Gewerbebaukonjunktur in der Warteschleife
(8.10.2003) Zum Auftakt der 6. Expo Real, der internationalen Fachmesse für Gewerbeimmobilien, gab der Vorsitzende des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), Gerd Koppenhöfer, eine verhalten optimistische Einschätzung zur aktuellen Konjunkturlage des Gewerbebaus. Die allgemeine konjunkturelle Erholung, die sich in verschiedenen Wirtschaftszweigen bereits abzeichne, sei zwar beim Gewerbebau noch nicht angekommen. Dennoch zeigte er sich überzeugt, dass der Negativ-Trend der letzten Jahre unter bestimmten Bedingungen gestoppt werden könne.
"Beim Gewerbebau haben wir es mit einer vergleichsweise trägen Masse zu tun, die zwar verzögert, aber dennoch höchst sensibel auf Veränderungen reagiert. Sobald der wirtschaftliche Aufschwung an Fahrt gewinnt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die derzeit vorhandenen Überkapazitäten an Büroimmobilien zumindest in den wichtigen Wirtschaftszentren schnell vom Markt absorbiert und neue Investitionen notwendig werden," lautete Koppenhöfers Prognose. Die Gefahr, dass steuerliche und andere gesetzliche Verschärfungen, die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befinden, die konjunkturelle Erholung im Keim ersticken, sei jedoch groß. Insbesondere vom Ausgang der Gewerbesteuerreform und von einzelnen Regelungen, die noch immer im Zusammenhang mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz verhandelt werden, hänge ab, ob die Gewerbebaukonjunktur Anschluss an die allgemeine positive wirtschaftliche Entwicklung finde.
Gewerbesteuerreform - neue Daumenschrauben für Investoren und Mieter
Sollte sich die Regierung in der Frage der Besteuerung ertragsunabhängiger Elemente wie Mieten und Zinsen nicht gegen die kommunalen Interessenvertreter und den linken Flügel der SPD-Fraktion durchsetzen, wäre dies in zweifacher Hinsicht eine Katastrophe für den Gewerbebau. "Aufgrund der extrem hohen Investitionsvolumina und der langen Projektierungsphasen hat die Immobilienwirtschaft gar keine Wahl - ohne Fremdkapital geht es einfach nicht. Die Zinsen dafür komplett der Gewerbesteuer zu unterwerfen, ist eine Reise ins wirtschaftspolitische Absurdistan", attackierte Koppenhöfer die Forderungen der Kommunen und Städte. Expansionsfeindlich und damit konjunkturschädlich nannte er die Pläne, künftig auch gezahlten Mieten zu besteuern. "Eine solche steuerliche Belastung würde die Hürde, neues Personal einzustellen und den Flächenbedarf entsprechend anzupassen, zusätzlich erhöhen."
Liquiditätskiller Mindeststeuer
Geht es nach der Regierungskoalition, sollen künftig Verluste grundsätzlich nur zur Hälfte mit dem Gewinn eines Veranlagungsjahres verrechnet werden können. Der Rest müsste auf die Zukunft vorgetragen werden. Koppenhöfer wies auf die verheerenden Auswirkungen dieser Regelung speziell für die Immobilienwirtschaft hin, die aufgrund langer Entwicklungszeiten und hoher Anfangsverluste erhebliche Liquiditätseinbußen zu befürchten habe. Koppenhöfer: "Wer heute investieren soll, muss wissen, welche Steuern er morgen bezahlen muss, damit er auch übermorgen wieder investieren kann." Die Liquiditäts- und Ertragsplanung eines Immobilienunternehmens, die sich durch fehlende Genehmigungen, Bauverzögerungen oder insolvent gewordene Abnehmer ohnehin schwierig gestalte, werde durch die Beschränkung des Verlustvortrags zusätzlich erschwert. Folgeinvestitionen würden behindert, in vielen Fällen könnte die Mindeststeuer sogar zur Illiquidität führen.
