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Projekt LowEx im Bestand: Einsatz von Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern

(25.10.2023) Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), das INATECH der Universität Freiburg und das Karlsruher Institut für Technik (KIT) entwickelten im gemeinsamen Projekt „LowEx im Bestand” Lösungen für den Einsatz von Wärmepumpen, Wärmeübergabe- und Lüftungssystemen in energetisch sanierten Mehrfamilienhäusern. Im Abschlussbericht werden Lösungsansätze und beispielhafte Umsetzungen aufgezeigt.

Der größte Hebel der Energiewende sind mit Blick auf die Struktur des Gebäudesektors die Bestandsgebäude. Ein Großteil der Gebäude (62%) wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1977 errichtet und verursachen rund zwei Drittel des Endenergieverbrauchs. Erhebliches Potenzial zur Absenkung der CO₂-Emissionen bieten Wärmepumpen, wenn man sie in sogenannten LowEx-Systemen einsetzt. Sie arbeiten durch geringe Temperaturdifferenzen zwischen Heizmedium und Nutzwärme besonders effizient. Während Wärmepumpen in Ein- und Zweifamiliengebäuden im Neubau und im Bestand vermehrt eingesetzt werden, sind sie im Geschosswohnungsbau noch wenig verbreitet. Das Thema, an dem das Fraunhofer ISE schon seit Jahren arbeitet, rückt nun aufgrund steigender Energiepreise stärker in den Fokus.

Jeannette Wapler vom Fraunhofer ISE erläutert: „Die Herausforderungen liegen hier in der höheren erforderlichen Leistung des Wärmeerzeugers und der Lage der Gebäude in dicht bebauten Quartieren. Zudem erfolgt die Wärmeübergabe und die Trinkwasserbereitstellung in diesen Gebäuden häufig mit hohen Vorlauftemperaturen.”

Eine ganzheitliche Analyse

Die Zuordnung von Systemkonzepten zu Mehrfamilienhaus-Gebäudetypen unter Einbeziehung des Nutzerkomforts, wirtschaftlicher Aspekte und der erreichbaren CO₂-Emissionssenkung wurden im Analyse-Teil des Vorhabens systematisch untersucht und bewertet. Das Forschungsteam führte dabei eine ganzheitliche Analyse der Wärmeversorgung von der Niedertemperaturquelle bis zur Wärmeübergabe durch. Unter anderem wurden dabei die Potenziale einer Solarisierung der Gebäudehülle, mögliche Quellenkombinationen und der Einsatz von Hybridsystemen betrachtet.

Die Wärmepumpenhydraulik des HEAVEN-Systems nutzt die Synergien von Luft (Verfügbarkeit, Kosten) und Erdwärme (Temperaturen, Effizienz) und löst das Problem der begrenzten Flächen in Städten. (Bild: Fraunhofer ISE) 

Neue LowEx-Technologien

Gemeinsam mit Industriepartnern erarbeitete das Forschungsteam in fünf Teilprojekten neue LowEx-Komponenten und -systeme für Mehrfamilienhäuser. Mit dem Heizungshersteller Viessmann wurde so ein Mehrquellen-Wärmepumpensystem im Teilprojekt „HEAVEN” entwickelt. In Innenstädten reicht häufig die Fläche für Erdsondenbohrungen nicht aus und die Wärmequelle Außenluft ist vergleichsweise ineffizient und weist höhere Schallemissionen auf. Das Mehrquellen-Wärmepumpensystem kombiniert die Vorteile der beiden Wärmequellen Außenluft und Erdreich, sodass nur eine reduzierte Bohrfläche benötigt und dennoch die hohe Effizienz einer Solewärmepumpe erzielt wird. 

Prof. Andreas Wagner vom KIT erklärt: „Bei der Sanierung von Mehrfamilienhäusern kommt auch der dezentralen Wohnraumlüftung eine wichtige Rolle zu, da hier erhebliche Energieeinsparpotenziale schlummern und die nachträgliche Installation deutlich einfacher und kostengünstiger ist.” Die Regelung von dezentralen Lüftungsgeräten konnte daher im Projekt optimiert und eine Methode zur Bewertung dieser Geräte erstellt werden. Am Fraunhofer ISE wurde dafür eine nutzerzentrierte, selbstlernende Regelung für dezentrale Pendellüfter entwickelt und im Energy Smart Home Lab des KIT erfolgreich demonstriert. 

Weitere Projektteams widmeten sich Hybridsystemen, Wärmepumpen mit einem Kältemittelkreislauf auf Basis des Kältemittels Propan, fassadenintegrierten Lüftungsgeräten sowie Hochtemperaturwärmepumpen.

