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Kontroverse: Rechnet sich energiesparendes Sanieren?


 

(20.2.2011) Im Dezember 2010 hat die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) gemeinsam mit dem Institut Wohnen und Umwelt GmbH (IWU) eine Studie zur energetischen Sanierung von Mehrfamilienhäusern veröffentlicht. Diese geht davon aus, dass sich die energetische Sanierung von Mehrfamilienhäusern sowohl für Vermieter als auch für Mieter rechnet. Erklärtes Ziel der Studie ist es, Bauherren dazu zu motivieren, anstehende Instandsetzungen mit einer anspruchsvollen energetischen Sanierung zu verbinden.

Laut dena/IWU-Studie kann der Energiebedarf bei Gebäuden, die ohnehin saniert werden müssen, ohne Mehrbelastungen für Mieter oder Vermieter um bis zu 75 Prozent gesenkt werden. Selbst eine Einsparung von 80 Prozent, was den Klimaschutz­zielen der Bundesregierung für 2050 entspricht, würde nur eine geringe Mieterhöhung nach sich ziehen. Steigen die Energiepreise weiter an, soll auch diese Variante warmmietenneutral sein. Die Studie basiert auf dem dena-Modellprojekt "Niedrigenergiehaus im Bestand", in dem rund 350 Wohngebäude hocheffizient saniert wurden.

"Die Studie zeigt, wie wir schnell und sozialverträglich ein erstes Etappenziel bei der Sanierung der Wohngebäude in Deutschland erreichen können", erklärte Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, im Dezember. "Bei den sowieso anstehenden Gebäudesanierungen muss die Energieeffizienz in den Mittelpunkt gerückt werden. Für die Erreichung der Ziele der Bundesregierung ist die Aufstockung der Fördermittel auf vier bis fünf Milliarden Euro jährlich erforderlich."

Keine Mehrbelastung für Mieter und Vermieter

Die dena/IWU-Studie hat die Wirtschaftlichkeit verschiedener Sanierungsstandards untersucht. Es wurden stark sanierungsbedürftige Häuser unter die Lupe genommen, von Vorkriegsbauten bis hin zum 70er-Jahre-Wohnblock. Das Ergebnis:

  • Wenn diese Häuser so saniert würden, dass sie den aktuellen Neubaustandard Effizienzhaus 100 erreichen - das entspricht einer Energieeinsparung von rund 60 Prozent -, koste der zusätzliche Aufwand für Energieeffizienz 80 Euro pro Quadratmeter.
  • Bei der deutlich besseren Sanierung zum Effizienzhaus 70, beziehungsweise einer Einsparung von durchschnittlich 75 Prozent, steige dieser Wert auf 158 Euro pro Quadratmeter. Bis zu diesem Standard könne der Vermieter seine Kosten decken, ohne den Mieter stärker zu belasten. Er müsse zwar die Kaltmiete um 0,82 Euro pro Quadratmeter und Monat erhöhen, dem stünden aber Energiekosteneinsparungen von 0,92 Euro pro Quadratmeter und Monat gegenüber. Die Warmmiete erhöhe sich nicht.
  • Bei der hocheffizienten Sanierung zum Effizienzhaus 55, was einer Energieeinsparung von 80 Prozent entspricht, lägen die energieeffizienzbedingten Mehrkosten bei 230 Euro pro Quadratmeter. Das entspreche einer Mieterhöhung von 1,17 Euro pro Quadratmeter und Monat bei einer gleichzeitigen Einsparung von 0,99 Euro. In diesem Fall würde die Warmmiete also steigen. Bei steigenden Energiepreisen nehme aber auch hier die Wirtschaftlichkeit der Sanierungsmaßnahmen weiter zu, so dass Warmmietenneutralität erreicht werden könne.

