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Belastung durch Ultrafeinstaub in Wohnungen hängt vor allem von den Bewohnern selber ab


Messungen in 40 Nichtraucher-Wohnungen in Leipzig und Berlin (Fotos © Jiangyue Zhao, TROPOS, Bild vergrößern)
 

(19.5.2020) Einwohner deutscher Großstädte haben es zuallererst selbst in der Hand, die Konzentrationen ultrafeiner Aerosolpartikel in ihren Wohnungen niedrig zu halten. Die Belastung in der Wohnung hängt nämlich nur zum Teil von der Außenluftqualität ab. Die Qualität der Innenraumluft hängt vielmehr von den Aktivitäten in der Wohnung ab - zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA).

Feine und ultrafeine Aerosolpartikel sind mit Blick auf Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Er­krankungen von Bedeutung für die öffentliche Gesundheit. Wieviel Feinstaub in den Körper über die Lunge gelangen kann, hängt u.a. von der Größe der Partikel ab. Zu den wichtigsten Quellen für die ultrafeine Partikel, die kleiner als 100 Nanometer sind und deshalb tief in den Körper vordringen können, gehören u.a. ...

  • Verbrennungsmotoren im Straßen- und Luftverkehr,
  • Kleinfeuerungsanlagen,
  • Kraftwerke oder auch
  • Waldbrände.

Daher gibt es in vielen Industriestaaten mittlerweile umfangreiche Maßnahmen, Feinstaub in der Außenluft zu reduzieren. Schätzungen zufolge verbringen allerdings Menschen in den entwickelten Ländern über zwei Drittel ihrer Lebenszeit innerhalb von Gebäuden - und davon die meiste Zeit in der eigenen Wohnung. Dort sind sie einer Mischung an Schadstoffen ausgesetzt, die aus verschiedenen Innenraum-Quellen stammen können - wie z.B. ...

  • Kochen,
  • Heizen aber auch aus der
  • Außenluft.

Parallele Messungen auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Garten (Bild vergrößern
 

Um herauszufinden, welchen feinen und ultrafeinen Aerosolpartikeln Menschen in ihren eigenen Wohnungen ausgesetzt sind, hat TROPOS zwischen 2016 und 2019 insgesamt 40 Nicht­rau­cher-Wohnungen in Leipzig und Berlin auf Fein- und Ultrafeinstaub und ihre Quellen untersucht. Parallel zu den Messungen in der Wohnung erfolgten Messungen entweder auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Garten. Um Auswirkungen des Straßenverkehrs beurteilen zu können, befand sich etwa die Hälfte der Wohnungen innerhalb von 150 m zu einer verkehrsreichen Straße. Weitere Wohnungen wurden im städtischen Hintergrund sowie in den Randbezirken ausgesucht, um unterschiedliche Qualitätsstufen der Außenluft abbilden zu können.

Für das Forschungsprojekt entwickelte das TROPOS-Team eigens Messgeräte, um innerhalb und außerhalb der Gebäude hochaufgelöste Par­tikelanzahl-Größenverteilungen messen zu können. Im Verlauf von zwei Jahren wurde jede der 40 Wohnungen zweimal mit einer Messdauer von einer Woche in unterschiedlichen Jahreszeiten besucht.

Da angenommen wurde, dass die Aktivitäten der Bewohnerinnen und Bewohner großen Einfluss auf die Luftqualität in der Wohnung haben, wurden sie gebeten, ein digitales Logbuch zu führen, in dem Aktivitäten wie Lüften, Kochen, Kerzen brennen lassen oder Staubsaugen notiert wurden. Insgesamt kamen rund 10.000 Messstunden im Sommer und Winter zusammen. Dies war für die Auswertung von Bedeutung, da Wohnungen je nach Außentemperatur unterschiedlich stark aktiv belüftet werden.

Die Messungen zeigten schließlich, dass 90% der Anzahl der Partikel in den Wohnungen ultrafein und somit kleiner als 100 Nanometer waren. Überraschend deutlich korrespondierte die Partikelanzahl mit den Aktivitäten in den Wohnungen. Außer beim Abbrennen von Kerzen, wurden auch beim Kochen, Backen und Toasten deutliche Mengen an ultrafeinen Partikeln freigesetzt. Auch in Räumen, die außerhalb von der Küche lagen, waren diese Partikel messbar.

Zeitlich gesehen war die Anzahl der ultrafeinen Partikel in der Nacht am geringsten, erreichte aber am Abend und am Morgen Spitzenwerte. Besonders im Winter, wenn weniger gelüftet wurde, zeigte sich ein sehr deutliches Tagesprofil: „Die Partikelanzahlkonzentration in den Innenräumen weist starke Spitzenwerte um 8:00, 12:00 und 19:00 Uhr auf, was typische Zeiten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen sind“, erklärt Jiangyue Zhao vom TROPOS, die die Daten im Rahmen ihrer Doktorarbeit ausgewertet hat.

Im Sommer waren die Spitzen ultrafeiner Partikel dagegen weniger deutlich ausgeprägt, weil durch offene Fenster mehr aktiv gelüftet wurde. Während die größte Konzentration ultrafeiner Partikel sowohl im Sommer als auch im Winter am Abend gegen 20 Uhr beobachtet wurden, verschob sich die Spitze am Morgen von etwa 8 Uhr im Sommer auf etwa 9 Uhr im Winter. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Menschen durch den späteren Sonnenaufgang im Winter auch später aktiv werden.

Prof. Alfred Wiedensohler vom TROPOS fasst es folgendermaßen zusammen: „Die rund 500 Messtage ermöglichten uns, ein repräsentatives tages- und jahreszeitliches Schwankungsmuster der Exposition mit feinen und ultrafeinen Partikeln in den Wohnungen zu erhalten sowie die entsprechenden Verhältnisse zwischen Innen- und Außenbereich zu analysieren. Die Konzentrationen von ultrafeinen Partikeln konnten mit den Aktivitäten der Bewohner in Verbindung gebracht werden und zeigten signifikant höhere Konzentrationen und eine größere Variabilität als die Partikelkonzentrationen im Freien auf. Dies deutet darauf hin, dass menschliche Aktivitäten die Hauptursache für die Konzentration ultrafeiner Partikel in Innenräumen sind.“

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es klar, dass die Exposition mit feinen und ultrafeinen Partikeln in deutschen Wohnungen nicht durch Messungen im Freien beschrieben werden kann. Ein Grund dafür ist, dass die Wohnungen durch moderne Energiesparfenster meist sehr dicht sind und ein Luftaustausch nur kurz durch manuelles Lüften erfolgt. Generell fehle es momentan noch an einer belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehung für ultrafeine Partikel sowohl im Innenraum als auch in der Außenluft. Daraus ergebe sich für die kommenden Jahre der Auftrag an die Wissenschaft, gezielte Studien zur Erforschung der gesundheitlichen Wirkungen von Ultrafeinstaub durchzuführen.

Die Studie ist auf Englisch im Fachjournal „Aerosol and Air Quality Research“ erschienen. Sie ist die erste Langzeitstudie zu Feinstaub von 10 Nanometer bis 10 Mikrometern Größe, die in vielen Wohnungen in Deutschland über einen langen Zeitraum so detailliert durchgeführt wurde.

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