Streubreite" von plus/minus 20 Prozent des Marktwerts sei gleichheitsrechtlich noch vertretbar. Die Erben von Immobilien würden dadurch benachteiligt, dass die Streubreite bei anderen Bewertungsgegenständen noch wesentlich größer ist, etwa bei der Bewertung von Unternehmen, wo die Stellschrauben der komplizierten Bewertungsverfahren sehr unterschiedliche Erbschaftsteuern bewirken können. Zu dem Wert von Kunstgegenständen habe die Finanzverwaltung häufig überhaupt keinen Zugang. Die Höhe der Erbschaftsteuer hänge oft von dem Geschick und der Qualität der Berater, Bewerter und der Gutachter ab. Neben dem Geldvermögen seien Immobilien dadurch benachteiligt, dass ihre Werte am wenigsten versteckt werden können.

Mit der Erbschaftsteuerreform sei für eine lediglich graduelle Verbesserung der Streubreitengleichheit ein hoher Preis zu zahlen. Die Anwendung der komplizierten Vorschriften sei mit einem enormen bürokratischen Aufwand für Bürger und Staat verbunden. Die Streitanfälligkeit des neuen Erbschaftsteuerrechts würde auch die Finanzgerichte erheblich belasten. Der einsame Weltrekord der Steuerprozesse, den Deutschland hält, würde weiter ausgebaut.

Das neue Erbschaftsteuerrecht erhöhe die Gefahr verfassungswidrig zu hoher, mit der Erbrechtsgarantie unvereinbarer Steuerbelastungen. In den Fällen, in denen Erben Immobilien und Unternehmensteile verkaufen müssten, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können, schöpfe die kumulierte Erbschaft- und Ertragsteuerlast nicht selten mehr als siebzig Prozent des geerbten Vermögens ab. Die gesamte Steuerbelastung könne sogar mehr als die Erbschaft aufzehren.

Schließlich stellt Prof. Dr. Joachim Lang die Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich im Ganzen in Frage. Das bescheidene Steueraufkommen von vier Mrd. Euro würde durch unverhältnismäßig hohe Kosten für Verwaltung und Gerichtsbarkeit reduziert. Sodann würden die ertragsteuerlichen Aufkommensminderungen infolge Kapitalflucht und Abwanderung von Unternehmen die Erbschaftsteuer zum Fiskalverlust machen. Dabei wirke sich besonders die künftige Erbschaftsteuerfreiheit Österreichs aus.

Prof. Dr. Lang empfiehlt die Integration der Erbschaftsteuer in die Einkommensteuer, die sehr viel umverteilungseffizienter sei als die Erbschaftsteuer mit einem Anteil am gesamten Steueraufkommen von weniger als einem Prozent.

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