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„Deutschland profitiert von energetischen Gebäude­sanierungen“ - stimmt, stimmt nicht, stimmt, ...

(3.4.2013; Verlinkung zuletzt am 7.12.2017 korrigiert.) Die Energiewende kostet Geld, aber Deutschland wird von der Umsetzung auch erheblich profitieren: durch mehr Arbeitsplätze, durch Wachstum und durch die Einsparungen von Energiekosten. Das ist ein zentrales Ergebnis einer aktuel­len Studie, die die Prognos AG im Auftrag der KfW Bankengrup­pe erstellt hat. In Meldungen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wird die Studie jedoch ganz anders gelesen, und dem­nach rechnet sich energiesparendes Bauen und Sanieren für Hausbesitzer ganz und gar nicht. Den prognostizierten Einspa­rungen bei den Heizkosten stehe mehr als das Zweifache an Investitionskosten gegenüber - oder siehe dazu auch welt.de-Artikel „Die große Lüge von der Wärmedämmung“ vom 29.3.2013.

Volkswirtschaft versus Privat- bzw. Häuslebauer-Wirtschaft

In der Studie „Ermittlung der Wachstumswirkungen der KfW-Programme zum Energieeffizienten Bauen und Sanieren“ wird berechnet, welche gesamtwirtschaft­lichen Effekte von der KfW-Förderung des energieeffizienten Bauens und Sanierens bis 2050 zu erwarten sind. Diese KfW-Programme sind zentraler Bestandteil des energie­politischen Konzepts der Bundesregierung zur Erhöhung der Energieeffizienz und zum Klimaschutz im Gebäudebestand. Für die Jahre 2013 und 2014 hat der Bund die Mittel für die Programme auf jährlich 1,8 Mrd. Euro aufgestockt.

Für die Untersuchung wurde in drei Szenarien simuliert, welche Folgen die Umsetzung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudebestand haben dürfte. Dabei werden die Entwicklungen zentraler Rahmen­bedingungen (z.B. der Energiepreise und der Baukosten) in die Zukunft fortgeschrie­ben.

Die Erkenntnisse der Studie im Überblick:

  • Bis 2050 müssen für das Erreichen des Energiesparziels wohnwirtschaftliche In­vestitionen von insgesamt etwa 838 Mrd. Euro über die KfW-Programme finan­ziell unterstützt werden.
  • Mit diesen Investitionen können Energiekosten von 370 Mrd. Euro eingespart werden. Dies entspricht etwa dem Dreizehnfachen der Energiekosten aller pri­vaten Haushalte für Heizung und Warmwasser in Deutschland im Jahr 2011. Al­lerdings wird auch deutlich, dass sich aus heutiger Sicht die Investitionen nicht allein aus den eingesparten Energiekosten refinanzieren lassen. Zu den Energieeinsparungen hinzu treten jedoch Wertsteigerungen an den Gebäu­den sowie Komfortverbesserungen für die Nutzer, die hier nicht Gegenstand der Untersuchung waren.
  • Durch die Umsetzung der geförderten Energiesparinvestitionen würden bis 2050 pro Jahr zwischen 200.000 und 300.000 Arbeitsplätze gesichert werden - vor allem in der mittelständischen Bauwirtschaft und im Handwerk. Sie führen zudem zu einer erhöhten Produktion in Industrie- und Dienstleistungsbereichen, die der Bauwirtschaft und dem Handwerk zuliefern. Pro Jahr erhöhten die mit den Investitionen angestoßenen gesamtwirtschaftlichen Effekte das deutsche Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich 0,4%.
  • Von Wachstum und Beschäftigung profitierten auch die öffentlichen Haus­halte. Per Saldo beliefen sich die Mehreinnahmen (Steuern und Sozialabgaben) bis 2050 auf 95 Mrd. Euro (4% des BIP 2012). Die für Zinsverbilligung und Zu­schüsse einzusetzenden Fördermittel lägen dagegen mit weniger als 70 Mrd. Euro deutlich darunter.

„Die Studie zeigt, dass die Energiewende nicht nur Kosten, sondern auch Nutzen bringt, selbst wenn man das Innovationspotenzial unberücksichtigt lässt. Am Beispiel der energetischen Sanierung im Wohnungsbestand zeigt sich, dass Ausgaben im Wirt­schaftskreislauf immer auch Einnahmen sind. Große Investitionen in den Klimaschutz tragen also maßgeblich zu Wachstum und Beschäftigung bei“, sagt Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe.

Falsche Grundannahmen!?