Investitionsblockade durch die Banken
Neben den gesetzgeberischen Turbulenzen führte Koppenhöfer die restriktive Finanzierungspolitik der Banken als zentrales Problem der Investoren im Gewerbebau an. Die verschärften Anforderungen der Banken an die Bonität der Immobilienunternehmen und deren Projekte, die sich beispielsweise in einer völlig überzogenen Quote der Vorabverkäufe äußerten, seien nicht gerechtfertigt. Eine Reihe großer Bankinstitute habe sich sogar weitgehend aus der Immobilienfinanzierung zurückgezogen. Es zeichne sich zwar inzwischen wieder ein Trendwende ab, nachdem die Banken erkennen mussten, dass ohne Immobilienfinanzierung die gewünschten Geschäftsergebnisse nicht zu erreichen seien. Dieser Umdenkungsprozess dauere jedoch für den Gewerbebau zu lange. Hinzu komme die allgemeine Verunsicherung über den Fortgang der Verhandlungen zu Basel II. Nach der Intervention Großbritanniens, Frankreichs und den USA stünden plötzlich auch für Deutschland wichtige Zwischenergebnisse teilweise wieder zur Disposition.
Büroimmobilienmarkt vor strukturellem Umbruch
Die immer noch sinkenden Genehmigungszahlen für Büro- und Handelsimmobilien führte Koppenhöfer darauf zurück, dass Büroflächen, die in der Boomphase vor zwei bis drei Jahren geplant wurden, jetzt auf einen Markt drängen, dessen Nachfrage durch die allgemeine Rezession und Umstrukturierungsprozesse deutlich gesunken ist. "Die Zeiten, in denen wir in Deutschland die niedrigsten Leerstandsraten Europas hatten, sind vorbei", beschrieb der BFW-Vorsitzende die aktuelle Vermietungssituation. Die Leerstandsquote habe sich vielerorts vervielfacht und bewege sich in den großen westdeutschen Wirtschaftszentren zwischen sechs Prozent in Hamburg (= 744.000 m²) und elf Prozent in Düsseldorf (= 737.000 m²). Sogar in München, wo bis vor drei Jahren nur 0,3 Prozent der Fläche nicht vermietet war, stünden plötzlich 6,3 Prozent der Gewerbeimmobilienflächen leer (= 1.000.000 m²). Erschwerend komme ein vergleichsweise neues Phänomen hinzu: das wachsende Angebot an Untervermietungsflächen, die zu Boomzeiten von Unternehmen für ihre Expansionspläne angemietet wurden und jetzt als zusätzliche Konkurrenz den Markt verzerren.
In den großen Büro- und Dienstleitungszentren sei jedoch im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung mit einem baldigen Nachfrageanstieg zu rechnen. In Regionen allerdings, die generell mit wirtschaftsstrukturellen Problemen konfrontiert seien, werde sich die Lage eher verschärfen. Die Sonderentwicklung, die sich derzeit in Ostdeutschland nach Jahren extrem niedriger Fertigstellungszahlen in einem leichten Anstieg bei den Genehmigungen von Bürogebäuden niederschlage, lasse sich nicht auf strukturschwache Wirtschaftsregionen im Allgemeinen übertragen.
Strukturwandel - Herausforderung für die Immobilienwirtschaft
Als Fehlentwicklung bezeichnete Koppenhöfer, dass in den letzten Jahren immer weniger Büro- und Handelsgebäude modernisiert und instandgesetzt wurden. Gerade in den strukturschwachen Regionen komme es darauf an, eine Anpassung an den sichtbar veränderten Bedarf vorzunehmen und damit auch einen Beitrag zur Vitalisierung der Innenstädte zu leisten. Dabei dürfe auch die Substitution von Gewerbeimmobilien, die das Ende ihrer rund 30-jährigen wirtschaftlichen Lebensdauer erreicht haben, kein Tabu sein. "Mit der Stärkung innerstädtischer Standorte lässt sich das Leerstandsrisiko minimieren. Ein kleinteiliger Nutzungsmix aus Läden, Büros und Wohnungen ist die beste Voraussetzung dafür", erklärte Koppenhöfer.
Ein noch kleines, aber vielversprechendes Marktsegment sei die Sanierung und auch teilweise Umnutzung von denkmalgeschützten Gewerbe- und Industriebauten. Die in der Regel hohe Attraktivität der Standorte, gute Förderbedingungen und als Alleinstellungsmerkmal die unverwechselbare Identität des Quartiers ließen die Nutzung von Gewerbe-Denkmälern für viele Investoren immer interessanter werden. Der Bestand denkmalgeschützter Gewerbeimmobilien werde in Deutschland auf 1,3 Millionen Objekte geschätzt.
