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Insolvenz am Bau: Kehrtwende bei Rechtsprechung?

(17.7.2016) Eine kürzlich ergangene Entscheidung (VII ZR 56/15) des Bundesgerichts­hofes (BGH) könnte vermuten lassen, dass die Kündigungsrechte des Auftraggebers eines VOB/B-Werkvertrages bei Insolvenz des Auftragnehmers gestärkt worden seien. Bereits die ersten Leitsätze des Urteils verleiten zu dem Schluss, dass sich der Auf­traggeber bei Insolvenzantragstellung oder -eröffnung sorglos eines Vertrages mit dem insolventen Auftragnehmer entledigen könne. „Dass das mitnichten der Fall ist, wird erst bei näherer Betrachtung der Urteilsbegründung offenbar“, mahnt Rechtsan­wältin Kathrin Heerdt, Mitglied im Vorstand der ARGE Baurecht, und warnt vor einer „Kündigungseuphorie“.

Der Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht zufolge stellt der BGH darauf ab, dass es dem Auftraggeber im Falle des Eigeninsolvenzantrages des Auftragnehmers nicht zuzumuten sei, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die sich anschließende Ent­scheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvertrages abzuwarten - was sich über Monate hinziehen kann.

Privilegierte Kündigung nur bei Eigeninsolvenzantrag

Das Insolvenzverfahren ist ein so genanntes Antragsverfahren, das lediglich auf An­trag des Schuldners selbst oder eines seiner Gläubiger eröffnet wird. Vor der Insol­venz­eröffnung prüft ein gerichtlich bestellter Gutachter oder vorläufiger Insolvenz­verwalter, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Dazu gehören die drohende oder eingetre­tene Zahlungsunfähigkeit oder, bei juristischen Personen, die Überschuldung. Der Gut­achter oder vorläufige Verwalter hat Einblick in die Informationen des Insolvenzgerich­tes und weiß daher, ob der Insolvenzantrag durch einen Gläubiger oder den Schuldner selbst gestellt wurde.

Für Dritte, etwa die Vertragspartner des insolvenzbetroffenen Auftragnehmers, sind diese Informationen in amtlich bestätigter Form nicht zugänglich. Auskünfte, die direkt vom betroffenen Auftragnehmer kommen, sind keine verlässliche Quelle. „Es ist aber von entscheidender Bedeutung, ob der Auftragnehmer selbst den Antrag gestellt hat. Nur dann steht dem Auftraggeber das Recht auf eine privilegierte Kündigung zu, die ihn zur Einstellung weiterer Zahlungen berechtigt“, so Heerdt.

Zeitliche Nähe zwischen Eigen- und Fremdantrag

Hat der Auftragnehmer selbst einen Insolvenzantrag gestellt, so kann hieraus keines­wegs sicher geschlossen werden, dass nicht von einem Dritten zuvor auch ein Insol­venzantrag gegen ihn ausgebracht wurde. Beispielsweise kann eine Krankenkasse aufgrund rückständiger Beiträge einen Insolvenzantrag stellen und kurz darauf reicht der Auftragnehmer seinerseits einen Antrag auf Insolvenz aufgrund seiner angespann­ten Liquiditätslage ein. „So oder so ähnlich kommt es in der Praxis nicht selten vor“, sagt Heerdt. In einem solchen Fall kann einige Zeit vergehen, bis der Auftragnehmer selbst überhaupt von dem von dritter Seite gestellten Antrag erfährt. „Lässt sich das Insolvenzantragsverfahren auf Eigenantrag nicht belegen und stellt sich heraus, dass das Verfahren aufgrund zeitlich vorausgehendem Fremdantrag eingeleitet wurde, ver­mittelt die Entscheidung keine (Kündigungs-) Sicherheit“, unterstreicht Heerdt.

Außerordentliche Kündigungsgründe schaffen

Inwieweit eine Kündigung auch im Fall des Fremdantrages privilegiert ist und somit auch für die Einstellung von Zahlungen gilt, lässt sich der Begründung des Urteils nicht entnehmen. Auftraggeber, die im Insolvenzantragsverfahren kündigen wollen, sollten zusätzlich zu ihrem insolvenzbedingten Kündigungsrecht auch für die Kündigungsgrün­de gemäß §8 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B sorgen. „Dazu gehört es, den Auftragnehmer etwa zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung aufzufordern oder in Verzug zu setzen und die Kündigung nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist auf einen weiteren außer­ordentlichen Kündigungsgrund zu stützen“, empfiehlt Heerdt.

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