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Athens Olympiadach hydraulisch in Stellung gebraucht

(10.6.2004) Wenn sich diesen August die Augen der Welt auf die Eröffnung der Olympischen Spiele von Athen richten, werden sie ein spektakuläres Schauspiel wahrnehmen, das in einem Stadion stattfindet, welches selbst als Wunder der Technik bezeichnet werden kann - siehe auch Bing-Maps und/oder Google-Maps.

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Die schwebende gewölbte Dachkonstruktion des Olympiastadions von Athen, ein Entwurf des berühmten spanischen Architekten Santiago Calatrava, lässt sich problemlos als das visuell auffälligste bautechnische Element des kompletten Umbaus des ursprünglichen Stadions bezeichnen, das nunmehr 95 Prozent überdachte Sitzplätze bietet (gegenüber den bisherigen 35 Prozent).

Dieses "Kronjuwel", wie das Stadiondach mittlerweile bezeichnet wird, wird mit seinen beiden gigantischen Bogenkonstruktionen mit einer Spannweite von insgesamt 304 m und einer maximalen Höhe von 80 m sicher zum Markenzeichen der Olympischen Spiele des Jahres 2004.

An jedem dieser beiden Bogen sind Drahtseile befestigt, welche die Polykarbonat-Paneele der Dachkonstruktion tragen. Diese hat ein Gesamtgewicht von 17.000 Tonnen, überdeckt eine Fläche von 10.000 Quadratmetern, und bietet damit Schutz für 75.000 Zuschauer und natürlich auch die Athleten.

Die graziöse schwebende Dachkonstruktion besteht aus Metall und spezialbeschichtetem Glas das 60 Prozent des Sonnenlichts reflektiert (was im griechischen Sommer durchaus nützlich ist). Der einzigartige architektonische und bauliche Entwurf macht dies zu einem ganz besonderen Projekt, denn der Umbau des bestehenden Stadions war in vollem Gang während Dach- und Bogenkonstruktion gebaut und errichtet wurden.


Die Dachkonstruktion - bestehend aus zwei an Doppelbogenträgern aufgehängten Gewölben - wurde unmittelbar neben dem Stadion montiert. Bogenträger und Dachhälften wurden jeweils 70 Meter neben dem Stadion separat gebaut. Der Bau erfolgte nicht an Ort und Stelle, um den Umbau des darunter liegenden Stadions nicht zu beeinträchtigen.

Dieser Ansatz warf jedoch eine der größten Fragen auf, denen sich die Ingenieure stellen mussten: wie sollen die beiden Dachhälften mit einem Gewicht von jeweils 8.500 Tonnen bewegt und positioniert werden?

Bewegen des 17.000 Tonnen schweren Dachs

Das gewölbte Dach ist auf zwei Gleitschuhen gebaut, welche auf vier Gleitstücken aus Teflon ruhen. Ursprünglich sollten die beiden Dachkonstruktionen mit Hilfe langer Stahlseile, Spannvorrichtungen und Kurzhub-Hydraulikzylinder schrittweise gezogen werden. Diese Lösung hätte jedoch bedeutet, die Gleitschuhe über dünne Edelstahlplatten zu ziehen, die auf spezielle Schienen auf riesigen Betonpfeilern geschweißt sind.


In Computersimulationen wurden jedoch mögliche Probleme beim Einsatz von Stahlseilen zum Ziehen der Dachkonstruktion deutlich. Es wurde berechnet, dass aufgrund der erheblichen elastischen Energie in den Stahlseilen die Differenz zwischen der statischen und dynamischen Reibung von Teflon und Edelstahl ein Ruck-Gleiten verursachen könnte, mit der Folge relativ schneller Beschleunigungen und Stopps der Konstruktion bei jedem Schritt des Zieh-Vorgangs. Dies war für die Konstrukteure nicht akzeptabel, die daraufhin eine andere Lösung suchten.

Integrierte Hydrauliklösungen

Enerpac, der Spezialist für integrierte Hydrauliklösungen, wurde aufgrund seiner Expertise in bedeutenden Hoch- und Tiefbauprojekten zu Rate gezogen. Enerpac ist derzeit in eine Reihe innovativer Bauprojekte involviert, so zum Beispiel beim 364 Meter hohen Millau-Viadukt in Frankreich, der höchsten Brücke der Welt.

Für das Stadion in Athen schlug Enerpac Langhub-Zugzylinder vor, die von SPS-gesteuerten Hydraulikpumpen betrieben werden. Bei ihrer Verwendung für den schrittweise Ziehvorgang würden sie nur geringfügig auf die bestehende Konstruktion einwirken.

Für jeden Gleitschuh der gewölbten Dachkonstruktion wurden vier Zugzylinder vorgeschlagen. Da jeder Bogen mit zwei Gleitschuhen ausgestattet war und jeder Gleitschuh mit vier Gleitstücken, bedeutete das, jede Dachhälfte mit insgesamt acht Hydraulikzylindern zu bewegen und zu positionieren.

Eine SPS-gesteuerte Zweistufenpumpe sollte jeweils vier Zylinder betreiben. Diese Lösung gewährleistete komplette Kontrolle über Geschwindigkeit, Beschleunigung und Abbremsen während der Hydraulik-Bewegungen. Die SPS-Steuerung war darüber hinaus erforderlich, um digitale Überwachung der Pumpenparameter zu gewährleisten. Dieses integrierte Hydrauliksystem sollte für eine gleichmäßige Bewegung und Positionierung des Gewölbes sorgen.

