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Wärmeversorgung für Mehrfamiliengebäude im Bestand

(3.5.2023) Heizkonzepte mit Wärmepumpen sind für in ältere Mehrfamilienhäuser noch eine Herausforderung. Sie stellen spezielle Anforderungen sowohl an die Übergabesysteme für Raumwärme und Warmwasser als auch an die Erschließung von Umweltwärme. Im Rahmen des Verbundprojekts »LowEx im Bestand« haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, das Inatech der Universität Freiburg und das Karlsruher Institut für Technologie Lösungen für Heizkonzepte mit Wärmepumpen sowie Wärmeübergabe- und Lüftungssystemen in energetisch sanierten Mehrfamilienhäusern (MFH) analysiert, entwickelt und demonstriert.

Das Mehrquellen-Wärmepumpensystem aus dem Projekt Heaven nutzt die Synergien von Luft (Verfügbarkeit, Kosten) und Erdwärme (Temperaturen, Effizienz). (Bild: Fraunhofer ISE) 

LowEx-Systeme für den Geschosswohnungsbau im Bestand

Ein Blick auf die Struktur des Gebäudesektors macht deutlich, dass in Bestandsgebäuden der größte Hebel für die Wärmewende liegt: 62% unserer Altbauten stammen aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 und verursachen rund zwei Drittel des Endenergieverbrauchs im Gebäudesektor.

Wärmepumpen bieten erhebliches Potenzial, um die CO2-Emissionen abzusenken, wenn man sie in sogenannten LowEx-Systemen einsetzt. Diese arbeiten durch geringe Temperaturdifferenzen zwischen Heizmedium und Nutzwärme besonders effizient. Zwar sind sie in Ein- und Zweifamiliengebäuden in Neubau und Bestand zunehmend etabliert, jedoch im Geschosswohnungsbau noch wenig verbreitet. Das Fraunhofer ISE arbeitet schon seit Jahren an dem Thema, das nun aufgrund steigender Energiepreise stärker in den Fokus rückt.

»Die Herausforderungen liegen hier in der höheren erforderlichen Leistung des Wärme-erzeugers und der Lage der Gebäude in dicht bebauten Quartieren. Zudem erfolgt die Wärmeübergabe und die Trinkwasserbereitstellung in diesen Gebäuden häufig mit hohen Vorlauftemperaturen«, erläutert Jeannette Wapler vom Fraunhofer ISE. Die Lö-sungsansätze im Projekt hätten daher die Themen Quellenerschließung und die Absen-kung von Systemtemperaturen in den Mittelpunkt gestellt.

Ganzheitliche Analyse von Wärmeversorgung und Sanierung

Im Analyse-Teil des Vorhabens wurde  die Zuordnung von Systemkonzepten zu Mehrfamilienhaus-Gebäudetypen unter

  • Einbeziehung des Nutzerkomforts,
  • wirtschaftlicher Aspekte und
  • der erreichbaren CO2-Emissions-Senkung

systematisch untersucht und bewertet. Das Forschungsteam führte dabei eine ganzheitliche Analyse der Wärmeversorgung von der Niedertemperaturquelle bis zur Wärmeübergabe durch. Betrachtet wurden dabei auch die Potenziale einer Solarisierung der Gebäudehülle, mögliche Quellenkombinationen und die Verwendung von Hybridsystemen.

Neue LowEx-Technologien für Mehrfamiliengebäude

Mit seinen Projektpartnern aus der Industrie entwickelte das Forschungsteam in fünf Teilprojekten neue LowEx-Komponenten und -systeme für Mehrfamilienhäuser:

- ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem, das die Vorteile der beiden Wärmequellen Außenluft und Erdreich kombiniert, sodass nur eine reduzierte Bohrfläche benötigt wird und dennoch die hohe Effizienz einer Solewärmepumpe erzielt wird – eine ideale Lösung für Innenstadtbereiche mit hohen Temperaturen im Sommer und begrenzten Flächen;

  • ein Hybridsystem (Wärmepumpe in Kombination mit fossil befeuertem Wärmeerzeuger);
  • eine Wärmepumpe mit einem Kältemittelkreislauf auf Basis des natürlichen Kältemittels Propan;
  • fassadenintegrierte Lüftungsgeräte sowie
  • Hochtemperaturwärmepumpen.

