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Farbenindustrie kritisiert Warnung vor Titandioxid

(11.6.2017) Der Ausschuss für Risikobeurteilung (RAC) der Europäischen Chemikalienbehörde ECHA hat am 8. Juni empfohlen, das Weißpigment Titandioxid (TiO₂) als einen Stoff „mit Verdacht auf krebserzeugende Wirkung beim Menschen“ durch Einatmen einzustufen. In ersten Stellungnahmen zeigen sich die deutsche Lack- und Druckfarbenindustrie (VdL) und die Mineralfarbenindustrie (VdMi) bestürzt über diese Empfehlung:

  • VdL-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Engelmann kritisiert: „Ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage wird hier einer der wichtigsten Rohstoffe unserer Industrie zu Unrecht stigmatisiert. Titandioxid wird seit Jahrzehnten erfolgreich und sicher für die Produktion von Lacken, Farben und Druckfarben eingesetzt - für uns ist Titandioxid schlicht unverzichtbar.“
  • VdMi-Geschäftsführerin Dr. Heike Liewald beklagt: „Die Bewertung steht aus unserer Sicht auf wackeligen Füßen und ist toxikologisch nicht gerechtfertigt. Die Auswirkungen wären unverhältnismäßig hoch auf allen Gebieten, in denen das Weißpigment eingesetzt wird", sagt Dr. Heike Liewald, Geschäftsführerin des VdMi.

Zur Ernnerung: Titandioxid (TiO₂) ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pigment: Es wird in großen Mengen in technischen Anwendungen wie Farben und Lacken, Kunststoffen, Fasern und Papier verwendet. Darüber hinaus wird es zur Farbgebung in Kosmetika, Lebensmitteln, Pharmazeutika sowie Email und Keramik genutzt. Spezielle Formen von Titandioxid werden als UV-Filter oder als Photokatalysatoren beispielsweise zum Schadstoffabbau eingesetzt - siehe u.a. Baulinks-Magazin „luftreinigende Oberflächen“.

Das Weißpigment ist der mit Abstand wichtigste Rohstoff der Farbenindustrie und in den meisten Farben enthalten. Gleichwertige Alternativen gibt es wohl nicht: Pigmente wie Calciumcarbonat, Zinkoxid, Zinksulfid und Bariumsulfat haben laut VdL technisch und coloristisch schlechtere Eigenschaften - beispielsweise hinsichtlich Deckkraft und Witterungsbeständigkeit.

Frankreich hatte die Einstufung von Titandioxid als krebserzeugend durch Einatmen bei der ECHA angestoßen. Der französische Vorschlag stützt sich laut VdMi auf über 20 Jahre alte Studien an Ratten, die extrem hohe Konzentrationen an TiO₂-Staub inhaliert haben. Die Ergebnisse aus derartigen Studien sind möglicherweise aber auf den Menschen nicht übertragbar, wie die relevanten Leitlinien der ECHA sowie der OECD feststellen. Auch epidemiologische Studien an den Produktionsstandorten zeigten keinen Zusammenhang zwischen der Exposition mit Titandioxid-Staub am Arbeitsplatz und einem Risiko für Krebs. Immerhin wird Titandioxid seit über 100 Jahren industriell hergestellt.

Eine Einstufung von Titandioxid als krebserzeugend wird erheblichen Druck auf die Hersteller ausüben, ihre Farbrezepturen zu verändern. So sind beispielsweise 95% der RAL-Farbtöne mit Titandioxid hergestellt. Die allermeisten Hersteller von Farben und Lacken sind mittelständische Unternehmen, die keine eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben und die deshalb eine solche umfassende Rezepturänderung nicht durchführen können. Ihr Überleben am Markt wäre laut VdL akut gefährdet.

„Das Einstufungsverfahren führt schon jetzt zu einer großen Verunsicherung in vielen Industriebranchen und deren Abnehmern. Wir fordern von der Politik, dass sie bei der Entscheidungsfindung auf EU-Ebene die wissenschaftliche Begründung des Vorschlags kritisch überprüft und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer Einstufung im Blick behält“, erklärt Engelmann vom VdL.

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