Gefahr durch Methylenchlorid-haltige Kontaktklebstoffe
(21.5.2014) Im Rahmen der TKB-Fachtagung am 19. März 2014 berichtete Dr. Kersting von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) über den Einsatz von Methylenchlorid-haltigen Sprüh-Kontaktklebstoffen. Methylenchlorid (auch Dichlormethan, DCM) ist ein sehr leicht flüchtiges Lösemittel (Siedepunkt: 39,7 °C bei Normaldruck; Dampfdruck: 470 hPa (bei 20 °C), siehe auch Wikipedia). Methylenchlorid hat eine reizende Wirkung auf Augen und Atemwege und kann Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit verursachen.
Besonders heimtückisch ist der Stoff, weil bei Geruchswahrnehmung schon gesundheitsgefährdende Konzentrationen vorliegen können - der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) liegt mit 75 ppm deutlich unter der Geruchsschwelle von ca. 140 ppm. Die Gefährdung wird dadurch erhöht, dass sich durch Geruchsgewöhnung selbst bei hohen Konzentrationen keine Warnwirkung mehr einstellt. Daher gab es in der Vergangenheit schon zahlreiche Unfälle mit Methylenchlorid-haltigen Produkten. Zudem ist der Stoff als krebsverdächtig (carcinogen, Kategorie 2; H 351: Kann vermutlich Krebs erzeugen (CLP-Verordnung)) eingestuft.
Methylenchlorid-haltiger Sprüh-Kontaktklebstoff auf der Domotex
Aufgrund der hohen Gefährdung und des Unfallgeschehens ist Methylenchlorid in Abbeizern inzwischen europaweit verboten. Der Methylenchlorid-haltige Sprüh-Kontaktklebstoff wird aber leider seit einigen Jahren in Deutschland angeboten und wurde unter anderem auch auf der Domotex 2014 vorgestellt. Mit diesem Klebstoff wurden zwischenzeitlich Baustellenmessungen zur Methylenchlorid-Belastung durchgeführt. Dabei wurden extrem hohe Überschreitungen des zulässigen AGW festgestellt - die Überschreitung betrug mehr als das Zehnfache des zulässigen AGW! Als Folge darf dieser Klebstoff nur ...
- nach erfolgloser Ersatzstoffprüfung und
- mit umfangreicher Schutzausrüstung (umgebungsluftunabhängigem Atemschutzgerät)
... angewendet werden, was jedoch nach aller Erfahrung in der Praxis unterbleibt. Diese gängige Praxis ist ein Verstoß gegen die Gefahrstoffverordnung und stellt für einen Unternehmer, der damit die Gesundheit seiner Mitarbeiter oder die anderer beteiligter Personen gefährdet nach § 27 Absatz 2 bis 4 des Chemikaliengesetzes den Tatbestand einer Straftat dar.
Der Sprüh-Kontaktklebstoff wird trotz aller Warnungen weiter vermarktet. Aufgrund der hohen Gefährdung und des umfangreichen Angebots an Dispersions-Kontaktklebstoffen hatte Dr. Kersting auf der TKB-Fachtagung 2014 berichtet, dass die BG BAU analog zu anderen Tätigkeiten mit Methylenchlorid, Arbeiten mit dem Sprüh-Kontaktklebstoff unverzüglich stilllegen wird.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Deutsche Klebstoffindustrie erwartet Wachstum trotz Rohstoffknappheit (22.10.2021)
- Gefahrstoff-Software WINGIS 3.0 zur Stärkung der Chemikaliensicherheit am Bau (19.11.2017)
- Linomur, ein neues Klebeband von Uzin speziell für Linoleum (20.7.2017)
- Bodenbelagskleber aus Naturkautschukmilch und Naturharzen (24.11.2015)
- Revision der Prüfnormen für Bodenbelagsklebstoffe auf Deutsch verfügbar (26.8.2015)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- Zahl der Asbesttoten steigt: 2012 dreimal mehr Asbesttote als tödliche Arbeitsunfälle (30.4.2014)
- DGUV veröffentlicht Arbeitsschutz-Portal zu Nanomaterialien (6.4.2014)
- „Arbeitsstätten“: Technische Regeln für sichere Arbeitsplätze auf 344 Seiten aktualisiert (6.2.2014)
- Bündnis in der Bauwirtschaft zur „Gefahrstoff-Kommunikation in der Lieferkette“ (17.3.2013)
- Lösemittelfreier Kontaktklebstoff Uzin WK 222: besser ohne als mit (3.12.2011)
- Berufsgenossenschaft warnt vor leichtfertigem Umgang mit Epoxidharzen (1.6.2008)
siehe zudem:
- Arbeitsschutz, Bauchemie und Bodenverlegung bei Baulinks
- Literatur / Bücher über Bodenbeläge bei Baubuch / Amazon.de