Wirk-Prinzip-Prüfung für sicherheitstechnische Gebäudeausrüstungen
(5.3.2025) Wie lässt sich das reibungslose Zusammenspiel technischer und sicherheitstechnischer Gebäudeausrüstungen zuverlässig gewährleisten? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang wiederkehrende Prüfungen? Hiermit befasst sich der Fachbeitrag von Alexander Knaus, Leiter Geschäftsfeld Real Estate Elektro- und Gebäudetechnik, TÜV Hessen.
Der Zweck von sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen wie Brandmelde- und Feuerlöschanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen oder Not- und Sicherheitsbeleuchtung besteht darin, Menschen, Sachwerte und die Umwelt vor Gefahren zu schützen. Sie kommen unter anderem in Industrieanlagen, öffentlichen Gebäuden und Sonderbauten zum Einsatz und spielen für kritische Infrastrukturen eine große Rolle. Sicherheitsfunktionen für den Stör- oder Notfall werden in der Regel von verschiedenen Anlagen übernommen, die konzertiert zusammen funktionieren müssen: Meldet die Brandmeldeanlage einen Brand, muss ihn z.B. die Löschanlage löschen und die Rauchabzugsanlage die Rettungswege rauchfrei halten.
Sicherheitstechnische Anlagen sind für bestimmte Arten von Gebäuden baurechtlich vorgeschrieben und müssen regelmäßig überprüft werden, um ihre Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Dazu regeln Prüfverordnungen in den Bundesländern die Prüfpflichten. Nun wird jedes Gewerk wie Brandmeldeanlage, Lüftung, Sicherheitsbeleuchtung oder Feuerlöschanlage separat geprüft. Damit wird das funktionierende Zusammenspiel der Gewerke im Notfall jedoch noch nicht nachgewiesen. Die Praxis hat gezeigt, dass die Aussagekraft dieser Anlagenprüfungen begrenzt ist, da hier immer nur bis zur Schnittstelle geprüft wird. Doch auch, wenn das notwendige Signal gesendet wurde und bei der nächsten Anlage ankommt, ist nicht per se sichergestellt, dass die erforderliche Sicherheitsfunktion gegeben ist. Löscht z.B. die Löschanlage bei einer Brandmeldung unzureichend oder sogar den falschen Bereich, kam das Signal durchaus an, aber es lag ein Schnittstellen- oder Verarbeitungsfehler vor.
Übergeordnete Prüfung des Zusammenwirkens
In Hessen wurde deswegen mit der Einführung der technischen Prüfverordnung im Jahr 2021 die Wirk-Prinzip-Prüfung aufgenommen, um das sogenannte bestimmungsgemäße Zusammenwirken der sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen sicherzustellen. Sie ist eine übergeordnete Prüfung, woran mindestens eine bauordnungsrechtliche technische Anlage beteiligt ist. Auch in der Mehrzahl der übrigen Bundesländer wird sie gesetzlich verlangt. Da das Baurecht Länderrecht ist, unterscheidet sich die Prüfpflicht allerdings teilweise in Umfang und Ausprägung. Bei prüfpflichtigen technischen Anlagen in Sonderbauten wie Verkaufsstätten, Versammlungsstätten, Büro-Hochhäusern oder Krankenhäusern, muss eine solche Wirk-Prinzip-Prüfung vor der erstmaligen Inbetriebnahme, nach wesentlichen Änderungen und in wiederkehrenden Prüfungen erfolgen. In den meisten Bundesländern alle 3 Jahre.
Beim Neubau von Gebäuden mit moderner Architektur und bei brandschutztechnischer Sanierung von bestehenden Gebäuden steigen die Anforderungen an die technischen Sicherheitseinrichtungen. Sanierungen in Bestandsanlagen müssen nach dem aktuellen Stand der Technik erfolgen und wenn nötig Ersatzmaßnahmen beinhalten, die im genehmigten Brandschutzkonzept beschrieben wurden. Hinzu kommt, dass aus Designgründen der Architektur Sicherheitsmaßnahmen manchmal erst im Notfall aktiviert werden oder erkennbar seien. Etwa wenn Brandschutztüren zufahren, die zuvor unsichtbar integriert waren oder der Rettungsweg angezeigt und gelenkt wird. Das erhöht die Komplexität der Brandfallsteuerung.
Gefährdung durch sicherheitstechnische Anlagen
Die meisten Sicherheitsfunktionen zielen auf den Brandschutz ab. Der Brandmeldeanlage kommt hier eine wesentliche Steuerungsfunktion zu. Liegt ein Programmierfehler vor, kann die angesteuerte Anlage falsch reagieren. Wirken die sicherheitstechnischen Anlagen in einem Stör- bzw. Notfall nicht richtig im Verbund zusammen, kann das mehrere Ursachen haben: Entweder ist eine Komponente oder ein System defekt, die Anlage wurde falsch konstruiert oder ihre Leistung nicht ausreichend ausgelegt, z.B. wenn das Netzersatzaggregat durch eine elektrische Sprinklerpumpe überlastet ausfällt.
Unter Umständen beeinträchtigen sich technische Anlagen auch gegenseitig. Das kann im Extremfall so weit gehen, dass sicherheitstechnische Anlagen selbst zur Gefahr für Leib und Leben werden können, z.B.:
- wenn die Gaslöschanlage fehlerhaft löscht und das dabei freigesetzte sauerstoffverdrängende Gas zu Erstickung führen kann
- wenn das Sprinklerwasser auf elektrische Anlagen niedergeht und es zu Stromschlägen führt
- wenn bei einem Brand der Aufzug automatisch in die betroffene Etage fährt und die transportierten Personen in den Brandherd entlässt
- wenn die anspringende Druckbelüftungsanlage im Treppenhaus dazu führt, dass sich wegen des Überdrucks die Rettungstüren nicht mehr öffnen lassen
Daher ist es wichtig, das korrekte Zusammenwirken der Anlagen sicherzustellen.
