Flammschutzmittel ohne Gift
(5.11.2013) Elektronik, Fahrzeuge, Textilien - kaum ein Produkt kommt heute ohne Kunststoffe aus. Doch der Werkstoff ist leicht brennbar, er muss daher vor Flammen geschützt werden. Mit neuen Verfahren sollen sich nun umweltverträgliche Flammhemmer einfach herstellen lassen.
Heutzutage enthalten Wohnungen und Büros wesentlich mehr brennbare Materialien als noch vor Jahrzehnten: Möbel, Elektronik- und Elektrogeräte etwa bestehen größtenteils aus leicht entzündlichen Materialien. Ohne den Zusatz von Flammschutzmitteln würden diese Produkte unter Einfluss einer Zündquelle in kürzester Zeit lichterloh brennen. Beispielsweise geht ein Fernseher ohne die schützenden Additive nach acht Minuten in Flammen auf, während ein TV-Gerät mit Flammschutz nach dieser Zeit noch unbeschädigt ist. Am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF entwickeln Prof. Dr. Manfred Döring und sein Team Flammschutzmittel (FSM) für polymere Werkstoffe, unter anderem für den Transportbereich, die Baubranche und für elektrische und elektronische Anwendungen. „Flammschutzmittel sollen Brände verhindern und die Ausbreitung des Feuers verzögern. Die Fluchtzeit erhöht sich auf bis zu 20 Minuten. Die Wahrscheinlichkeit, einen Brand unbeschadet zu überstehen, steigt somit deutlich“, so Döring.
Flammschutzmittel müssen hohe Anforderungen erfüllen
Die Anforderungen an die Flammschutzmittel sind hoch: Sie sollen umweltverträglich, für Mensch, Tier und Pflanzen unbedenklich sein und bei einem Brand keine zusätzlichen toxischen Rauchgase freisetzen. Darüber hinaus dürfen sie nicht aus dem fertigen Produkt in die Luft oder ins Wasser freigesetzt werden. Die Forscher müssen sicherstellen, dass das Flammschutzmittel nicht mit dem Kunststoff oder anderen Bestandteilen unerwünscht reagiert und damit das Material verändert oder dessen Funktionalität und Aussehen beeinflusst. Döring: „Flammgeschütze Berufskleidung etwa muss waschbar sein, ohne dass der Flammschutz dadurch beeinträchtigt wird. Leiterplatten in elektronischen Geräten müssen sowohl bei -40° C als auch bei +60 °C über viele Jahre flammgeschützt funktionstüchtig bleiben, damit bei einem möglichen Kurzschluss kein Brand entstehen kann“. Daher werden Flammschutzmittel exakt auf den jeweiligen Kunststoff abgestimmt. Je nach Anwendung handelt es sich dabei um anorganische, phoshor- und stickstoffhaltige Verbindungen.
Vom 16. bis 23. Oktober stellten die Fraunhofer-Forscher auf der Messe K in Düsseldorf ein halogenfreies, polymeres Flammschutzmittel für Fasern vor, das sich beispielsweise für flammhemmend ausgerüstete Sitzbezüge eignet. Bemerkenswert ist die Einbringung des polymeren Flammschutzmittels während der Extrusion, einer in der Kunststoffindustrie gängigen Verfahrenstechnik: Die Wissenschaftler mischen dazu ein fasergeeignetes Polymer mit einem flammgeschützten Polymer im Extruder. Die Verarbeiter können auf diese Weise erstmals die Quantität des Flammschutzpolymers selbst wählen und somit das flammhemmend ausgerüstete Polymer nach eigener Rezeptur produzieren.
Derzeit bauen die Forscher vom LBF ein Brandschutzlabor auf, das Ende 2014 mit einem breit gefächerten Leistungsangebot in Betrieb gehen soll: Die Chemiker und Ingenieure testen die Effizienz von Flammschutzmitteln in Polymeren und entwickeln Rezepturen für Kunststoffe wie Thermoplaste, Duromere und Composite. Zudem prüfen sie Systeme, die aus mehreren Komponenten bestehen und untersuchen sie auf ihre Effizienz – synergistische Abmischungen nennen die Experten diese Zusammensetzungen, die sich in ihrer Wirkung vervielfältigen. Darüber hinaus synthetisieren sie halogenfreie Flammschutzmittel und führen gegebenenfalls eine Maßstabsvergrößerung der Synthese durch. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, schließlich müssen immer mehr Bauteile aus Kunststoff flammhemmend ausgerüstet werden.
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