Holz-Hybrid überwindet Grenzen - siebengeschossig im Stadthafen Münster
(17.8.2016) Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Hochhäuser in Stahlskelettbauweise. Was mit dem Baustoff Stahl schon lange möglich ist, könnte nun auch bald mit Holz realisierbar sein. Einen entsprechenden Ausblick in die Zukunft eröffnet derzeit ein ehrgeiziges Bauvorhaben in Münster: An der Südseite des Stadthafens (siehe Google-Maps) entsteht ein siebengeschossiges Verwaltungs- und Bürogebäude - das H7:
- Das H steht hierbei für die innovative Holz-Hybridbauweise.
- Die Sieben für die Geschossanzahl.
alle Grafiken und Computervisualisierungen © Andreas Heupel Architekten
BDA
Das H7 ist aktuell das höchste Gebäude dieser Art in Nordrhein-Westfalen. Nach aktuell gültiger Landesbauordnung sind brennbare Baustoffe im Tragwerk nur bei Gebäuden mit maximal drei Geschossen zugelassen. Mit einem hybriden Tragwerkskonzept - in diesem Fall Holz in Verbindung mit Stahlbeton - wird dieser Vorschrift auch Rechnung getragen.
Das nach den Plänen des Architekten Andreas Heupel und im Auftrag der DESRAD Immobilien GmbH & Co. KG errichtete Büro- und Verwaltungsgebäude verfolgt hohe Maßstäbe hinsichtlich Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Dazu setzte man zum einen auf die Verwendung von qualitativ hochwertigen, emissionsarmen Materialien und zum anderen erfolgte die Vergabe von Bauleistungen an lokal ansässige Firmen und Verarbeiter, wie zum Beispiel den münsterländischen Projektbauspezialisten Brüninghoff aus Heiden. Auf diese Weise wurden kurze Transportwege gewährleistet und entsprechende CO₂-Emissionen vermieden.
Das umweltfreundliche Leitkonzept spiegelt sich auch in der Nutzung wider. In die unteren drei Geschosse des Gebäudes zieht die Zentrale einer Bio-Supermarktkette als Ankermieter ein. Insgesamt sind elf Mieteinheiten mit durchschnittlich 350 m² auf einer vermietbaren Fläche von 4.340 m² vorgesehen. Von dem - in der Mitte des Gebäudes platzierten - Erschließungs- und Versorgungskerns gehen die Büroeinheiten nach Norden und Süden ab. In den oberen Geschossen ergeben sich durch die Höhenstaffelung des Gebäudes immer wieder großzügige Dachterrassen.
Hybrides Bauen mit Holz
Die Holz-Beton-Verbundkonstruktion im H7 in Münster basiert darauf, dass die Außenwände und große Teile der Tragwerkskonstruktion in Holz ausgeführt sind. Die vorgefertigten Außenwandelemente bestehen aus tragenden, durchlaufenden Brettschichtholzstützen.
Die Tiefgarage und das Erdgeschoss wurden mit tragenden Betonwänden, Stützen und Unterzügen in konventioneller Stahlbetonbauweise umgesetzt. Die Herstellung des zentralen Erschließungskerns erfolgte in Kletterbauweise. Ab dem ersten Geschoss kamen Stahlbetonstützen sowie Stahlbetonfertigteilunterzüge zum Einsatz. Die verwendeten Stahlbetonträger überspannen 8,10 m. Das Tragwerk beruht ansonsten auf einem Raster von 1,35 m. Bei den Geschossdecken handelt es sich um Holz-Beton-Verbunddecken. Das Brettschichtholz mit den Maßen 24 mal 26 cm wird hierbei mit einer zwölf Zentimeter dicken Stahlbetonplatte zu einer Hybriddecke verschraubt. Eine Regelplatte hat die Abmessungen 5,89 mal 2,68 m:
Begrenzte Platzverhältnisse und genaue Zeitvorgaben
Das 31 mal 81 m große Areal ist umschlossen von der Hafenkäserei Münster GmbH im Osten und dem Gelände der Cronos GmbH im Westen - im Norden liegt das Hafenbecken von Münster (siehe Google-Maps). Daraus ergaben sich hohe Anforderungen an die Baustellen-Logistik. Brüninghoff setzte darum einerseits auf eine modellorientierte Logistik und andererseits auf eine teilweise Verlagerung der Produktion in das baustellennahe Industriegebiet Loddenheide. Auch die anderen Projektbeteiligten der ARGE sowie die Nachunternehmer - wie beispielsweise die Haustechniker - hatten die Baustelle zu beliefern; Lagerfläche auf dem Grundstück ist jedoch kaum vorhanden. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, entwickelten die Projektverantwortlichen gemeinsam ein passendes Logistikkonzept.
Modellorientierte Logistikplanung (BIM)
Grundlage für eine tiefgehende Logistikplanung seitens Brüninghoff war beim H7 in Münster die Gebäudemodellierung mittels BIM. So ließen sich die Wege und Prozesse rund um die Baustelle sowie das Arbeiten vor Ort effizienter gestalten. Insbesondere bei hybriden Fertigteilen habe sich der Umgang mit transparenten und schnell verfügbaren Termininformationen bewährt.