10.2.2011: Wohnungs- und Immobilienunternehmen:
"dena-Sanierungsstudie ist unrealistisch"

Dass sich die energetische Sanierung von Mehrfamilienhäuser sowohl für Vermieter als auch für Mieter rechnet, "ist in Teilen schlichtweg falsch" - so die Reaktion von Axel Gedaschko, Präsident des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen,  auf die Sanierungsstudie am 10.2.

Die Studie sei unrealistisch, weil sie die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der Vermieter nicht darstelle, so der GdW-Präsident. Sie sei deshalb völlig ungeeignet dafür, einem Vermieter bei seiner Entscheidung für oder gegen eine energetische Sanierung zu unterstützen. "Das Modell birgt die Gefahr, dass Gebäudeeigentümer und Mieter falsche Vorstellungen darüber erlangen, welche Kosten und welcher Aufwand mit einer energetischen Modernisierung auf sie zukommt", warnte Gedaschko. Auch gegenüber der Politik werde ein fehlerhaftes Signal hinsichtlich der tatsächlichen Erreichbarkeit von Energieeffizienz- und Klimazielen im Gebäudebestand abgegeben.

Die GdW-Kritik im Einzelnen:

  • In der Studie werden Annahmen getroffen, nach denen nur so genannte "energiebedingte Mehrkosten" einer Modernisierung (im Beispiel 80 Euro/m²) als Kosten berücksichtigt werden. Instandsetzungskosten werden als "ohnehin zu tätigende Investition" außer Betracht gelassen (im Beispiel 195 Euro/m²). Diese Annahme entspreche nicht der wohnungswirtschaftlichen Realität. Eine Investitionsalternative, die etwa 200 Euro/m² Wohnfläche zu einem Zeitpunkt in eine reine Instandsetzung investiert, bestehe nicht. Reale Handlungsalternativen seien laufende Instandhaltung oder Durchführung von Teilmaßnahmen. In der wohnungswirtschaftlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung müssten stets die Vollkosten der Maßnahme angesetzt werden.
  • Weitere Unterschiede der Studie zu wohnungswirtschaftlichen Berechnungen seien: Das Modell vernachlässige die durch eine Modernisierung neu entstehenden Kosten für Instandhaltung und Wartung (zum Beispiel für Lüftungs- und Solaranlagen).
  • Für Objekte mit dezentraler Beheizung (zum Beispiel Gasetagenheizung, Nachtspeicherheizung) lagen keine Energieverbrauchs-Messwerte vor, weshalb von Bedarfswerten ausgegangen wurde. Erfahrungsgemäß lägen die tatsächlichen Energieverbräuche von dezentral beheizten Objekten deutlich unter den Bedarfswerten, die tatsächlichen Energie- und Kosteneinsparungen würden also bei Verwendung von Rechenwerten überschätzt.
  • Die Ergebnisse der Studie seien nach eigener Aussage nur eingeschränkt gültig: für Mehrfamilienhäuser, die gegenüber dem Zustand der Errichtung nicht wesentlich modernisiert wurden (das sind circa die 10 Prozent energetisch schlechtesten Gebäude), bei denen zudem ein hoher Instandsetzungsbedarf besteht und die unter dem Niveau der örtlichen Vergleichsmiete liegen mit entsprechendem Mieterhöhungspotenzial. Die von der dena ermittelte Wirtschaftlichkeit der energetischen Maßnahmen muss daher auch unter diesen eher modellhaften Rahmenbedingungen gesehen werden.

"Durch solch eine interessengeleitete Studie wird letztlich nur eines erreicht: Komplettes Misstrauen und Verunsicherung einer ganzen Branche. Um das globale 2 Grad Celsius-Ziel zu erreichen, brauchen wir aber ein ganz anderes Handeln und Denken. Verlässlichkeit und Langfristigkeit des politischen Handelns. Und den politischen Gestaltungswillen, ein globales Megaziel nicht mit zweifelhaften Studien, sondern mit konsequentem Handeln in der Mietrechtsgesetzgebung und der notwendigen monetären Ausstattung zu erreichen", erklärte der GdW-Präsident. Ein praxistaugliches Modell zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit aus Sicht der Wohnungswirtschaft wird in der GdW-Arbeitshilfe 64 "Energieeffizientes Bauen und Modernisieren – Gesetzliche Grundlagen, EnEV 2009, Wirtschaftlichkeit" beschrieben.

