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Plädoyer für eine integrale Haustechnik-Planung von Beginn an

  • (Klima-)Technik im Clinch mit der Architektur
  • FGK-Architektentag in der Neuen Messe Stuttgart und im Mercedes-Benz-Museum

(27.5.2008) Spätestens seit stetig steigende Energiekosten wachsende Bevölkerungskreise für die Nutzung regenerativer Energien sensibilisieren, wird nicht nur im Wohnungsbau, sondern zunehmend auch im Objektbau von Architekten und Gebäudeplanern die Berücksichtigung regenerativer Energien verlangt. Denn die Abstimmung von Heizung, Klima und Lüftung auf das jeweilige Gebäudekonzept birgt ein zusätzliches Optimierungspotential und ermöglicht zugleich auch den sparsamen Umgang mit knapper werdenden Ressourcen.


neue Messe Stuttgart: (noch) als eine Computervisualisierung (Osten ist im Bild oben; Bild vergrößern)

Dass sich einerseits moderne, Ressourcen schonende Klimatechnik auch mit anspruchsvoller, repräsentativer Architektur vereinbaren lässt, andererseits aber auch gerade bei komplexeren Gebäuden eine integrale Planung unumgänglich ist, wollte das Fachinstitut Gebäude-Klima e.V. anlässlich eines Architektentages aufzeigen. Beide Botschaften wurden den Teilnehmern während der gemeinsamen Besichtigung zweier Stuttgarter Objekte mit Vorbildcharakter in puncto Technische Gebäudeausrüstung überzeugend vermittelt: Sowohl die neue Messe als auch das Mercedes-Benz-Museum beeindrucken durch ihre Architektur und ihre ökologischen Ver- und Entsorgungskonzepte.

Die neue Messe bezeichnet sich selber als grünste Messe Europas - immerhin sind 50% ihrer Gesamtfläche begrünt, eine 2.500 m² große Photovoltaik-Anlage erzeugt umweltfreundlichen Strom und mehrere Retentionsbecken reinigen das Oberflächenwasser, bevor es in den Naturkreislauf wieder eingespeist wird.

Mercedes-Benz Museum (Ben van Berkel/ UNStudio)
Mercedes-Benz Museum (Ben van Berkel/ UNStudio) Foto: Baubild Berlin, Stephan Falk

Im Mercedes-Benz-Museum sorgt unter anderem eine Bauteilaktivierung für die 22° bis 27° Celsius und die 55% Luftfeuchtigkeit, die für die wertvollen Ausstellungsstücke unbedingt konstant vorgehalten werden müssen. Berühmt und im Guiness Buch der Rekorde vertreten ist der höchste künstliche Wirbelsturm der Welt, der im Brandfall eine schnelle Entrauchung gewährleisten soll.

Ein ganz wesentliches Element im Klimakonzept, nämlich die besonders sparsame Schichtlüftung, haben Museum und Messe gemein:

Traditionell werden Ausstellungsräume mittels Luft-Einblasung von oben belüftet, was bedeutet, dass die Luft über die gesamte Raumhöhe ungefähr gleich kalt oder warm sowie frisch oder verbraucht ist. Damit wird viel Energie verschwendet, weil ja eigentlich nur der Aufenthaltsbereich der Besucher, also die unteren zwei Meter, mit wohltemperierter Frischluft versorgt sein müsste. Dem trägt die Schichtlüftung Rechnung, die vorgewärmte bzw. vorgekühlte Frischluft über Quellauslässe an den unteren Wandbereichen zuführt und den oberen Luftraum nicht klimatisiert. Bis zu 50% der Energiekosten sollen so eingespart und zudem Zugbelastungen deutlich verringert werden können. Für die schnelle Erwärmung bzw. Kühlung am Morgen können größere Luftmengen über erhöht angebrachte Weitwurfdüsen eingeblasen werden:


Quellauslässe und Weitwurfdüsen aus dem Beitrag "Architektur und Technik der Neuen Messe Stuttgart" vom 3.6.2007

Mit der Schichtlüftung als zentralem Element verfügen sowohl Messe als auch Museum über eine sehr effiziente Klimatechnik. Während aber aus Sicht der technischen Gebäudeausrüstung bei der Messe offensichtlich auch die Planungsphase vorbildlich ablief, war das wegen der absoluten Vorrangigkeit der Architektur beim Mercedes-Benz-Museum nicht der Fall.

Technik im Clinch mit der Architektur

Da man mit der neuartigen Schichtlüftung keine Erfahrungen hatte, wurde für das Messe-Projekt durch die Universität Stuttgart eine Reihe von Praxistests in der alten Messe Killesberg durchgeführt, um spätere negative Überraschungen und ansonsten ggf. notwendig werdende Korrekturplanungen zu vermeiden. Nach der ausführenden Scholze Ingenieurgesellschaft mbH konnten so frühzeitig die richtige Dimensionierung, die notwendigen Wandabstände der Messestände und andere zu beachtende Faktoren ermittelt und eingeplant werden.

Ganz anders beim Mercedes-Benz-Museum, das zwar auch energieeffizient ausgerüstet werden sollte, bei dem aber die Architektur und die Innengestaltung so sehr im Vordergrund standen, dass dagegen die Frage, wo und wie die Technik untergebracht werden konnte, absolut zurückstand. Bei einem Gebäude, in dem es praktisch keine rechtwinklig zueinander stehende Wände und geraden Ebenen gibt, sondern sich die Ausstellungsflächen quasi um ein zentrales Atrium nach oben schlängeln, war das keine leichte Aufgabe. Zumal nicht nur in den oberen Bereichen kaum Technik-Räume eingeplant wurden, sondern selbst im Keller der Platz eigentlich zu knapp für die Vielzahl der Leitungen und Rohre ist:


Drunter und Drüber in den Technik-Räumen des Mercedes-Benz-Museums (Foto: Christian Lemiesz VDI)

Nach Darstellung des für die technische Ausrüstung verantwortlichen Unternehmens, der Siegle + Epple GmbH & Co. KG, musste daher oft improvisiert werden, wobei durch die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten während der Ausführungsphase letztlich auch immer Lösungen gefunden wurden.

Auch wenn sich der gestalterische Anspruch an ein Museum für Luxus-Autos, das ursprünglich auch zur Auslieferung des Maybachs vorgesehen war, naturgemäß von dem an ein Messegelände unterscheidet und im Ergebnis beide über eine effiziente Klimatechnik verfügen, unterstrich der vergleichende Besuch beider Objekte das Eingangsplädoyer des Architektentages für eine integrale Planung, die die technischen Gebäudeausrüster frühzeitig einbezieht.

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