Gebäude - ästhetischer Energiesammler statt dröge Energieschleuder
(31.7.2007) Den globalen Klimawandel einzudämmen ist eine große Herausforderung für die Menschheit. Gebäude sind für rund 45 Prozent des Weltenergieverbrauchs verantwortlich. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe, Gebäude zu entwerfen, die neben energiesparender Bauweise auch in der Lage sind, erneuerbare Energie zu nutzen oder sogar über ihren eigenen Bedarf hinaus zu produzieren. Die Architekten und Wissenschaftler des Lehrstuhls 2 für Baukonstruktion und Entwerfen (IBK2) der Universität Stuttgart entwickeln deshalb zusammen mit Projektpartnern Fassaden für Bürogebäude mit integrierter Solarenergietechnik. Wichtig ist ihnen dabei, dass diese auch ästhetischen Ansprüchen genügen.

Ziel der Forscher ist eine aktive Fassade, die in Bezug auf Dämmung, Verschattung und aktive Nutzung solarer Baukomponenten leistungsfähiger ist als bisherige Systeme. Architektonische Gesichtspunkte wie die Gestaltung der Fassade, der Einfluss der Lichtwirkung im Innenraum und der freie Ausblick für die Gebäudenutzer stehen neben energetischen Ergebnissen und technischen Realisierungsmöglichkeiten im Vordergrund. Zudem soll das System vollständig in die Fassade integriert werden können. Die Wissenschaftler um den Architekten Prof. Stefan Behling haben eine Lösung gefunden, die diesen Anforderungen entspricht - und an Schücos E² Fassade erinnert, deren Entwicklung Prof. Behling im Übrigen auch begleitet hat (siehe Beitrag vom 6.2.2007). Die Stuttgarter Wissenschaftler verwenden in diesem Fall aber Vakuumröhren als Sonnenkollektoren, die nach dem so genannten Kammprinzip angeordnet sind. In eine Glasfassade integriert, könnten die Vakuumröhren der Firma Schott-Rohrglas GmbH unterschiedlichste Funktionen wie Energiegewinnung für ...
- eine Warmwasserbereitung und/oder
- die Raumheizung sowie
- für eine solare Kühlung übernehmen.
Sie
bieten zugleich Sonnenschutz durch eine Teilverspiegelung der Röhre sowie durch
die Abfuhr der anfallenden Wärme und lassen gleichzeitig durch ihre transparente
Bauweise den Ausblick nach draußen und den Einfall des Tageslichtes zu. Die
Röhren sollen dabei so angebracht werden, dass der integrierte Spiegel optimal
zur einfallenden Strahlung ausgerichtet ist.
Messungen mit einem Modell und Simulationsrechnungen ergaben Jahresenergieerträge des Fassadensystems ...
- von bis zu 500 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr mit Bezug auf die Aperturfläche, das ist die Röhrenfläche, die die Energie absorbiert, und
- bis zu 340 kWh/(m²a) mit Bezug auf die Brutto-Fassadenfläche.
Diese Werte zeigen das viel versprechende energetische Potenzial des Fassadensystems. Je weiter der Abstand von Röhre zu Röhre ist, desto geringer fällt natürlich der Energieertrag aus, zudem beeinflusst der Röhrenabstand den Sonnenschutz und den verbleibenden Anteil an Tageslichteinfall. Großen Einfluss auf den Energieertrag hat auch der Röhrenanstellwinkel: Je stärker das Spiegelhalbrund der Röhre aus der vertikalen Fassadenposition verdreht wird, desto mehr Solarstrahlung wird auch bei höheren Sonnenständen empfangen. Der Vorteil bewirkt, dass das Fassadensystem mit Vakuumröhren bei Bezug auf Aperturfläche einen um rund 35 Prozent höheren Energieertrag als eine effiziente Flachkollektor-Fassade erbringt. Die Forscher entwickeln nun einen funktionsfähigen Prototyp, bei dem die Zu- und Ableitungen in die Fassadenpfosten integriert sind.
siehe auch für weitere Informationen:
- Institut für Baukonstruktion (IBK2)
- Schüco International KG
- Schott-Rohrglas GmbH
- Energie sparen - Ratgeber für Heizkosten, Modernisierung, Strom sparen
- Fördermittel von Energieversorgern und der öffentlichen Hand
- ArKol - ein Forschungsprojekt zu Bauwerk-integrierter Solarthermie (BIST) (1.7.2020)
- „Fluidikfenster“ mit schaltbarem Sonnenschutz und solarthermischer Energiegewinnung (5.9.2018)
- Städtebau und Klimawandel? „Die Lösung sind nicht kleine Fenster, sondern große mit Sonnenschutz!“ (4.9.2018)
- Bauforschung: Flüssige Gebäudehülle zum Schutz vor Hitze und Kälte (24.11.2016)
- Solarthermie-Sonnenschutz-Fenster aus Dünnglas, Lamellen und Rohrleitungen (7.7.2015)
- weitere Details...
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- EU-Projekt "I3CON" für Gebäude mit Zukunft (7.5.2007)
- "Schüco E² Fassade" - Die Energiefassade (6.2.2007)
- Filigranes Stahl-Profilsystem mit "Praxis Altbau"-Anerkennung (6.2.2007)
- Passivhaus-taugliche Pfosten-Riegel-Konstruktion vorgestellt (6.2.2007)
- Erstes wärmegedämmte Profilsystem aus 100% Stahl (5.2.2007)
- Licht trotz Schatten - Mikrospiegel vereinen Gegensätze (26.7.2006)
siehe zudem:
- Fassadensysteme, Solarthermie, Photovoltaik, Sonnenschutz, Sonnenschutzanlagen, Fensterfolien, Innenverschattung, Markisen, Sonnenschutzsteuerung und Rollladen bei Baulinks
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