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Weniger Lärm, besserer Klang - 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Akustik

(25.4.2007, Internationaler Tag gegen Lärm) Aufblasbare Schallwände, die vor dem Krach an Baustellen schützen, Wege zu weniger Straßenlärm sowie das Thema Sprache im Automobil waren einige der aktuellen Forschungsthemen bei der 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA), die im März an der Universität Stuttgart stattfand. Rund 1.100 Akustik-Fachleute aus aller Welt diskutierten die neuesten Entwicklungen rund um die Themen Schall und Schallschutz. Die Tagung zählt zu den weltweit größten Veranstaltungen dieser Art. Veranstalter sind neben der DEGA der Lehrstuhl für Bauphysik der Universität Stuttgart sowie das Fraunhofer Institut für Bauphysik.


Ob bei Brücken oder Hochhäusern, im Straßenbau, in der Automobilindustrie oder in der Medizin: Schall und Schwingungen, Lärm und Klang stellen schon heute bei vielen praktischen Fragen ein wichtiges Entscheidungskriterium dar. "Künftige Akustiker werden viele Fragen und viele Probleme lösen müssen", sagten die Tagungsleiter Prof. Schew-Ram Mehra vom Lehrstuhl für Bauphysik der Universität Stuttgart und Dr. Phillip Leistner vom Fraunhofer IBP. "Der Grundstein des dafür erforderlichen Wissens muss heute gelegt werden." Hierzu decken die rund 480 Tagungsbeiträge ein facettenreiches Themenspektrum ab. Es reicht von Audiotechnik und Bauakustik über Fahrzeugakustik und Lärmschutz bis zu technischer und medizinischer Akustik, Sprachverarbeitung und Ultraschall. Schwerpunkte sind die Bereiche Lärmreduzierung und die Qualität akustischer Systeme.

"Dass die Tagung nun zum dritten Mal in Stuttgart stattfindet, unterstreicht die Bedeutung des Standorts für die internationale Akustik-Forschung", betonte Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel. Die Disziplin ist an der Universität Stuttgart durch Akustiker wie Richard Feldkeller traditionell etabliert und heute in sechs der zehn Fakultäten sowie in außeruniversitären Forschungseinrichtungen verankert. "Dies schafft hervorragende Voraussetzungen für die intersektorale Bearbeitung von Forschungsfragen, die für die Lebensqualität zahlreicher Menschen von zentraler Bedeutung sind", so Ressel weiter. DEGA-Präsident Prof. Hugo Fastl ergänzte, dass "an der Universität Stuttgart neben der Forschung auch die multimediale Lehre in der Akustik eine herausragende Rolle spielt". Zwei Tools, das "Virtuelle Labor Akustik" (SonicLab)" und das "Virtuelle Praktikum Bauakustik", die bereits an vielen Hochschulen in der Lehre verwendet werden, wurden mit dem "Award 2005 der Universität Stuttgart" ausgezeichnet. "Damit wird den Studierenden die Möglichkeit eröffnet, virtuelle bau- und raumakustische Messungen unter veränderten Material- und Randbedingungen durchzuführen", so Fastl.

Aus dem Themenkreis der Tagung wurden bei einer Pressekonferenz einige herausragende Forschungsprojekte vorgestellt.

1. Projekt "Aufblasbarer Lärmschutz" - Prof. Schew-Ram Mehra, Universität Stuttgart, Dr.-Ing. Phillip Leistner, Fraunhofer-Institut für Bauphysik, Stuttgart (siehe Eingangsbild und Bild rechts).

Lärmquellen wie eine Baustelle, eine Sportveranstaltung oder eine Umleitungsstrecke sind zwar nicht von Dauer, deshalb aber nicht weniger störend. Da konventionelle Schallschirme teuer und nur stationär einsetzbar sind, gibt es noch keine geeigneten Maßnahmen, die vor derartigem temporären Krach akustisch wirksam schützen und dabei flexibel und wirtschaftlich sind. Folien und Membranen (kunststoffbeschichtete Textilien) wurden bisher aufgrund ihrer sehr geringen flächenbezogenen Masse für Schallschutzzwecke als ungeeignet angesehen. Untersuchungen des Lehrstuhls für Bauphysik der Universität Stuttgart und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zeigen jedoch, dass selbst bei einschaligen Konstruktionen aus Folien und Membranen Dämmwerte von 20 Dezibel und mehr erreichbar sind.

Um dies zu erreichen, verfolgen die Wissenschaftler die Idee aufblasbarer Schallschirme. Hierbei handelt es sich um selbsttragende, aufblasbare Elemente aus Folien oder Membranen, aus denen sich Bauteile unterschiedlicher Form und Größe (beispielsweise Wände, Hüllen oder Kapseln) herstellen lassen. Ihr Vorteil besteht im geringen Gewicht und der einfachen sowie schnellen Montage. Gefüllt werden die Elemente ganz einfach mit Luft. Die Elemente können eine oder mehrere Luftkammern sowie elastische Verbindungsstege (Abstandhalter) zwischen den äußeren Schalen enthalten, die die Form und Stabilität in aufgeblasenem Zustand bestimmen. Eine zusätzliche Tragekonstruktion ist in der Regel nicht erforderlich. Akustisch gesehen stellen die Elemente leichte, biegeweiche Doppelschalen dar. In ihrer akustischen Wirksamkeit stehen sie den herkömmlichen Systemen nicht nach.

