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39 schallisolierte „Noisy Rooms“ aus Rigidur H Gipsfaserplatten und 10.000 Stahlfedern

(17.5.2021) Das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes im Berliner Ortsteil Friedrichshain dürfte den allermeisten Bürgern und insbesondere den Haupt­stadt-Touristen vor allem unter seinem Kürzel „RAW“ ein Begriff sein. Das rund 51.000 m² große Areal galt bis vor Kurzem als letzte noch nicht modernisierte Industriebrache in Berlin. Nichtsdestotrotz siedelten sich hier über die Jahre verschiedene, überregional bekannte Kultur- und Sporteinrichtungen sowie gastronomische Betriebe an und verwandelten die 1867 eröffnete „Königlich-Preußische Eisenbahnwerkstatt Berlin II“ zu einem der kreativen Mittelpunkte Berlins (siehe auch Google-Maps).

Foto © Patrick Pleul 

2019 wurde die älteste Halle auf dem Gelände nach einer umfassenden Sanierung wiedereröffnet und ihrem neuen Betreiber übergeben: dem „House of Music“. Im Inneren der Halle sind auf Grundlage der Planungen des Architekturbüros Zoomarchitekten außergewöhnliche Räume entstanden, für deren raumakustisch einzigartige Ausgestaltung das Team der Kaefer Construction GmbH aus Dahlewitz verantwortlich war. Mit besonders aufgebauten Raum-in-Raum-Konzepten aus Rigidur H Gipsfaserplatten überzeugten die Trockenbauprofis auch die Jury der 12. Rigips Trophy, die das Team zum Gewinner der Wettbewerbskategorie Akustiksysteme kürte.

In der kriegszerstörten, später nur notdürftig sanierten Halle war früher die ehemalige Radsatzdreherei untergebracht. Entsprechend „herb“ war der Charme des rund 4.500 m² großen Gebäudes: Die Halle des dreigeschossigen Gebäudes war für die Zufahrt von Eisenbahnzügen konzipiert worden, weshalb das Erdgeschoss eine lichte Raumhöhe von circa 6 m aufweist. Altes Mauerwerk und hohe historische Gussstützen unterstreichen den Fabrikcharakter des Gebäudes zusätzlich. Ein Charakter, der auch nach der Sanierung weiterhin sichtbar und fühlbar sein sollte.

Foto © Patrick Pleul 

Der industriehistorische Charme der Räume passt gut zur neuen Nutzungsform, denn gearbeitet wird hier auch weiterhin - wenn auch unter wesentlich kreativeren Vorzeichen als noch zu Reichsbahnzeiten. Das 2019 in die Halle gezogene „House of Music“ versteht sich selbst als Schnittstelle zwischen Musikern, Unternehmen und Organisationen aus der Musikbranche. Unter anderem bietet hier das „British and Irish Modern Music Institute“ Bachelorstudiengänge auf internationalem Top-Niveau an. Hierfür wurde eine Arbeitsumgebung geschaffen, die viel Raum für die künstlerische Entfaltung bietet.

„Noisy Rooms“ versprechen Ruhe

Einen zentralen Anlaufpunkt bilden die sogenannten „Noisy Rooms“ - spezielle Räume für Film-, Musik- und Tonproduktionen, in die sich Musiker und sonstige Kreative flexibel einmieten können. „Egal, ob stundenweise angemietet oder als langfristiger Übungsort genutzt, mussten alle ,noisy Rooms‘ über eine bestmögliche Schallisolierung verfügen“, erklärt Dipl.-Ing. Mario Heß, verantwortlicher Kalkulator und technischer Ideengeber der Kaefer Construction GmbH. „Diese schallschutztechnische Trennung der insgesamt 39 unterschiedlich großen Raumzellen war umso wichtiger, da zwischen den einzelnen Konstruktionen häufig nur wenige Zentimeter lagen und sich zum Beispiel Musiker während ihrer Proben natürlich gegenseitig nicht stören dürfen.“

Foto © Patrick Pleul 

Vor rund 13 Jahren war exakt diese Aufgabenstellung Bestandteil der Diplomarbeit von Mario Heß. Entsprechend sattelfest waren seine Vorüberlegungen. „Je nach Nutzung der bis zu 4,5 m hohen Räume hat man es mit ganz unterschiedlichen Schallarten in puncto Lautstärke und Frequenz zu tun. Es wurde also nach freitragenden Raumkonstruktionen gesucht, die ein hohes Maß an Schallschutz und eine ausgewogene Raumakustik im Inneren erreichen. Aufgrund des geringen Abstandes zwischen den einzelnen Raumzellen kam hierfür ausschließlich eine einseitige schalldämmende Bekleidung von innen infrage“, erklärt Herr Heß.

Auf über 10.000 Stahlfedern gelagert

Um den erforderlichen Lärmschutz zur Umgebung und den umliegenden Bürobereichen innerhalb des Gebäudes sicherzustellen, wurden alle „noisy Rooms“ auf Gussasphalt-Bodenplatten und insgesamt über 10.000 Stahlfedern elastisch gelagert. Ähnlich wie bei der Vorgehensweise zum Schutz gegen Erdbeben, wird hierdurch eine Dämpfungswirkung gegenüber Erschütterungen aber auch Körperschall erzielt:

Foto © KAEFER Construction GmbH 

Für die wirksame Luftschalldämmung modifizierte das Team der Kaefer Construction Berlin die von den Akustikspezialisten der wax GmbH Berlin entwickelten komplexen Raum-in-Raum-Konstruktionen bestehend aus acht, teilweise neun Schichten. Neben unterschiedlichen Dämmstofflagen und Holzwolle-Leichtbauplatten bilden Rigidur H Gipsfaserplatten und Einlagen aus Stahlblech die zentralen Elemente der Wände und Decken. Sie bringen die für den effektiven Schallschutz notwendige Masse in die Konstruktionen.