Nachweis der Machbarkeit

In drei beispielhaften Sanierungsprojekten wurden die in den Technologieprojekten entwickelten Versorgungstechnologien eingesetzt, messtechnisch detailliert begleitet und bewertet. 

„Wertvoll war dabei die Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft, der Wärmepumpenindustrie und den Energieversorgern, die ihre verschiedenen Sichtweisen in das Projekt eingebracht haben“, erklärt Projektleiterin Dr.-Ing. Constanze Bongs vom am Fraunhofer ISE. 

Sowohl die Performance der demonstrierten LowEx-Systeme als auch der Sanierungsprozess an sich, wird von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern analysiert. In Kooperation mit der KES Karlsruher Energieservice GmbH realisierte das Team ein komplexes Energieversorgungskonzept für fünf Bestands-MFH mit 160 Wohnungen in Karlsruhe-Durlach. Die neue Energieversorgung basiert auf der smarten Kombination von Technologien: Alle Dächer wurden mit Photovoltaik-Anlagen belegt. Zwei Gebäude werden durch Wärmepumpen mit Spitzenlast-Gaskessel versorgt.

Ein Mehrfamiliengebäude im Smarten Quartier Karlsruhe-Durlach. Auf dem Dach wurde eine PV-Anlage mit 60 kWp Leistung installiert. (Bild: Fraunhofer ISE) 

Für eine CO₂-arme Wärmeerzeugung müssen solche hybriden Systeme so ausgelegt werden, dass die Wärmepumpe einen möglichst hohen Deckungsgrad erreicht und der Gaskessel entsprechend selten arbeitet. In einem der Gebäude kommt das im Projekt „HEAVEN” entwickelte Wärmepumpensystem mit kombinierter Wärmequelle (Außenluft, Erdwärme) zum Einsatz. Drei weitere Gebäude sind mit einem Nahwärmenetz verbunden, das von Erdgas-BHKW-Aggregaten versorgt wird. Der erzeugte Strom wird unter anderem für den wirtschaftlichen Betrieb der dezentralen Wärmepumpen verwendet. Wärmepumpen, BHKW und PV-Anlagen sind miteinander verbunden und durch ein Energiemanagementsystem so gesteuert, dass die Wärmepumpen möglichst wirtschaftlich mit lokal erzeugtem Strom betrieben werden.

Die „Heaven”-Mehrquellenhydraulik erzielte im ersten Betriebshalbjahr hohe Quelltemperaturen mit einem Mittelwert von 8°C, was im ersten ausgewerteten Betriebshalbjahr (Februar - Juli 2022) zu einer guten Jahresarbeitszahl von 3,2 beitrug. Dass der Spitzenlast-Gaskessel einen Anteil von 31% an der Wärmebereitstellung hatte, ist in erster Linie auf die hohen Temperaturanforderungen für hygienisches Trinkwarmwasser zurückzuführen. Insgesamt erzielt die Anlage eine Einsparung von CO₂-Äquivalenten von 42% im Vergleich zum Projektstart. Gegenüber dem ungedämmten Erbauungszustand von 1963 entspricht dies sogar einer CO₂-Reduktion um 73%. 

Ein optimierter Betrieb mit geringerem Gaseinsatz, eine höhere Arbeitszahl der Wärmepumpe oder eine geringere CO₂-Intensität des Strommix können zukünftig die CO₂-Emissionen weiter senken. Das modellhafte Energiekonzept kann auf weitere Quartiere mit MFH-Bestandsgebäuden übertragen werden.

Dr. Ing. Manuel Lämmle, der das Projekt am INATECH betreut betont: „Die Demonstratoren haben die Machbarkeit der Sanierung von MFH mit Wärmepumpen und LowEx-Technologien nachgewiesen. Wichtig ist, sich die jeweilige Situation, einschließlich der Übergabesysteme und des Platzes im Heizungskeller, anzuschauen. Bei der Sanierung sollte unbedingt ein hydraulischer Abgleich des Heizungssystems eingeplant werden und geprüft werden, ob mit dem Austausch einzelner Heizkörper die Vorlauftemperaturen weiter abgesenkt werden können.”

Das Team sieht allerdings weiteren Forschungsbedarf, u.a. bei der Entwicklung von Lösungen für den Einsatz von Gasetagenheizungen, bei der Hochtemperatur-Bereitstellung und bei der Trinkwassererwärmung durch Wärmepumpen. Daher werden innerhalb des Projekts „LCR290” Wärmepumpen mit dem umweltfreundlichen Kältemittel Propan für den Einsatz in MFH weiter verfolgt.

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