Polystyrol-Dämmstoff künftig Sondermüll?
(13.11.2015) Ausgediente Dämmplatten aus Polystyrol müssen nach Informationen der NDR Doku-Reihe „45 Min“ künftig als Sondermüll behandelt werden. Der Rückbau einer Wärmedämmung mit dem am häufigsten verwendeten Dämmstoff dürfte sich dann für Hausbesitzer erheblich verteuern. Zudem müsse die Entsorgung lückenlos dokumentiert werden - darüber will „45 Min“ laut Vorankündigung berichten ...
- am Montag, 16. November,
- ab 22:00 Uhr
- in der Dokumentation „Die Wärmedämmerung“
- im NDR Fernsehen.
Der parlamentarische Staatsekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), Florian Pronold, soll dem NDR bestätigt haben, dass derzeit die Abfallverzeichnisverordnung entsprechend novelliert werde. Im Frühjahr 2016 solle die neue Regelung in Kraft treten. Dann würden beim Abriss einer Wärmedämmung aus Polystyrol neue Regeln gelten:
- Galt Polystyrol-Dämmung bislang als Kunststoffabfall oder gemischter Bauabfall,
- so will sie der Gesetzgeber künftig als gefährlichen Abfall einstufen - also Sondermüll.
Aktuell werden die Dämmstoff-Platten in der Regel geschreddert, mit anderen Abfällen zu einem Ersatzbrennstoff vermischt und anschließend in Industriekraftwerken „thermisch verwertet“. Künftig müssen die Polystyrol-Abfälle in teurere Sondermüllverbrennungsanlagen gebracht werden.
Angesichts der bereits verklebten riesigen Mengen befürchten laut NDR „Bauexperten logistische Probleme, wenn in der Zukunft das Gros der Dämmsysteme zur Entsorgung ansteht.“ Andererseits könnte man WDV-Systeme aber auch aufdoppeln - siehe Baulinks-Magazin „WDVS-Aufdopplung als Konzept der Fassadensanierung“.
Zur Erinnerung: Bundesweit sollen etwa 800 Mio m² der Hartschaumplatten an Fassaden kleben - eine Fläche größer als das Stadtgebiet von Hamburg. Polystyrol, besser bekannt als Styropor, ist das billigste und deshalb meistverwendete Dämmmaterial. Der Kunststoff wird unter vergleichsweise hohem Energieeinsatz aus Erdöl hergestellt und ist brennbar. Die Dämmplatten enthalten daher oft ein Flammschutzmittel wie Hexabromcyclododecan (HBCD). Dieses soll im Brandfall verhindern, dass sich ein Feuer an der Fassade schnell ausbreitet. Doch HBCD gilt laut Europäischer Chemikalienagentur als „besonders besorgniserregend“: Es reichere sich in der Natur und in Organismen an und stehe im Verdacht, die Fortpflanzung zu schädigen. Im Brandfall stehen HBCD-belastete Dämmplatten zudem unter Verdacht, die Entstehung von hochgiftigen Dioxinen und Furanen zu ermöglichen.
außerdem im Fokus: Biozide in Fassadenfarben und -putzen
Wie weitere Recherchen von „45 Min“ ergeben haben sollen, beabsichtige das Bundesumweltministerium zudem, den Einsatz von Bioziden in Putzen und Farben umfangreicher zu dokumentieren. Bisher gebe es kaum belastbare Daten.
Zur Erinnerung: Biozide werden bei der Wärmedämmung für den Fassadenputz und Anstrich verwendet, um das Algen- oder Schimmelpilzwachstum an Hausfassaden zu unterbinden. Ihre Wirkung ist jedoch nicht von Dauer, da die Giftstoffe mit dem Regen ausgewaschen werden und in Böden und Gewässer gelangen.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Verordnung zum Umgang mit POP-Abfällen (inkl. HBCD-haltiger Dämmstoffe) vom Kabinett beschlossen (8.6.2017)
- Bundesverordnung verspricht Entschärfung/Lösung(?) der HBCD-Krise (23.4.2017)
- Dachdeckerverband: „Polystyrol-Entsorgung weiterhin problematisch“ (26.3.2017)
- Alles wieder gut? Bundesrat will befristete Ausnahmeregelung für HBCD-haltige Dämmstoffe (16.12.2016)
- IVH informiert über die Entsorgung von EPS mit HBCD (27.10.2016)
- weitere Details...
ausgewählte weitere Meldungen:
- DBU: „Weiße Weste“ für Hausfassaden ohne Biozide und schädliche Haushaltsmittel (24.9.2015)
- Nebeltrinker-Käfer-Fassadenfarbe von Sto ist „Die Oberfläche 2015“ (26.7.2015)
- Sto reagiert mit einem „Weißbuch“ auf kritische Medienberichte zur Fassadendämmung (28.6.2015
- Forschungsprojekt: Dämmdicke folgt Wärmeströmen im Sinne der Fassadengestaltung (1.6.2015)
- 0,0038% Brandereignisse mit Dämmstoffen - aber besorgniserregender Brandhemmer (9.3.2015)
- Studie zu WDVS-Recycling und -Verwertung: „Entsorgungsprobleme sind nicht zu erwarten.“ (30.1.2015)
- Weber baut Produktreihe biozidfreier AquaBalance-Fassadenputze aus (23.10.2014)
- BASF hat erste Styrodur-Anlage komplett auf neues Flammschutzmittel umgestellt (20.6.2014)
- Erweitertes und aktualisiertes Expertenwissen zu WDVS und Brandschutz (19.5.2014)
- Flammschutzmittel ohne Gift (5.11.2013)
siehe zudem:
- Wärmedämm-Verbundsystem im Fassaden-Magazin sowie Baustoff-Recycling von Baulinks
- Literatur / Bücher zum Thema Wärmedämm-Verbundsystem bei Amazon