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„Intelligentes“ Test-Badezimmer von Wirtschaftswissenschaftlern für Produktdesigner

(22.11.2012) Wolfgang Maass, Professor für Betriebswirt­schaftslehre mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik im Dienstleistungsbereich, und sein Team entwickeln im Projekt „Interactive Knowledge Stack“ (IKS) der EU seit 2009 ein „in­telligentes“ Badezimmer. Der Raum voller Hightech reagiert in­dividuell auf die jeweilige Situation der Nutzer. Das Badezimmer ist für die Forscher ein Testobjekt. Derzeit scheitern nämlich noch viele Produktideen daran, dass Fehler im Design viel zu spät entdeckt werden, weil die Entwickler - Ingenieure, Desig­ner, Informatiker - jeweils nicht wissen, was die anderen ma­chen. Sie sprechen buchstäblich andere Sprachen.

Die Wirtschaftswissenschaftler wollen das Wissen auf eine for­male Ebene heben, das für die Entwicklung von IT-basierten Produkten, so genannten „Produkt-Service Systemen“, wichtig ist. Ist dieses Wissen für solche Prozesse formalisiert, könnten Designfehler vermieden und die Entwicklung neuer Produkte günstiger werden.

„Computer: Licht!“

Sätze wie dieser, die in den 80er Jahren allenfalls die Besatzung des Raumschiffes En­terprise sprechen konnte und es tatsächlich heller wurde, sind inzwischen längst keine Science Fiction mehr. Sprachbefehle verstehen inzwischen zahlreiche Mobiltelefone. Viel schwieriger ist es jedoch, dem Computer beizubringen, dass sich die Ansprüche und Anforderungen eines bestimmten Nutzers von denen eines anderen Nutzers in derselben Umgebung unterscheiden und der Computer das auch automatisch erkennt.

Das „intelligente“ Badezimmer von Wolfgang Maass und seinem Team funktioniert nach dem Prinzip des Semantischen Webs: Das Badezimmer soll demzufolge verschiedene Informationen in völlig neuen Situationen miteinander verknüpfen können. Es erkennt, wer gerade im Badezimmer steht und wo sich die Person befindet. Je nach Standort wird die Beleuchtung des Raums geändert. Möchte der Badezimmerbenutzer in der Du­sche die Nachrichten schauen, werden diese auf einer Projektionsfläche in der Dusch­kabinenwand angezeigt. Verlässt er die Dusche, während die Nachrichten noch laufen, erkennen die Sensoren im Raum das und projizieren das Videobild auf eine Fläche vor der Duschkabine.

Ein anderer Nutzer schaut abends hingegen gerne Kinofilme. Betritt er morgens das Bad, schlägt ihm das „intelligente“ Bad beispielsweise vor, welche Filme er sich abends im Kino anschauen könnte. Entscheidet er sich für einen Streifen, kann er über das System auch die Karten bestellen.

„Internet der Dinge“

„Wir sprechen hier auch vom so genannten 'Internet der Dinge'. Dabei geht es um die Vernetzung physischer Alltagsumgebungen mit digitalen Diensten zur besseren Anpas­sung an den Nutzer und Nutzergruppen“, erklärt Professor Maass. Ein bekanntes Bei­spiel für das Internet der Dinge sind RFID Tags, kleine Funksensoren, die den Standort von Gegenständen und Menschen übermitteln und die mittlerweile überall verwendet werden. „Im Projekt IKS verwenden wir zwar andere Sensortechniken zur Identifika­tion von Objekten und Nutzern, jedoch ist das intelligente Bad eine der wenigen, inte­grierten Anwendungen des Internets der Dinge, die sich an das Verhalten von Men­schen anpassen“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Demnach soll das Bad natürlich mehr sein als reine Spielerei. Denn wie der Computer letztlich die individuellen Entscheidungen trifft, wie er Informationen also je nach Si­tuation unterschiedlich zusammensetzt und analysiert, daran forschen die Saarbrücker Wissenschaftler. „Die Entwicklung von neuen IT-Systemen geht in mindestens 50 Pro­zent aller Fälle schief“, erklärt Wolfgang Maass. „Den Grund dafür müssen wir verste­hen.“ In der Produktentwicklung spielen viele Menschen eine Rolle: Testnutzer sagen, wie im Beispiel des Badezimmers auch, was sie für sinnvoll halten. Designer entwerfen das Bad, Informatiker und Ingenieure setzen es in die Wirklichkeit um. „Und jeder kommt im Laufe des Entstehungsprozesses immer wieder mit neuen Ideen und Anre­gungen“, erklärt Wolfgang Maass das Problem. Das Produkt wird letzten Endes zu teu­er und zu überfrachtet.

Das Wissen, wie ein IT-System wie im Beispiel des Bades entworfen werden muss, da­mit es umgesetzt werden kann und nicht überfrachtet wird, muss daher formalisiert werden. Bisher ist das nicht der Fall. „Geht in einer späteren Phase der Produktent­wicklung etwas schief, wird es meist sehr teuer, diesen Fehler wieder auszubügeln“, so der Wirtschaftswissenschaftler Maass. „Die Ursachen für einen solchen Fehler lie­gen dagegen nämlich oft in frühen Phasen der Entwicklung, bleiben aber lange unent­deckt.“ Wird das IT-Wissen allerdings auf eine formalisierte Ebene gehoben, können sich alle an der Entwicklung eines Produktes beteiligten Personen daran orientieren. Informatiker verstehen dann, was die Ingenieure machen, Designer wissen, was die Endnutzer wollen. So werden Produkte also gleichermaßen günstiger und „intelligen­ter“.

Das intelligente Badezimmer ist Teil des Projektes „Interactive Knowledge Stack“ (IKS) der Europäischen Union. Ende des Jahres wird das Projekt auslaufen. Zwischenzeitlich ist es mehrfach von Gutachtern als „exzellent“ eingestuft worden. Beteiligt an dem Projekt ist auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saar­brücken.

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