Hans-Josef Fell
  

„Energetische Gebäudesanierung lohnt sich doch“ hält der energiepolitische Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, dagegen. Er kritisiert auf seiner Homepage „falsche Grundan­nahmen“ der Prognos-Studie: „Daher ist an der Stichhaltigkeit dieser Studie erheblich zu zweifeln. In den letzten zehn Jah­ren haben sich die Heizölpreise in Deutschland um über 150 Prozent erhöht. Prognos geht in seiner Studie nur von einem durchschnittlichen Energiekosten-Anstieg in 38 Jahren von ca. 50 Prozent aus. Einen solchen Anstieg hatten wir in den 2000ern in nicht einmal drei Jahren.“

dena/geea: „Berichterstattung über Finanzierung von Energieeffizienz führt in die Irre“

Auch die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) weist aufgrund der aktuellen Be­richterstattung ausdrücklich darauf hin, dass sich die energetische Sanierung von Ge­bäuden wirtschaftlich rechnet. „Die Mehrkosten für die energetischen Maßnahmen las­sen sich über die Energieeinsparung refinanzieren. Das zeigen hunderte Praxisbeispiele der dena“, erklärt Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung und Spre­cher der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea). So werde beispielsweise in den negativ gestimmten Beiträgen nicht unterschieden zwischen ...

  • den Kosten, die ohnehin für Neubau oder Sanierung anfallen, und
  • den Mehrkosten, die die energiesparende Maßnahmen verursachen.

In der Bilanz dürfen nur die für Energieeffizienz relevanten Mehrkosten den Energie­einsparungen gegenübergestellt werden. „Gebäudeeigentümer sollten sich nicht durch irreführende Zahlenvergleiche beunruhigen lassen“, betont Stephan Kohler. „Wenn ein neues Fenster eingebaut oder eine Fassade erneuert wird, fallen immer Kosten an, egal ob nun besonders energieeffizient oder nicht. Deswegen muss bei einer Sanierung genau untersucht werden, welche Maßnahmen sowieso für Instandhaltung oder Mo­dernisierung nötig sind und welche explizit die Energieeffizienz verbessern. Vergleicht man die Kosten für Energieeffizienzmaßnahmen mit den Energieeinsparungen, wird klar: Die energetische Gebäudesanierung lohnt sich. Voraussetzung ist, dass die energeti­schen Maßnahmen mit ohnehin anstehenden Modernisierungs- und Instandhaltungs­arbeiten gekoppelt werden.“ (Siehe auch Baulinks-Beitrag „dena-Studie: Energetische Gebäudesanierung hält, was sie verspricht“ vom 1.4.2013.)

subjektiv motiviert: „Return of invest“ ist nicht alles

Georg Schareck, Hauptgeschäftsführer des Baugewerbeverbandes Schleswig-Holstein (BGV), nimmt ebenfalls zeitnah Stellung: „Es ist doch völlig klar, dass sich Investitionen im Einzelfall nicht allein aus den eingesparten Energiekosten refinanzie­ren lassen. Wichtige Entscheidungsfaktoren des Eigentümers oder Häuslebauers wie notwendige Reparaturen in der Gebäudehülle, Wertsteigerung des Objektes, Komfort­verbesserung für die Mieter oder Eigentümer sind subjektiv motiviert. Absehbar hefti­ge Energie-Preissteigerungen bis 2050 mit zur Neige gehenden fossilen Brennstoffen sind, wenn auch hinreichend belegt, so doch prognostischer Natur.“

Schareck weist vor allem darauf hin, dass allein in Schleswig-Holstein rund 10.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch die von der KfW geförderten Pro­gramme im mittelständischen Bauhandwerk gesichert werden. „Das sind wichtige As­pekte, denen die Reduktion der Studie auf eine Schlagzeile nicht gerecht wird“, so Schareck.

Spätestens seit einem Gutachten der „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ in Kiel aus dem Jahre 2011 im Auftrag des Bundesbauministeriums ist bekannt, dass sich in vielen Fällen bei Altbauten eine energetische Sanierung nicht rechne, sondern ein Abriss und Neubau wirtschaftlicher wäre - siehe auch Baulinks-Beitrag „Wohnungs-Check: "Bei jedem 10. Wohnhaus rechnen sich Abriss und Neubau"“ vom 27.3.2011. „Trotzdem wird hier auf Antrag des Eigentümers mit KfW-Mitteln investiert. Denn der Hausbesitzer entscheidet letztlich selbst was er will. Für den einen steht eine CO₂-Minderung im Vordergrund und für einen anderen natürliche Energieoptionen“, bestä­tigt auch der BGV-Hauptgeschäftsführer.

Es werde leider unnötig Stimmung gegen ein sinnvolles Anreizsystem gemacht. Wer die vorgelegte Studie intensiv in Augenschein nehme, der werde erkennen, dass eine Ausweitung und Aufstockung der finanziellen Ressourcen das Ziel der Studie sei. „Die­ses Ziel ist durch Interpretation einiger Zahlentabellen in Schieflage geraten. Zum Nachteil einer ganzen Branche“, so Schareck, der weiterhin von der Wirksamkeit der Energiesparmaßnahmen überzeugt ist. „Die vielen Studien der vergangenen zwei Jahre zu diesem Thema mit anderen Ergebnissen können nicht alle falsch gewesen sein!“

Die Prognos-Studie finden kann über kfw.de/evaluationen-eebs jeder selbst in Augenschein nehmen (direkter PDF-Download).

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