Ablauf und Inhalt der Wirk-Prinzip-Prüfung
Bei der Wirk-Prinzip-Prüfung wird das bestimmungsgemäße Zusammenwirken der sicherheitstechnischen Anlagen überprüft. Ihre konkreten Aufgaben und Funktionen werden in der Baugenehmigung oder im genehmigten Brandschutzkonzept definiert und beschrieben. Wesentlich ist hier die Prüfung der Brandfallsteuermatrix. Dafür muss Fachpersonal der verschiedenen Gewerke vor Ort sein, um die jeweilige Funktion abzurufen und zu testen. Zentral sind die Schnittstellen: Koppler, potenzialfreie Kontakte oder elektrische Schalter, aktivieren die Folgeanlage. Der Prüfsachverständige muss wissen, ob das Signal vom Anfang bis zum Ende durchläuft. Dafür wird die Funktion so realitätsnah wie möglich geprüft und der Notfall simuliert. Bestimmte Brandmelder werden mit einem Rauchprüfgas ausgelöst, bei komplexen Aufgaben manchmal auch durch ein Testfeuer.
Im Prüfbericht werden die Ergebnisse von Ordnungsprüfung, Sichtprüfung, und Funktionsprüfung aufgeführt. Es erfolgt der Abgleich mit baurechtlichen Vorschriften und dem Brandschutzkonzept. Aussagen zu Wirksamkeit und Betriebssicherheit sowie zum Ergebnis der Wirk-Prinzip-Prüfung werden festgehalten.
Mängelstatistik
Die Mängelstatistik der Wirksamkeit und Betriebssicherheit aber auch der Wirk-Prinzip-Prüfung in Deutschland des TÜV-Verbands befindet sich seit Jahren auf einem gleichbleibenden Niveau; Mängel – geringfügige, aber auch erhebliche – sind häufig. Erstere beeinträchtigen die Sicherheitsfunktion nicht direkt, es fehlt vielleicht einfach nur eine Beschriftung. Bei erheblichen Mängeln ist dagegen eine Sicherheitsfunktion defekt, deutlich eingeschränkt oder nicht vorhanden.
Wartungsmängel äußern sich z.B. im Versagen der Anlagen während der Prüfung, weil Defekte nicht erkannt wurden. Fehler in der Programmierung führen zu den o.g. Worst-Case-Szenarien, wenn sich Sicherheitsfunktionen gegenseitig behindern. Manchmal ist die Ansteuerung zu schwach oder Umbauten haben sich auf das Zusammenspiel der sicherheitstechnischen Anlagen ausgewirkt. Der Betreiber muss die Mängel bis zur nächsten regulären Prüfung oder innerhalb einer kürzeren Frist beseitigen, bei erheblichen Mängeln erfolgt eine Nachprüfung. Betreiber und Bauherr tragen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Funktion der sicherheitstechnischen Anlagen ihrer Gebäude. Kommen sie der nicht nach, ist der Sachverständige angehalten, die zuständige Bauaufsicht zu informieren.
Vorteile einer zugelassenen Sachverständigenorganisation
TÜV Hessen z.B. prüft als Sachverständigenorganisation mit zugelassenen Prüfsachverständigen alle technischen Gewerke und sicherheitstechnischen Anlagen. Gegenüber spezialisierten Ingenieurbüros decke TÜV Hessen das komplette Portfolio ab und hält dazu das notwendige Personal vor. Damit seien keine Fremdsachverständigen notwendig, kurze Wege und direkter Kontakt erleichtern die Kommunikation. Dank der Stärke des Teams mit zahlreichen verfügbaren Sachverständigen können auch größere Objekte abgedeckt und Ausfälle kompensiert werden.
Im elektronischen Prüfberichtsystem werden alle Berichte elektronisch erstellt und online abgelegt, sodass die Kunden jederzeit in einem virtuellen Prüfbuch darauf zugreifen können. Auch automatische Erinnerungen an fällige Prüftermine können konfiguriert werden. Für Bauherren oder Betreiber von Sonderbauten reduziert sich mit Blick auf die Wirk-Prinzip-Prüfung Zeit und Aufwand, bei höherer Qualität und weniger Fehlern. TÜV Hessen liefert alles aus einer Hand, sodass es weniger Abstimmungen bedarf.
TÜV Hessen übernimmt alle Aufgaben: Planprüfung, baubegleitenden Prüfung von Baubeginn an bis zur regelmäßigen Terminerinnerung zur nächsten fälligen Prüfung, sodass sich der Kunde um seine Kernaufgaben kümmern kann.
Fazit
Die Wirk-Prinzip-Prüfung überprüft das ordnungsgemäße Zusammenwirken von sicherheitstechnischen Anlagen und gewährleistet damit die volle Funktionsfähigkeit im Notfall: Alle Systeme von der Brandmeldeanlage über die Entrauchungs- bis zur Löschanlage kommunizieren korrekt und die Funktionen werden im Notfall sicher ausgeführt, um Leib und Leben zu retten. Es empfiehlt sich, die Wirk-Prinzip-Prüfung durch eine TÜV-Sachverständigenorganisation mit zugelassenen Prüfsachverständigen durchführen zu lassen.
Weitere Informationen können per E-Mail an TÜV Hessen angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
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siehe zudem:
- baulicher Brandschutz und technischer Brandschutz
- Leckageschutz und Sanitärinstallation im Sanitärtechnik-Magazin sowie Fern- und Nahwärme, erneuerbare Energien-Magazin bei Baulinks
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