Beispielprojekte belegen die Machbarkeit von Wärmepumpen im Bestand

Die in den Technologieprojekten entwickelten Versorgungstechnologien wurden in drei beispielhaften Sanierungsprojekten getestet, messtechnisch detailliert begleitet und bewertet. »Wertvoll war dabei die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, der Wärmepumpenindustrie und den Energieversorgern, die ihre verschiedenen Sichtweisen in das Projekt eingebracht haben«, erklärt Projektleiterin Dr.-Ing. Constanze Bongs vom am Fraunhofer ISE. Die Wissenschaftler analysierten sowohl die Performance der demonstrierten LowEx-Systeme als auch den Sanierungsprozess an sich.

Ein Mehrfamiliengebäude im Smarten Quartier Karlsruhe-Durlach. Auf dem Dach wurde eine PV-Anlage mit 60 kWp Leistung installiert. (Bild: Fraunhofer ISE) 

In Kooperation mit der KES Karlsruher Energieservice GmbH realisierte das Team ein komplexes Energieversorgungskonzept für fünf Bestands-MFH mit 160 Wohnungen in Karlsruhe-Durlach. Die neue Energieversorgung basiert auf der smarten Kombination von Technologien: Alle Dächer wurden mit Photovoltaik-Anlagen belegt. Zwei Gebäude werden über Wärmepumpen mit Spitzenlast-Gaskessel versorgt. Für eine CO2-arme Wärmeerzeugung müssen solche hybriden Systeme so ausgelegt werden, dass die Wärmepumpe einen möglichst hohen Deckungsgrad erreicht und der Gaskessel entspre-chend selten arbeitet. In einem der Gebäude wurde das oben erwähnte und gemeinsam mit Viessmann entwickelte Wärmepumpensystem mit kombinierter Wärmequelle (Außenluft, Erdwärme) installiert. Drei weitere Gebäude sind mit einem Nahwärmenetz verbunden, das von Erdgas-BHKW-Aggregaten versorgt wird. Der erzeugte Strom dient unter anderem für den wirtschaftlichen Betrieb der dezentralen Wärmepumpen. Wärmepumpen, BHKW und PV-Anlagen sind miteinander verbunden und werden durch ein Energiemanagementsystem so gesteuert, dass die Wärmepumpen möglichst wirtschaftlich mit lokal erzeugtem Strom betrieben werden.

Im ersten Betriebshalbjahr erzielte die Mehrquellenhydraulik hohe Quelltemperaturen mit einem Mittelwert von 8°C, was im ersten ausgewerteten Betriebshalbjahr (Februar - Juli 2022) eine recht gute Jahresarbeitszahl von 3,2 hervorbrachte. Dass der Spitzenlast-Gaskessel einen Anteil von 31% an der Wärmebereitstellung hatte, geht in erster Linie auf die hohen Temperaturanforderungen für hygienisches Trinkwarmwasser zurück. Insgesamt sparte die Anlage 42% an CO2-Äquivalenten im Vergleich zum Projektstart ein. Gegenüber dem ungedämmten Gebäudezustand von 1963 entspricht dies sogar einer CO2-Reduktion um 73%. Ein optimierter Betrieb mit geringerem Gaseinsatz, eine höhere Arbeitszahl der Wärmepumpe oder eine geringere CO2-Intensität des Strommix können künftig die CO2-Emissionen weiter senken. Das modellhafte Energiekonzept kann auf weitere Quartiere mit MFH-Bestandsgebäuden übertragen werden.

»Die Demonstratoren haben die Machbarkeit der Sanierung von MFH mit Wärmepumpen und LowEx-Technologien nachgewiesen. Wichtig ist, sich die jeweilige Situation, einschließlich der Übergabesysteme und des Platzes im Heizungskeller, anzuschauen. Bei der Sanierung sollte unbedingt ein hydraulischer Abgleich des Heizungssystems ein-geplant und geprüft werden, ob mit dem Austausch einzelner Heizkörper die Vorlauftemperaturen weiter abgesenkt werden können«, betont Dr.-Ing. Manuel Lämmle, der das Projekt am Inatech betreut.

Weiteren Forschungsbedarf sieht das Team unter anderem bei der Entwicklung von Lösungen für den Ersatz von Gasetagenheizungen, der Hochtemperatur-Bereitstellung und der Trinkwassererwärmung durch Wärmepumpen. In dem weiteren Projekt »LCR290« werden daher Wärmepumpen mit dem umweltfreundlichen Kältemittel Propan für den Einsatz in MFH entwickelt.

Den Abschlussbericht des Projekts „LowEx-Bestand Analyse“ können Sie hier downloaden.

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