Handelsimmobilien unter dem Einfluss veränderten Einkaufsverhaltens
Dass der Trend zum innerstädtischen Einkauf anhält, werde durch zwei Indikatoren bestätigt: zum einen seien in innerstädtischen 1a-Lagen nahezu keine Rückgänge bei den Mieten zu verzeichnen; zum anderen habe sich der Wachstumskurs innerstädtischer Einkaufscenter ungebrochen fortgesetzt, stellt Koppenhöfer fest. Allein im Jahr 2002 seien 17 neue Center entstanden, das Gros davon in den Cities oder anderen innerstädtischen Lagen. Die Menschen ziehe es von der "grünen Wiese" zurück in die Innenstädte, wenn die Einkaufscenter und der umliegende kleinteilige Einzelhandel sich gegenseitig befruchten und ergänzen.
Koppenhöfer räumte ein, dass diese positive Entwicklung erst ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Vitalisierung der Innenstädte sei. Um diese Jahrhundertaufgabe langfristig zum Erfolg zu führen, seien innovative Planungs- und Finanzierungsmodelle nötig. "PPP ist dabei der richtige Ansatz. In Deutschland stehen wir aber erst ganz am Anfang, und die Bemühungen, die derzeit seitens des Bundes spürbar werden, sind zum Scheitern verurteilt, wenn Länder und Kommunen nicht zu größerer Flexibilität bereit sind." In diesem Zusammenhang verwies er auf die "Düsseldorfer Erklärung zur Vitalisierung von Innenstädten", in der der BFW als Kooperationsangebot an die Kommunen Grundsätze für neue Konzepte der Stadtgestaltung festgelegt hat.
Nicht zuletzt spiele auch die Novellierung des Baugesetzbuches eine wichtige Rolle beim Gelingen der Innenstadtvitalisierung. Nach Einschätzung des BFW sind jedoch von der Baugesetznovelle keine Vereinfachungen, sondern neue Hindernisse und zusätzlicher Konfliktstoff zu erwarten.
Hotelimmobilien - Polarisierung zwischen Aldi- und Superior-Class
In einer Umfrage unter seinen Mitgliedsunternehmen ermittelte der BFW für den Hotelmarkt ein erhebliches Wachstumspotenzial bei Nischenprodukten und Added-Value-Konzepten. Als Thema Nr. 1 werden dabei Gesundheit und Wellness genannt, konzeptionell werden dem Resort-Bereich erstklassige Perspektiven eingeräumt. Für jüngere Zielgruppen liegen auch künftig Design-Hotels voll im Trend.
Gute Marktchancen sehen die Investoren für die Standorte München und Düsseldorf, aber auch die deutsche Ostsee, da Ferien in Deutschland stark im Kommen sind. Vereinzelt wird auch dem Segment der Luxus-Stadthotels ein wachsendes Bedarfpotenzial zugeschrieben, da in Städten wie Frankfurt, Hamburg und München so genannte 5-Sterne-Häuser zwar seit Jahren etabliert, aber nicht mehr zeitgemäß seien.
So genannten B-Destinationen, die über ein ausgeprägtes Mittelstandswachstum und eine gute verkehrstechnische Anbindung an die Top-Ten-Städte verfügen wie beispielsweise Nürnberg oder Würzburg, attestieren die Hotel-Investoren eine erhöhte Nachfrage nach Markenhotels im mittleren Segment.
Nach Einschätzung aller Befragten schlägt sich die derzeitige Wirtschaftsflaute in einem "Down-Grading" der Gäste in niedrigere Kategorien nieder, wovon derzeit vor allem die Budget-Hotels profitieren.
siehe auch:
- Aufträge im Bauhauptgewerbe September 2003: -8,6% zum Vorjahr (22.11.2003)
- Bautätigkeit und Beschäftigung weitgehend unverändert (13.11.2003)
- Deutsche Bauproduktion wird laut DIW auch 2004 zurückgehen (8.11.2003)
- Mieten ziehen wieder an - günstige Immobilienkaufpreise (29.10.2003)
- Mittelstädte behaupten sich als Standorte für Büroimmobilien (15.10.2003)
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