Gesteuerte Hydraulikbewegung

Während des eigentlichen Vorgangs der Dachpositionierung, die im Mai und Juni stattfand, wurden die SPS-gesteuerten Pumpen an den Seiten der beiden Bogen angebracht und während des Ziehvorgangs mitgeführt. Jede dieser Pumpen versorgte die vier Zylinder mit demselben hydraulischen Druck und derselben Zugkraft, während die Hubsynchronisation durch die Konstruktionsstabilität des Gleitschuhs sicher gestellt wird. Beide Pumpen sind über ein 400 Meter langes Kabel miteinander verbunden und werden über die SPS-Einheit synchronisiert, welche die Starts und Stopps der Hydraulik-Bewegung der 8.500 Tonnen schweren Dachhälften steuert.

Ein Mikroprozessor-gesteuerter Wechselstrom-Antriebsmotor mit variabler Frequenz sorgte für äußerst gleichmäßige Start- und Stoppvorgänge (unter Beibehaltung einer akzeptablen Geschwindigkeit). Diese Einheit steuerte die Geschwindigkeit des Elektromotors, den Ölfluss der Pumpen und somit die Rückzuggeschwindigkeit der Zugzylinder.

Die SPS-Steuereinheit diente dazu, die Motorgeschwindigkeit (U/Min.) innerhalb der vom Operator definierten Zeitintervalle linear zu variieren, von Minimum bis Maximum und umgekehrt. Auf diese Weise wurde eine äußerst niedrige Betriebsgeschwindigkeit erreicht, sobald das Gewölbe in Bewegung gesetzt war. Die Geschwindigkeit wurde über einen ganzen Zeitraum niedrig gehalten, um das System zu stabilisieren.

Beim nächsten Schritt wurde der Ölfluss der Pumpen linear erhöht (Beschleunigungskurve), bis bei konstanter und sorgfältig gesteuerter Beschleunigung schließlich die vom Dachkonstruktionsteam definierte Zuggeschwindigkeit erreicht wurde.

Der Zugvorgang wurde bei konstanter Zylinderhubgeschwindigkeit fortgesetzt. Sobald der am Zylinder angebrachte Mikroschalter das Ende des Kolbenhubs erfasste, reduzierte das Hydrauliksystem automatisch linear seine Geschwindigkeit (Abbremskurve). Damit wurde die Zylinderrückzuggeschwindigkeit auf ein Minimum reduziert, und der Zugvorgang kam schließlich vollständig zum Stillstand.

Der Vorgang wurde nach dem Neuladen (Ausfahren) aller Zylinder bei hoher Geschwindigkeit erneut gestartet.

Systemdaten:
Zugzylinder: 8x
Max. Zugkraft jeweils 150 Tonnen.
Betriebsdruck 600 bar
Hub 2000 mm
Gewicht 1300 kg (inkl. Einhängeösen)
Pumpen: 2x
Maximaler Betriebsdruck 630 bar
Max. Betriebsdruck 1. Stufe 80 bar
Max. Hochdruck-Durchfluss 8 l/min
Min. Hochdruck-Durchfluss 2.6 l/min
Niedrigdruck-Durchfluss 29 l/Min. 29 l/min
Allgemeines:  
Dauer des Zugvorgangs 22 min
Neuladen der Zylinder 13 min
Gesamtzeit je Zugschritt 35 min.

Vorteile integrierter Hydrauliklösungen

Laut Enerpac zeigt das Athener Olympiastadion-Projekt wie die Integration von Hydraulik und Elektronik in einem System zur Steuerung von Hydraulikbewegung bedeutende Probleme lösen kann, an denen konventionelle Methoden scheitern. Mithilfe SPS-gesteuerter Systeme werden Hydraulikbewegungen einfach, zuverlässig und sicher. Jeder Prozessschritt kann ständig überwacht werden. Die Hauptvorteile dieser integrierten Hydrauliklösung sind:

  • Verwendung von doppeltwirkenden Langhub-Zugzylindern erhöht die Systemstabilität im Vergleich zu Stahlseilen erheblich. Dies reduziert die elastische Energie, die zu Beginn der Bewegungen der Konstruktion gespeichert ist. Darüber hinaus verbessern doppelt wirkende Zylinder, mit ihrem Ausfahr- und Rückzugsantrieb, die Kontrolle von Schwerlasten bei unerwarteten externen Krafteinwirkungen (Wind, Trägheit aufgrund plötzlicher Stopps, usw.).
  • Verwendung einer SPS mit Ausführungsprogramm macht die Synchronisation von Bewegungs- und Geschwindigkeitskontrolle einfach und präzise und reduziert damit das Risiko zusätzlicher Belastung der Konstruktion.
  • Durch Ziehen anstelle von Schieben wird die Bewegung stabiler, das Verwindungsrisiko wird reduziert und die Zylindergröße beschränkt.
  • Durch Zweistufen-Pumpen mit hohem Ölfluss lässt sich der Zeitraum für das Neuladen (Ausfahren) der Zylinder erheblich reduzieren.

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