„Ursprünglich geplant war eine Lösung mit sehr schweren Plattenwerkstoffen, die ausschließlich mit einer Decklage aus HWL-Platten versehen werden sollten. Diese Konstruktion hätte zwar die angestrebten Schalldämmmaße von über 90 dB erzielt, war aus Sicht der Kaefer-Techniker allerdings vergleichsweise unwirtschaftlich und technisch etwas unausgewogen. Gemeinsam mit den Technikern von Rigips hat Kaefer stattdessen einen Wandaufbau erarbeitet, der gleich mehrere Vorteile mit sich brachte.“

Großformatige Gipsfaserplatten brachten die gewünschten Vorteile

Den ersten dieser Vorteile lieferten die Rigidur H Gipsfaserplatten quasi gleich von Werk aus mit: Sie wurden als großformatige Platten (1.250 x 2.000 mm) angeliefert. „Die ursprünglich ausgeschriebenen Platten hätten nur ein Format von 625 x 2.000 mm gehabt. Das hätte vergleichsweise mehr Fugen und einen hohen Spachtelanteil bedeutet. Der hohe Fugenanteil hätte wiederum die Biegeweichheit beeinträchtigt. Die Verschraubung der vier Platten in die 1,5 mm dicken Stahlblechprofile erschien darüber hinaus unwirtschaftlich. Es wären einfach mehr Profile je Wand erforderlich gewesen, um die Plattenversätze zu gewährleisten. Ein weiterer Vorteil: Die Plattenstöße der großformatigen Rigidur H Platten können verklebt werden, was unter schallschutztechnischen Gesichtspunkten ebenfalls von Vorteil ist“, erklärt Mario Heß.

Foto © KAEFER Construction GmbH 

Auf Basis dieser Überlegungen entstand folgender Wandaufbau:

  • In die CW-Profile der Unterkonstruktion wurde zunächst eine 100 mm starke Mineralwolldämmung eingelegt.
  • Es folgte eine Beplankung mit zwei Lagen Rigidur H.
  • Anschließend wurden 1,2 mm dicke Stahlblecheinlagen punktuell mit speziellen Bohrschrauben durch die Gipsfaserplatten in der Unterkonstruktion befestigt.
  • Darauf folgten die dritte und vierte Lage Gipsfaserplatten, die ebenfalls mit Bohrschrauben in der Blecheinlage verschraubt wurden. Dadurch wurde die Montage aller weiteren Aufbauten wie zum Beispiel der HWL-Decklagen mit Holzunterkonstruktion, Absorber-Koffer sowie diverse Wand- und Deckenaufbauten erheblich vereinfacht.

Konstruktion mit Modellcharakter

Insgesamt ergibt der Wandaufbau trotz der schallschutztechnisch notwendigen Masse eine biegeweiche Schale, die zu den akustischen Anforderungen passte. Das rein rechnerische Verhalten der einzelnen Komponenten und der gesamten Konstruktionen war im Vorfeld von den Akustikern der wax GmbH hinsichtlich unterschiedlicher Frequenzen und Schwingungen ermittelt worden. Mario Heß zufolge hatte Kaefer bis zu diesem Projekt einen vergleichbaren Wandaufbau noch nicht realisiert: „Umso mehr fühlten wir uns durch die nachträglichen Vor-Ort-Schallmessungen des Akustikplaners bestätigt. Das tatsächlich ermittelte Schalldämmmaß von Raum zu Raum lag bei 98 dB. Aufgrund dieser Ergebnisse hat Kaefer im Nachgang weitere Projektanfragen bekommen, bei denen ähnlich strenge Schallschutzanforderungen eingehalten werden sollten.“

Die überzeugende Schalldämmwirkung im „House of Music“ wird durch viele weitere Details unterstützt: Alle Türöffnungen wurden aus Stahlhohlprofilen erstellt und mit schweren, dreifach gefälzten Schallschutztüren ausgestattet. Studiofenster erhielten durchgängige Schallschutzverglasungen und sämtliche Medienzuleitungen in die Raumzellen wurden akustisch abgeschottet.

Foto © KAEFER Construction GmbH 

Ein Ausbauprojekt der wahrlich besonderen Art, das in dieser Form auch die Experten der Trophy-Jury beeindruckte. Sowohl die überaus detaillierte Vorplanung der Zoomarchitekten GmbH in Kooperation mit den Akustikspezialisten der wax GmbH als auch die aufwändige Umsetzung dieser „schallschluckenden“ Wandkonstruktionen machten für sie die Kaefer Construction GmbH zum Gewinner der Wettbewerbskategorie Akustiksysteme. Entstanden ist ein Raum-in-Raum-System auf Basis von Rigidur H Gipsfaserplatten, das auf sehr spezielle Nutzungsanforderungen eine bauphysikalisch mehr als überzeugende Antwort gefunden hat.

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