Objektspezifischer Brandschutz
Im Fall des siebengeschossigen Büro- und Verwaltungsgebäudes H7 im Hafen in Münster war der Brandschutz ein besonderes Thema, da das Tragwerk des H7 zum überwiegenden Teil aus Holz besteht. Dies bedeutete eine Abweichung von der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalens, die bei der Errichtung von Holztragwerkskonstruktionen maximal drei Geschosse zulässt. In Kooperation zwischen allen Fachplanern und dem Bauordnungsamt sowie Brüninghoff wurde das schutzzielorientierte Brandschutzkonzept durch die nees Ingenieure GmbH und die Nachweise für den statisch konstruktiven Brandschutz des Gebäudes durch die Arup Deutschland GmbH erbracht.
Bauteile „heiß“ bemessen
Holz ist ein brennbarer Baustoff und wird der Baustoffklasse B2 – das heißt den normalentflammbaren Baustoffen – zugeordnet. Im Brandfall verkohlen Holzbauteile an der Oberfläche, diese Schicht vergrößert sich im Feuer relativ konstant um 0,7 mm in der Minute. Das innenliegende Baumaterial erhitzt sich nur langsam, die Tragfähigkeit bleibt erhalten. In einem Brandfall müssen alle tragenden Bauteile eine ausreichende Standsicherheit aufweisen. Daher wurde für das H7 Heißbemessung durchgeführt: Bei diesem Verfahren werden alle tragenden Holzbauteile im Brandfall bemessen und auf ihre Tragfähigkeit überprüft. Nach einer theoretischen Branddauer von 90 Minuten wurde der Standsicherheitsnachweis auf der feuerzugewandten Seite eines Holzquerschnitts geführt. Diese realistische Berechnung lässt es zu, Bauteile schlanker auszulegen. Zudem kann auf Bekleidungen verzichtet werden. Eine zusätzliche Kapselung oder Beschichtung der Holztragwerkskonstruktion war nicht erforderlich. Die tragenden Außenwände sind für 90 Minuten Feuerwiderstand bemessen. Die Wandelemente sind zudem sichtbar und zugängig zum Innenraum und entsprechen damit den Anforderungen des Brandschutzkonzepts.
Die nichttragende Gebäudehülle mit
Keramikfassadenbekleidung und Aluminiumkassettenprofilen ist feuerhemmend
ausgeführt, nichttragende Brüstungen sind für 30 Minuten Feuerwiderstand
ausgelegt. Mit einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten
Kein Holz im Keller
Im Untergeschoss des H7 war die Verwendung von Holz aufgrund des bestehenden Erdkontaktes nicht möglich und auch die Aussteifung des Gebäudes gegen Horizontallasten war über einen Stahlbetonkern effektiver. Aus brandschutztechnischen Gründen wurden für die raumabschließenden Bauteile des Sicherheitstreppenraumes sowie für die Brandwände ebenfalls kein Holz eingesetzt. Gemäß den baurechtlichen Anforderungen wurden hier nicht-brennbare Baustoffe verwendet. Und auch in den abgehängten Decken im Bereich der hochinstallierten Mittelzonen verbot sich der Einsatz von Holz, da dort die Holzträger der Hybriddecke nicht sichtbar und zugängig gewesen wären.
Es sind Grenzen gesetzt – dennoch ist Holz mit seinem „eingebauten“ Brandschutz eine Alternative zu anderen Baustoffen wie Stahl oder Stahlbeton. Die Umsetzung des H7 in Münster macht deutlich, was mit dem Baustoff Holz heute leistbar ist. Im Verbund mit Stahlbetonelementen kann die baurechtlich festgelegte Grenze von drei Geschossen überschritten werden. Damit lässt sich diese Bauweise flexibel auf Bauaufgaben anwenden, für die bislang andere Materialien eingesetzt werden mussten. Gleichzeitig spricht auch die positive Energiebilanz für das Material Holz.
Weitere Informationen zur Holz-Hybrid-Bauweise können per E-Mail an Brüninghoff angefordert werden.
siehe auch für zusätzliche Informationen:
- Brüninghoff GmbH & Co. KG
- H7 Münster - DESRAD Immobilien GmbH & Co. KG
- Andreas Heupel Architekten BDA
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- Brüninghoff veröffentlicht Whitepaper zur Holz-Hybridbauweise (15.12.2019)
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- Forschungsinitiative für den Bau eines 40-stöckigen Hochhauses mit Holz (21.12.2014)
- Urbaner Holzbau - Handbuch und Planungshilfe von DOM publishers (6.9.2013)
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- IBA Hamburg: Woodcube als „modernstes Holzhochhaus der Welt“ vorgestellt (27.12.2012)
- Erster LifeCycle Tower wird als LCT ONE Realität (15.8.2011)
siehe zudem:
- Gewerbebau, Wirtschaftsbau im Fertigbau-Magazin bei BAULINKS.de
- Literatur / Bücher über Gewerbebau bei Amazon