Mehrfach gekrümmte Gewölbekonstruktionen aus Ziegelsteinen neu gedacht: modular
(27.11.2019) Gewölbekonstruktionen aus Ziegeln waren über Jahrhunderte eine durch und durch etablierte Methode, um größere Räume und Spannweiten ohne Stützen zu überbrücken. Der recht große Aufwand in der Herstellung hat allerdings dazu beigetragen, dass diese Art von Tragwerken inzwischen kaum noch eingesetzt wird.
Dipl.-Ing. Architekt BDA Alexander Pick und sein Team vom Institut für konstruktives Gestalten und Baukonstruktion (KGBauko) der TU Darmstadt haben nun gemeinsam mit verschiedenen Projektpartnern ein Verfahren entwickelt, das eine kostengünstige Herstellung von mehrfach gekrümmten Ziegelschalen aus ebenen Fertigteilen ermöglicht. Daran beteiligt sind die ...
- Deppe Backstein-Keramik GmbH,
- Steenfelder Betonwerk Johann Meinders GmbH sowie die
- Ripkens Wiesenkämper Beratende Ingenieure PartGmbH.
Zur Erinnerung: Dünne tragende Konstruktionen nennt man Flächentragwerke. Sind diese zusätzlich gekrümmt, spricht man von Schalen. Schalentragwerke aus Ziegeln gelten als hoch belastbar, ästhetisch und können bei recht geringen Querschnitten vergleichsweise große Spannweiten abdecken. Ihre Herstellung gilt jedoch als material- und personalintensiv - insbesondere weil für den Bau eine Unterkonstruktion in Form eines vollflächigen sogenannten Lehrgerüsts erforderlich ist. Dieses gibt die Wölbung vor und kann erst nach der kompletten Fertigstellung entfernt werden, da Schalentragwerke aus Ziegeln erst mit dem letzten Stein voll tragfähig sind. Neue Tragwerke dieser Art werden daher praktisch nicht mehr gebaut.
Entwicklung eines Computermodells
In einem Forschungsprojekt des KGBauko-Instituts hat das Team um Alexander Pick im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau untersucht, ob und wie sich Ziegelschalen doch wirtschaftlich herstellen lassen - etwa durch den Einsatz von Fertigteilen. Die Arbeiten dazu erfolgten zweistufig: zunächst digital am Computer, danach mit Ziegeln im Feldversuch. Der Entwurf und die Berechnungen der Ziegelschale wurden mit Hilfe eines Computermodells durchgeführt. Dafür wurde ein Prototyp von 15 Metern Länge und 11,5 Zentimetern Dicke mit mehrfach gekrümmter Geometrie als 3D-Modell am Computer entworfen. Dabei wurde bewusst eine komplexe, statisch und konstruktiv eher ungünstige Geometrie gewählt, um die Leistungsfähigkeit des Prinzips nachzuweisen.
Unterteilung in einzelne Module
„Die Grundidee unseres Projekts besteht darin, aus ausschließlich ebenen viereckigen Modulen eine gewölbte und gekrümmte Form herzustellen“, erklärt Herr Pick. Dafür wurde das Tragwerk mit Hilfe des Computermodells in Module unterteilt, die aus einer gleichbleibenden Anzahl an Ziegeln bestehen. Diese Module sind zwar alle viereckig und etwa einen Quadratmeter groß, weisen aber unterschiedliche Winkel auf, um so größtmögliche Gestaltungsfreiheit bei der Formgebung des Tragwerks zu haben.
Verzicht auf vollflächiges Lehrgerüst
Auch die Ziegelsteine wurden entsprechend den baukonstruktiven Anforderungen von den Forschern weiterentwickelt, damit sie später im Fertigteil eine Längs- und Querbewehrung aufnehmen konnten und sich auf der Baustelle kraftschlüssig mit Hilfe eines „Übergreifungsstoßes“ verbinden ließen. Und da keine einzelnen Ziegel mehr verbaut wurden, sondern stabile vorgefertigte Module, war auch kein vollflächiges Lehrgerüst zur Unterstützung mehr nötig. Die Module wurden über ein digital generiertes und direkt in den Fertigungsprozess übertragenes Lehrgerüst auf je vier Holzstiele aufgelegt, deren Querschnitte jeweils individuell geneigt waren. Zusätzlich wurden aus dem digitalen Modell 1:1-Schablonen zur exakten Positionierung der Fertigteile gefertigt. Die sich dabei ergebenden Versätze der einzelnen Fertigteile wurden bewusst als Fügemechanismus zur Aufnahme der durchgängigen Längsbewehrung zur Geometrieoptimierung erzeugt.
Alte Technik in Digitalzeitalter transformiert
Alle Details, wie die Größe und Winkel der Module, die Ziegel und ihre Anordnung sowie die Abmessung und Anordnung des Lehrgerüsts, seiner Stiele und Schablonen, wurden vorab digital ermittelt und optimiert. Das Computermodell hat damit nicht nur den Entwurf und die Bemessung der Ziegelschale erleichtert, auch die Unterkonstruktion für den Bau des Tragwerks konnte auf diese Weise wirtschaftlich realisiert werden.
Nach den digitalen Vorgaben wurden Ziegel und Module schließlich hergestellt und zu der am Computer entworfenen gebogenen und gewölbten Gesamtkonstruktion zusammengesetzt. Das so erbaute Schalentragwerk sieht nicht nur elegant und grazil aus, es hielt auch einem typischen Belastungstest für Tragwerke stand.
Weitere Informationen zu Sonderkonstruktionen aus Ziegelsteinen können per E-Mail an Deppe angefordert werden.
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- Gewölbe aus 3D-Formteilen für Massiv- und Trockenbau (1.3.2011)
siehe zudem:
- Geschossdecken im Rohbau-Magazin sowie Anbeiter von Backsteinen auf Baulinks
- Literatur / Bücher über Betonbau bei Baubuch / Amazon.de