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Sind Außenputz und Wandmalerei restauratorisch ebenbürtig?

(19.5.2006) Auf Initiative von Prof. Dr. Ivo Hammer vom HAWK-Fachbereich Konservierung und Restaurierung trafen sich 2006 aus elf Ländern rund 200 Fachleute in der Villa Tugendhat im tschechischen Brünn, um über die Erhaltung von Oberflächen der Architektur der Klassischen Moderne zu beraten.

Tagung zu Außenputz und Wandmalerei

Anlass für die Tagung waren die Untersuchungen, die die Hildesheimer Restauratoren an den Wand- und Holz-Oberflächen der Villa Tugendhat (Google-Maps) durchführt haben. Andere Oberflächen waren von Hochschulrestauratoren aus Wien und Litomysl/CZ durchgeführt worden. 1928 bis 1930 von Mies van der Rohe geplant, zählt die Villa Tugendhat zu den wichtigsten Bauten der europäischen Moderne. 2001 nahm die UNESCO das inzwischen zu den Brünner Museen gehörende Haus in die Liste des Welterbes auf.

Ziel des Symposiums war es, alle weltweit verfügbaren Erkenntnisse über die an den Bauten der Klassischen Moderne verwendeten Materialien und Techniken zusammenzutragen und deren Erhaltung zu besprechen.

Die provokanteste These kam von Prof. Hammer selbst, der mit einem Verweis auf die Restaurierung von hochkarätigen Wandmalereien die aufwändige Konservierung des ursprünglichen Außenputzes der Villa forderte. Rückendeckung erhielt er von der Kunsthistorikerin Prof. Monika Wagner, die die Vorstellungen damaliger Architekten von einer neuen, Materie überwindenden Architektur beschrieb - gleichwohl aber zu bedenken gab, dass diese Bestrebungen ja "auf das allerengste mit den gewählten Materialien und ihrer Verarbeitung verbunden" waren. Eine Gegenposition vertrat der Architekt John Allan: Auf einer von ihm geleiteten Baustelle in England waren Künstler ein ganzes Jahr lang damit beschäftigt gewesen, das Erscheinungsbild des früheren Putzes malerisch wiederherzustellen.

Die Denkmalpfleger waren auf der Tagung offenbar in der Minderzahl, denn die Frage von Dr. Thomas Danzl auf der Podiumsdiskussion nach der Erhaltung späterer Restaurierungen als Teil der Geschichte der Villa Tugendhat, wurde nicht weiterverfolgt. Stattdessen interessierten sich die Teilnehmer dafür, inwieweit die geplante Ausstellung mit Bildern der Familie Tugendhat im Keller des Hauses angemessen sei. Basierend auf den Erfahrungen mit dem Rietveld Schröder Haus kam aus den Niederlanden der Rat, die Villa als Wohnhaus erlebbar zu machen und die Ausstellung in einem benachbarten Haus aufzustellen. Als der Wunsch nach einem bewohnten Haus geäußert wurde, wies Prof. Dr. Daniela Hammer-Tugendhat, das jüngste Kind des jüdischen Bauherrenpaars, darauf hin, dass die Stille im Haus zur Geschichte ihrer Familie passen würde, denn viele ihrer Verwandten, die nicht vor dem Holocaust geflohen wären, hätten ihn nicht überlebt.

Höhepunkt des Symposiums war ein Besuch in der Villa Tugendhat, bei dem die Restauratoren den Teilnehmern die jüngst entdeckten Befunde erläuterten. Außerdem erzählte Daniela Hammer-Tugendhat von den Berichten ihrer Mutter Greete Tugendhat zum Leben in diesem Haus. Als ihre Mutter das Haus 1969 zum ersten Mal wieder betrat, habe sie die große Onyxwand gestreichelt und gesagt: "Nun habe ich dich endlich wieder."

Die Zusammenfassungen der wichtigsten Tagungs-Beiträge sind auf der Website des Hornemann Instituts unter E-Publication kostenfrei einzusehen. Auf Wunsch der Teilnehmer ist geplant, die Beiträge in einem Buch zu publizieren. Es liegen schon verschiedene Angebote von Institutionen vor, das Buch in ihrer Schriftenreihe aufzunehmen.

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