17.2.2011: dena:
"Kritik der Wohnungswirtschaft haltlos"

Die dena hat die Zweifel der Wohnungswirtschaft an der Wirtschaftlichkeit von energiesparenden Sanierungen in Wohngebäuden in einer Pressemitteilung vom 17.2. vehement zurückgewiesen. Die dena-Sanierungsstudie habe mit der wissenschaftlichen Auswertung von 350 Praxisbeispielen nachgewiesen, dass hocheffiziente Sanierungen bei Wohngebäuden, die ohnehin saniert werden müssen, in den meisten Fällen keine Erhöhung der Warmmiete nach sich ziehen würden.

"Energiesparende Sanierungen rechnen sich", betont Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, noch einmal. "Die von Teilen der Wohnungswirtschaft angestrengte Methodendiskussion über Wirtschaftlichkeitsberechnungen und Kostenaufteilungen ist völlig unnötig. Wir brauchen jetzt endlich eine intensive und sachliche Debatte über die besten Sanierungs- und Finanzierungsstrategien. Dafür bietet die dena-Sanierungsstudie eine optimale Grundlage."

Kohler wies darauf hin, dass die Kosten energetischer Sanierungen korrekt zugeordnet werden müssten. So sei eine Aufteilung in Instandsetzungskosten, die ohnehin anfallen, und energieeffizienzbedingte Mehrkosten notwendig. Dazu ein Beispiel: Die Außenwand eines Mehrfamilienhauses ist sanierungsbedürftig und muss erneuert werden. Die Kosten für die Aufstellung des Gerüsts, Putzentfernung und -erneuerung fallen somit ohnehin an, bringen aber keinen zusätzlichen energetischen Mehrwert. Wird die Gelegenheit genutzt und gleich eine energieeffiziente Wärmedämmung installiert, führt dies bei nur sehr geringen Mehrkosten zu merklichen Energieeinsparungen.

Kohler: "Wenn schon sanieren, dann richtig. Egal ob Wände, Heizung, Fenster oder Dach: Wo immer eine Instandsetzung notwendig wird, sollten Eigentümer energiesparende Lösungen suchen. Sie steigern damit den Marktwert und den Wohnwert ihrer Immobilie."

18.2.2011: Haus & Grund:
"dena-Äußerungen wenig hilfreich"

Die Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund hält die jüngsten Äußerungen der dena zur Wirtschaftlichkeit energetischer Modernsierungen von Wohngebäuden für wenig hilfreich. Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann: "Ich fordere die dena auf, zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren. Die Frage, wann welche Maßnahmen für die Eigentümer wirtschaftlich sind und wie man dies ermitteln kann, ist immens wichtig und muss diskutiert werden. Es ist Aufgabe der dena, die weitgehend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, sich an dieser Diskussion konstruktiv zu beteiligen, statt sie brüsk abzuweisen."

Kornemann: "Die dena zieht für ihre Muster-Berechnungen ausschließlich Gebäude heran, die wahre Energieschleudern sind und einen hohen Instandsetzungsbedarf haben. So lässt sich jede energetische Modernisierung als wirtschaftlich darstellen." Auf mindestens 90 Prozent des Wohnungsbestandes träfen diese Bedingungen jedoch gar nicht zu. Die Hauseigentümer beherrschten die Grundrechenarten und kämen meist zu dem Ergebnis, dass sich energetische Modernisierungen ihrer Gebäude in angemessenen Zeiträumen nicht rechneten. "Die dena verfehlt ihre Aufgabe, wenn sie die Hauseigentümer mit unrealistischen Energiesparszenarien konfrontiert, statt sie seriös zu beraten", sagte Kornemann abschließend.

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