Der erzielbare Immissionswert resultiert aus Überlagerung des an den Kanten gebeugten und des durch den Schirm durchgehenden Schallanteils. Der gebeugte Anteil hängt im Wesentlichen von den geometrischen Verhältnissen des Schirmes ab und ist deshalb bei aufblasbaren und massiven Konstruktionen gleich groß. Der Transmissionsanteil durch den Schirm kann bei einem bewerteten Schalldämm-Maß der Konstruktion von 20 bis 25 Dezibel vernachlässigt werden. Dieser Wert wird bei entsprechender Konstruktion von leichten, aufblasbaren Elementen ohne zusätzlichen konstruktiven Aufwand erreicht. Durch die Verfeinerung der Partionierung der Schirmfläche, Variation der Geometrie der Kammern, Gestaltung der Form und Anpassung des Fülldrucks ergeben sich auch höhere Schalldämmwerte. Die materialbedingten Eigenschaften - wie Brennbarkeit, Wetterbeständigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Wandalismus - der zu verwendenden Folien und Membranen sind noch zu untersuchen.

2. Forschungsschwerpunkt "Leiser Straßenverkehr" - Prof. Wolfram Ressel, Universität Stuttgart, Institut für Straßen- und Verkehrswesen, Lehrstuhl für Straßenplanung und Straßenbau

Der Straßenverkehr ist die Lärmquelle, von der sich die meisten Menschen belästigt fühlen oder auch gesundheitlich bedroht sind. Da Schutzmaßnahmen wie Lärmschutzwände oder schallschluckende Fenster stets nur punktuelle Wirkung entfalten, spielen effektive Maßnahmen am Emissionsort, also am Fahrzeug selbst (Reduzierung des Antriebsgeräuschs) und an der Kontaktfläche von Reifen und Fahrbahn (Reduzierung des Rollgeräuschs), auf dem Weg zum "leisen Straßenverkehr" eine immer wichtigere Rolle. Auf der DAGA werden innovative Fortentwicklungen der Fahrbahndeckschichten und der Reifentechnologie diskutiert und Ideen für Neuentwicklungen vorgestellt, die im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Verbundprojekts "Leiser Straßenverkehr 2" untersucht werden. Partner in diesem Forschungsverbund sind unter anderem das Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart, das Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke in Stuttgart, die Bundesanstalt für Straßenwesen, die Universitäten Hamburg-Harburg, Hannover und die TU München sowie mehrere Wirtschaftspartner.


Oberfläche eines offenporigen Asphalts.

Setzt man beim Straßenbelag an, so kann der Lärm durch die Wahl geeigneter Materialien sowie durch die gezielte Beeinflussung der Textur vermindert werden. So können offenporige Asphalte (so genannte Flüsterasphalte) hohe Pegelminderungen von vier bis fünf Dezibel erreichen. Dieser Effekt verpufft ohne Gegenmaßnahmen jedoch nach einigen Jahren. Hier wird durch das Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart sowie das Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke e.V. an der weiteren Verbesserung der Dauerhaftigkeit gearbeitet (siehe auch Beitrag "Stuttgarter Wissenschaftler wollen Lebensdauer von "Flüsterasphalt" erhöhen" vom 19.2.2007). Bezüglich der Weiterentwicklung von Fahrbahndecken wird zudem durch die Firma Müller-BBM am Einsatz von so genannten reaktiven Absorberkörpern in Straßendecken gearbeitet, die den Straßenlärm weiter dämpfen sollen.

Die Betrachtung der Fahrbahnoberfläche alleine genügt jedoch nicht. Auch der Reifen als "Gegenpart" und die Interaktion zwischen Reifen und Fahrbahn sind wichtige Ansatzpunkte zur Emissionssenkung. Von großer Bedeutung ist dabei die Simulation und Modellierung von Prozessen, die beim Abrollen von Reifen auf Fahrbahnoberflächen ablaufen. Ziel ist die Gewinnung von Grundlagenwissen, um die Entwicklung lärmoptimierter Straßenbeläge und Reifen voranzubringen. Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Übergänge zu Brücken, da an diesen Stellen durch Fugen- beziehungsweise Übergangskonstruktionen hohe Lärmpegel emittiert werden. Gezielte Verbesserungen im Hinblick auf die Konstruktion und den Einbau solcher "Fugen" sind in Bearbeitung. Wird zudem das Reifenprofil so gestaltet, dass die Schwingungsanregungen vermindert und die Luftverdrängung durch den Reifen optimiert wird, trägt dies erheblich zur Senkung von Schallemissionen bei. Diese Problematik wird insbesondere im Hinblick auf die Lkw-Bereifung intensiv bearbeitet.

3. Projekt "Sprache im Kraftfahrzeug" - Dr. Gudrun Klasmeyer, Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr, Berlin, Dr. Hans-Wilhelm Gierlich, HEAD acoustics GmbH, Herzogenrath; Vorgestellt durch Prof. Hugo Fastl, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Akustik

Im fahrenden Auto sind Gespräche schon wegen der Hintergrundgeräusche meist schwierig. Dies gilt insbesondere für Gespräche zwischen den Front- und Rücksitzpassagieren. Neben der Sprache kommen deshalb heute auch andere Formen akustischer Kommunikation zum Einsatz. Wie sich diese auf die Insassen auswirken, ist Gegenstand aktueller Untersuchungen. Im Mittelpunkt stehen zum einen Freisprecher, deren Komponenten sowie die Evaluierung der Übertragungsqualität und Sprachverständlichkeit von Komponenten und Systemen. Ein zweites Themenfeld sind Sprachbediensysteme, deren Komponenten und die Qualität der Spracherkennung, Sprachausgabe (empfundene Qualität) und Dialogstruktur (Nutzerorientierung, Nutzerakzeptanz). Ein dritter Bereich sind die Kommunikationssysteme innerhalb von Fahrzeugen und deren Komponenten. Hier geht es vor allem um die Verbesserung der Sprachverständlichkeit im Fahrzeug. Aber auch Systeme zur Sprachkommunikation zwischen Fahrzeugen und deren Anforderungen werden untersucht.

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